Die Automobilbranche befindet sich im Umbruch. Autonomes Fahren, Elektroanriebe, Vernetzung, Mikromobilität und künstliche Intelligenz bringen frischen Wind und reichlich Wirbel unter das Blech. Doch warum greifen wir im Zuge des ganzen Wandels nicht auch das Blech direkt an? Auch für Karosserien, wie wir sie heute kennen, sind völlig neue Formen und Materialien denkbar und teils schon in der Erprobung. Karosserien aus Textil, mit einem Reißverschluss zu öffnen, sind mehr als eine bloße Vision. Die BMW Group hat mit dem Konzeptfahrzeug GINA Light Vision bereits eine Studie hierzu präsentiert.
Textilkarosserien: Die neue Leichtigkeit der Zukunftsmobile
Der Verkehr der Zukunft wird von neuartigen Mobilitätsformen und Fahrzeugklassen bestimmt werden. Mikromobilitätsfahrzeuge zwischen Pedelec und Renault Twizy schaffen vielfältige neue Gestaltungsmöglichkeiten für den Individualverkehr von morgen. Leichtbau und Sparsamkeit werden bei diesen Fahrzeugen zu zentralen Produkteigenschaften, weil sie den Energieverbrauch und damit die Reichweite wesentlich bestimmen. Karosserien und vor allem Türkonzepte aus Textilien und neuartigen Stoffen können neue Lösungen für das »Gewichtsproblem« der smarten E-Mobile bieten. Wasser- und winddichte Hightech-Membranen haben hinsichtlich Spritzschutz und Wetterbeständigkeit kaum Nachteile im Vergleich zu herkömmlichen Materialien wie Stahl, Alu, Carbon und GFK. Auf Seiten des Designs, der Verarbeitung, der Kosten und nicht zuletzt des Kundenerlebnisses eröffnet sich allerdings eine gänzlich neue Welt. Noch wird diese schöne neue Fahrzeugwelt von der berechtigten Skepsis im Hinblick auf denkbare Unfälle begrenzt: Textilien verhalten sich bei einem Crash in Sachen Verwindungssteifigkeit, Passagierschutz und Crashstruktur völlig anders.
Brauchen intelligente Fahrzeuge noch »Schutzblech«?
Wenn wir die gegenwärtigen Mobilitätstrends noch weiter in die Zukunft denken, ändert sich das Sicherheits-Paradigma für den Karosseriebau grundlegend: In einer zukünftigen Mobilitätsvision, in welcher Fahrzeuge – ungeachtet ihrer Größe – voll vernetzt mit ihrer Umgebung kommunizieren, autonom fahren und durch künstliche Intelligenz gesteuert werden, wird es nicht mehr zu Unfällen kommen, wie wir sie heute kennen. Dank dieser intelligenten und lernfähigen Systeme werden Gefahrensituationen rechtzeitig erkannt, berechnet und der »Unsicherheitsfaktor Mensch« wird keine Verkehrsunfälle mehr verursachen. Durch die scheinbare Crashsicherheit kann auf steife Karosseriematerialien und die Knautschzone aus Blech verzichtet werden. Abgesehen vom reinen Blech- bzw. Stoffkleid ist jedoch klar, dass zukünftige Chassis und Fahrzeugstrukturen dennoch verwindungssteif sein müssen, um fahrdynamischen und physikalischen Ansprüchen zu genügen.
Durch den Reißverschluss ans Lenkrad
Stellen Sie sich vor, sie öffnen Ihr Auto der Zukunft mit einem Reißverschluss, rollen die Türe zur Seite und betreten ein wohnliches Zelt, ein Auto als Lebensraum, welches sie nach der Arbeit nach Hause bringt, ohne dass sie sich selbst dem Stress des Verkehrs aussetzen müssen. An dieser Vision, bzw. an einem ersten Schritt dahin und im Bereich Mikromobilität forschen wir derzeit am Fraunhofer IAO. Unter dem Stichwort agile Fahrzeuggestaltung werden dort zukünftige Technologien im Bereich des Fahrzeugs von morgen untersucht.
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- Studie: Mikromobilität – Nutzerbedarfe und Marktpotenziale im Personenverkehr
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Kategorien: Future Mobility, Innovation, Stadtentwicklung
Tags: Agile Fahrzeuggestaltung, E-Mobility, Elektromobilität, Mikromobilität