Sechs Fraunhofer-Institute arbeiten im Verbund Innovationsforschung interaktiv an der Erforschung und Gestaltung der Innovationssysteme von morgen. Wir haben mit Sven Schimpf, dem Geschäftsführer des Verbunds, über die Zukunft der Innovation in offenen vernetzten und dynamischen Systemen gesprochen.
Mark Twain sagte einmal, Prognosen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Ihr habt gerade ein Impulspapier zur Zukunft der Innovation vorgelegt und fünf Thesen für das Jahr 2030 entwickelt. Was ist euer wesentliches Ergebnis?
Grundsätzlich sind wir in Deutschland in Sachen Innovation noch gut aufgestellt. Die Innovationsfähigkeit der Unternehmen hierzulande ist immer noch unser großer Wettbewerbsvorteil. Wenn wir diese Position in Zukunft jedoch erhalten wollen, müssen wir jetzt damit beginnen, uns tiefgreifend und strukturell weiterzuentwickeln. Unsere derzeitige Innovationskultur beruht ja darauf, dass sich Innovationen aus den bestehenden Strukturen und Prozessen entwickeln lassen. Das wird im Zeitalter der digitalen Transformation nicht mehr genügen. Wir müssen einen evolutionären Sprung machen, um mit dem Tempo und der Komplexität des digitalen Umbruchs mithalten zu können.
Wie sieht die Innovation der Zukunft konkret aus?
Die Innovation der Zukunft ist keine Silokompetenz einzelner Unternehmen oder spezialisierter Abteilungen mehr – im Gegenteil: Offenheit, Lernfähigkeit, Kooperations- und Integrationsfähigkeit entwickeln sich zu den neuen Leitbildern. Für Unternehmen wird es immer wichtiger, zum einen eine Innovationskultur zu entwickeln, die es potenziell jedem im Unternehmen ermöglicht, Innovationen anzustoßen oder dabei mit der persönlichen Expertise bereichsübergreifend mitzuwirken. Zum anderen muss diese Innovationskultur gewährleisten, dass Unternehmen im Verbund mit vielen anderen Akteuren gemeinsam neue Ideen und Ansätze entwickeln können. Neben anderen Unternehmen können diese Innovationspartner beispielsweise Startups, Verbände, Bürger oder technologienahe Bewegungen wie Hacker und Maker sein. Nur in diesen vernetzten Innovationsökosystemen kann die Komplexität und Geschwindigkeit bewältigt werden, die die digitale Transformation von uns verlangen wird.
Wie werden Technologietrends wie KI, Big Data oder Augmented Reality unsere Art zu innovieren beeinflussen?
Die transformativen Technologien werden in Zukunft strukturverändernd auf die Art und Weise wirken, wie wir innovieren: Alle Prozesse werden durchgängig digitalisiert sein und selbst bei kreativen Prozessen werden die Denker und Gestalter visuell und datentechnisch gestützt arbeiten. Wir werden beispielsweise zeitnah Marktentwicklungen oder Kundenverhalten auswerten und sofort in Innovationsprozesse einspeisen können. Nutzerdaten werden beispielsweise kein abstrakter Datenpool mehr sein, sondern in Echtzeit in Produkt- und Serviceentwicklungen einfließen. Simulationen oder Digital Twins werden es uns ermöglichen, innerhalb kürzester Zeit Prototypen neuer Produkte, Dienstleistungen oder Kundenerlebnisse zu entwickeln und unmittelbar zu testen.
Auch das Verhältnis von Mensch und Technologie wird ein grundlegend anderes sein: Für die Weiterentwicklung von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Geschäftsmodellen sind nicht mehr nur die besten Köpfe ausschlaggebend, sondern auch die beste maschinelle Integration von Marktanforderungen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen.
Wie sieht das Jobprofil des Forschungs- und Entwicklungsmanagers der Zukunft aus?
