Digitalisierungsprojekte sollen die Arbeit in Unternehmen effizienter machen. Eigentlich. Doch in der Realität führt jede Software-Einführung, jede Digitalisierung von Papierdokumenten und jede KI-Anwendung erst einmal zu einem Absinken der Effizienz. Dieser Effekt wird im Change Management durch das Akzeptanz-Modell von Kurt Lewin beschrieben und ist auch unter dem Namen »Tal der Tränen« bekannt: Auf eine Neuerung folgt zuerst Widerstand der Beteiligten, die ihre bewährten Arbeitsvorgänge in Gefahr sehen. Dann jedoch führt die Beschäftigung mit den bestehenden Problemen dazu, dass die Akzeptanz für die Veränderung zunimmt. Schließlich werden die neuen Arbeitsweisen mehr und mehr in der täglichen Arbeit angewendet, wodurch die betriebliche Effizienz steigt.
Der Widerstand gegen Neuerungen ist demnach menschlich. Doch gerade Digitalisierungsprojekte führen zu ganz objektiven Veränderungen der Arbeit, die den Aufenthalt im Tal der Tränen verlängern können:
- Aufgaben werden durch die digitale Vernetzung von Technologien und Unternehmensbereichen komplexer, die Wissensanforderungen an Mitarbeitendesteigen.
- Arbeitsvorgänge werden schwerer nachvollziehbar, weil digitale Datenflüsse und Systemzusammenhänge weniger transparent sind und von den Mitarbeitenden abstrakt nachvollzogen werden müssen.
- Die Digitalisierung von Arbeitsabläufen zieht meist Umstellungen der Geschäfts- und Arbeitsprozesse nach sich – damit ändern sich auch Rollen, Zuständigkeiten und Aufgaben der Beteiligten sowie ihre Kooperation inner- und außerhalb des Unternehmens.
Besonders bei Projekten, in denen Arbeitsabläufe digitalisiert werden, sollten Unternehmen deshalb
- bisherige und neue Arbeitsprozesse transparent machen,
- die veränderten Aufgaben und die neue Zusammenarbeit bewusst gestalten,
- die Mitarbeitenden in die Neugestaltung der Arbeitsabläufe mit einbeziehen
- und die Mitarbeitenden qualifizieren, besonders in Hinblick auf das Verständnis der digital gesteuerten Abläufe.
Digitalisierte Arbeitsprozesse spielerisch begreifen
Das »Lernprojekt Digitalisierung« des Fraunhofer IAO hilft, Mitarbeitende in die betriebliche Einführung digitaler Technologien einzubinden und die Akzeptanz für die neuen Arbeitsabläufe zu sichern. Das Methodenset nimmt die Beschäftigten in drei Schritten mit auf die Digitalisierungs-Reise:
- 1. Prozessmodelle: Die digitalisierten Arbeitsprozesse werden – unter fachlicher Anleitung des IAO – von den Teilnehmenden modelliert. Die Beteiligten erschließen sich dadurch das komplexe Zusammenwirken zwischen Mensch, Technik und Software, das die digitalisierten Arbeitsabläufe kennzeichnet. Falls gewünscht, entwickeln die Teilnehmenden alternative Szenarien für die neuen Arbeitsabläufe.
- 2. Rollenspiel: Aus den Prozessmodellen wird ein Rollenspiel abgeleitet, das zur Kommunikation des digitalisierten Arbeitssystems im Unternehmen eingesetzt wird. Im Rollenspiel übernehmen die Beteiligten die Rollen der neuen Hard- und Softwarekomponenten sowie die Rollen der Mitarbeitenden im Arbeitsablauf. Sie erleben dabei hautnah, wie genau die vernetzten Systeme untereinander und mit dem Menschen interagieren. So entsteht Systemverständnis durch persönliche Erfahrung!
- 3. Bewertung und Optimierung: Nach Durchführung des Rollenspiels bewerten die Teilnehmenden die neuen Arbeitsprozesse z.B. in Hinsicht auf Arbeitsqualität, Prozesseffizienz, Zusammenarbeit oder Fehlerquellen. Das Fraunhofer IAO steuert hier bei Bedarf die arbeitswissenschaftliche Bewertung der digitalisierten Arbeitsabläufe bei.
Sie wollen mehr über das »Lernprojekt Digitalisierung« erfahren? Dann sehen Sie sich die Präsentation zur Methodik an, kontaktieren Sie uns oder besuchen Sie die gemeinsame Abschlusstagung der Forschungsprojekte SeRoDi und AQUIAS am 25. September 2018 am Fraunhofer IAO in Stuttgart.
Leselinks:
- Methodik im »Lernprojekt Digitalisierung« (.pdf)
- Abschlusstagung der Forschungsprojekte SeRoDi und AQUIAS am 25. September 2018
- Verbundprojekt AQUIAS – Arbeitsqualität durch individuell angepasste Arbeitsteilung zwischen Servicerobotern und schwer-/nichtbehinderten Produktionsmitarbeitern (www.aquias.de)
- Servicerobotik zur Unterstützung bei personenbezogenen Dienstleistungen (www.serodi.de)
- Mensch und Roboter: Teamarbeit auf Augenhöhe (www.fraunhofer-innovisions.de)
Kategorien: Digitalisierung, Mensch-Technik-Interaktion, New Work / Connected Work
Tags: AQUIAS – Teilhabe durch Robotik, HCI, Inklusion, Mensch und Maschine, Wissenschaftsjahr 2018: Arbeitswelten der Zukunft