Die Versicherungsbranche bietet die idealen Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von Robotic Process Automation (RPA): einen Großteil ihrer Arbeitszeit verbringen die Mitarbeitenden mit der Bearbeitung meist recht klar definierter Prozesse in unterschiedlichen Software-Systemen, die sich prinzipiell sehr gut für die Automatisierung eignen. Gerade in so datenintensiven Branchen, in denen klar strukturierte und sich wiederholende Prozesse bearbeitet werden, birgt RPA ein enormes Potenzial und verspricht schnelle Erfolge.

Soweit die Theorie. Die praktische Erfahrung zeigt, dass erste Erfolge meist schnell anhand eines Pilot-Szenarios realisiert werden können, aber das ist erst die halbe Miete. Die Herausforderung liegt meist im Umgang mit einer großen Anzahl von Szenarien und in der Identifikation der Szenarien mit dem größten Erfolgspotenzial. Oft ist nicht von Anfang an klar, wie und in welchem Umfang die Ziele erreicht werden können und welchen Nutzen RPA in der konkreten Anwendung bringt.

Unsere Studie zum Einsatz von RPA in Versicherungsunternehmen, bei der wir mit zehn RPA-Expertinnen und -Experten Interviews geführt und ihre Erfahrungen in unserer Studie zusammengefasst haben, liefert Anhaltspunkte aus der Praxis:

Mögliche Anwendungsfälle reichen vom Schadenmanagement bis hin zum Backoffice

Seit einigen Jahren findet RPA auch in der Versicherungswirtschaft größere Verbreitung. RPA kann grundsätzlich in allen Prozessen eingesetzt werden, darunter Kernprozesse wie Schadenmanagement, Kundenservice, Vertragsmanagement und Vertrieb sowie unterstützende Prozesse in den Bereichen ERP, HR und allgemein im Backoffice. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt oft auf der Datenerfassung sowie der Datenübernahme aus Dokumenten.

Der Umfang von RPA-Szenarien ist dabei sehr unterschiedlich und reicht von einzelnen Schritten mit wenigen Aktionen bis hin zu komplexen Ende-zu-Ende-Prozessen.

Geeignete Szenarien können Sie anhand von RPA-Eignungskriterien erkennen

Auch wenn jedes Unternehmen seine eigenen Voraussetzungen mitbringt und die Eignung der einzelnen Prozesse für die Automatisierung im Detail untersuchen muss, helfen RPA-Eignungskriterien bei der ersten Abschätzung, welche Szenarien besonders für RPA passen. Dazu gehören Kriterien, die für alle Automatisierungsansätze gelten:

  • Stabilität
    Ändern sich die Prozesse regelmäßig, oder bleiben sie über längere Zeit stabil?
  • Häufigkeit
    Wie häufig wird der Prozess ausgeführt?
  • Prozessqualität
    Wie klar ist der Prozess strukturiert und dokumentiert?
  • Datenqualität
    Wie hoch ist die Qualität der im Prozess verwendeten Daten?
  • Regelbasiertheit
    Wie eindeutig lässt sich der Prozess durch Regeln beschreiben?

Diese Kriterien entscheiden maßgeblich über die Machbarkeit, den Grad der erreichbaren Verbesserungen und die Wirtschaftlichkeit der Automatisierungsvorhaben.

Verlieren Sie alternative Lösungsansätze nicht aus dem Blick!

Vor einer Automatisierung mit RPA sollte aber immer geprüft werden, ob die betreffenden Prozesse bereits ausgereift und auch für die Zukunft sinnvoll strukturiert sind. Unter Umständen kann eine Verbesserung der zugrundeliegenden Prozesse entweder die Automatisierung überflüssig machen oder das Gesamtpotenzial der Automatisierung deutlich steigern.

Deshalb ist es wichtig, immer im Blick zu behalten, dass RPA nur eine Lösungsmöglichkeit ist. Je nach Szenario kann die Umsetzung im Rahmen einer Anpassung der vorhandenen Unternehmenssoftware dauerhaft sinnvoller sein als eine Automatisierung mittels RPA. Wenn die IT-Ressourcen für eine zeitnahe Umsetzung in der Unternehmenssoftware vorhanden sind und die Umsetzung wirtschaftlich darstellbar ist, sollte der Einsatz von RPA zur Lösung kritisch hinterfragt werden.

Auch wenn eine grundlegende Modernisierung der IT-Systeme absehbar ist, die zu einer Änderung der Prozesse und Oberflächen führt, muss die Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit einer RPA-Lösung hinterfragt werden. Es gibt Fälle, in denen der Einsatz von RPA auch kurzfristig bis zur Systemanpassung Sinn ergibt – gerade auch, weil die Dauer bis zum erfolgreichen Abschluss der Systemmodernisierung teilweise lange sein kann. Bei anstehenden großen Änderungen ist aber eine sorgfältige Prüfung der geplanten RPA-Umsetzung sinnvoll.

Es gibt also keine Wegweiser, die von Anfang an klar aufzeigen, welche Prozesse sich besonders gut für RPA eignen. Die Erfahrungen der befragten Unternehmen zeigen aber, dass es mithilfe der oben genannten Kriterien möglich ist, viele geeignete Szenarien zu finden und dadurch die Nutzenpotenziale von RPA im gesamten Unternehmen zu erschließen.

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Tobias Krause

Seine Themen: Elektromobilität, Industrie 4.0 und Internet of Things - Technologien mit großem Potenzial bei gleichzeitig (noch) geringem Einsatz. Die Entwicklung von wirtschaftlichen und zielführenden Konzepten ist sein Zuhause.

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