Forschungs- und Entwicklungsmanager in Unternehmen werden diejenigen sein, die die Akteure, Kompetenzen und maschinelle Instrumente orchestrieren. Sie werden zu Prozessmoderatoren und Netzwerkkoordinatoren, weniger zu Bereichsleitern in abgeschotteten Betriebshierarchien. Ihre Kernkompetenzen sind zum einen die Bestärkung und Befähigung aller Teilnehmer des Innovationsnetzwerks, zum anderen ein fundiertes Kunden- und Marktverständnis.
Wie sieht deine Arbeit als Forscher in zehn Jahren aus? Wie wird sich Fraunhofer verändern?
(Lacht). Ich freue mich auf die Unterstützung durch die digitalen Instrumente, die uns heute noch als Science Fiction erscheinen, vor allem auf den Wegfall repetitiver Tätigkeiten – das können Maschinen wirklich besser. Ich denke, dass sich die Grenzen zwischen den Disziplinen und Forschungsbereichen immer weiter auflösen wird und dass auch wir Wissenschaftler viel mehr Netzwerker, Befähiger und Inspiratoren in den Forschungsverbünden der Zukunft werden.
Leselinks:
- Fraunhofer‐Erlebniswelt vom 8. bis zum 12. Oktober 2018 Berlin (www.iao.fraunhofer.de/vk510.html)
- Impulspapier »Wandel verstehen, Zukunft gestalten – Impulse für die Zukunft der Innovation« (http://s.fhg.de/innovation2030)
- Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung (www.innovationsforschung.fraunhofer.de)
- Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung auf Twitter (@fraunhofer_inno)
Kategorien: Innovation
Tags: Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung, Innovationsmanagement
Hallo Herr Schimpf,
aus Sicht von Fraunhofer müssen Innovationen immer stärker auch produkthaft sein, d.h. ein Demonstrator oder ein Prototyp aus dem Hause Fraunhofer wird nicht mehr ausreichen. Unsere Kunden wollen funktionierende Lösungen, die sie sehr schnell produktiv einsetzen können. Außerdem ist der wachsende IT-Anteil oftmals nicht sichtbar oder so abstrakt, dass wir sinnvolle und ‚begreifbare‘ Exponate brauchen, mit denen wir den Nicht-Technikern die Lösung erklären, in Living Labs oder sogar in Kooperation mit Künstlern. Auch Fraunhofer als Organisation muss sich entsprechend weiter entwickeln.
Viele Grüße aus dem IOSB
Olaf Sauer
Lieber Herr Sauer,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich freue mich, dass wir mit den Hypothesen zu Innovation im Jahr 2030 auch innerhalb von Fraunhofer zur Diskussion beitragen können (im eigenen Haus hat man es bekanntermaßen oftmals am schwersten…).
Die von Ihnen beschriebene Anforderung an Fraunhofer lässt sich aus meiner Perspektive an verschiedenen Instituten beobachten. Ergänzen würde ich dies noch durch die steigende Notwendigkeit zum systemischen Denken jenseits einzelner Disziplinen. Hierdurch werden Kooperationen entlang des gesamten Innovationsprozesses ein elementarer Erfolgsfaktor (siehe auch Hypothese 1 des Impulspapiers).
Insbesondere die von Ihnen genannte Kooperation mit Künstlern finde ich unter dem Aspekt spannend, dass wir uns vielleicht wieder in Richtung einer Annäherung von Kunst und Forschung bewegen. Im Vergleich zu früher wahrscheinlich dann eher in einem kollaborativen 2.0 Ansatz im Team und nicht wie vor einigen Jahrhunderten üblich durch die Vereinigung beider Rollen in einer Person.
Auf jeden Fall freue ich mich auf die Fraunhofer-Erlebniswelt vom 8.-12. Oktober 2018 in Berlin. Dort wird auf jeden Fall das ein oder andere (be-)greifbare Exponat zu sehen sein.
Sven Schimpf