Wer heute eine moderne Produktionsstätte betritt, findet oftmals zwei verschiedene Welten unter einem Dach: Produziert wird mit vollautomatisierten Industrierobotern, die völlig losgelöst von manuellen Eingriffen funktionieren – doch das Shopfloor-Management, das interne »Steuerungswerkzeug« zur Organisation in der Fabrik, wirkt mit ausgedruckten Datenblättern und Post-its wie ein Relikt aus dem vordigitalen Zeitalter. Der Kontrast ist einer fehlenden digitalen Transformation des Shopfloor Managements geschuldet. Doch wie kann eine Transformation hin zum digitalen Shopfloor Management gelingen?

Was ist Shopfloor Management?

Shopfloor Management ist ein Führungskonzept, welches zur Steuerung der Produktion genutzt wird. Es setzt sich aus verschiedenen Bereichen zusammen, die zusammen eine umfassende Methodik zur Koordination im Produktionsbereich ermöglichen. Beim Shopfloor Management werden alle Mitarbeitenden, von Gruppensprechern in der Serienfertigung bis hin zu Produktionsleiter*innen einbezogen. Ziel ist eine strukturierte Informationsweitergabe und -darstellung, die es ermöglicht, alle Aspekte der Produktionsorganisation effektiv aufeinander abzustimmen sowie Verzögerungen zu kompensieren. Zur Informationsweitergabe dienen Shopfloor-Runden, in denen steuerungsrelevante Inhalte besprochen werden wie u.a. Abweichungen und Probleme, die dazu getroffenen Maßnahmen sowie die erreichte Stückzahl und Qualität. Die relevanten Informationen und Kennzahlen werden auf sogenannten Shopfloor-Tafeln visualisiert. Entscheidend ist jedoch, auch im Sinne der Urheber aus Japan, der regelmäßige persönliche Austausch der Produktionsmitarbeitenden untereinander sowie mit dem Führungspersonal, was eine hohe Identifikation mit den Arbeitsergebnissen fördert und fordert.

Abbildung 1: Themenbereiche und Anwendungsprinzipien des Shopfloor Managements. (© Fraunhofer IAO)


Abbildung 1: Themenbereiche und Anwendungsprinzipien des Shopfloor Managements. (© Fraunhofer IAO)

Herausforderungen des digital unterstützen Shopfloor Managements

Moderne Produktionsbetriebe arbeiten heute mit vernetzten Produktionsstraßen, in denen die Materialversorgung sowie die gesamte Produktionssteuerung digital abgebildet ist. Begleitet man jedoch eine Shopfloor-Runde ist es keine Seltenheit, dass Führungskräfte und Mitarbeitende zwar vorab die notwendigen Daten aus dem System abfragen, diese jedoch anschließend handschriftlich notieren oder ausdrucken und mit Zetteln durch die Hallen laufen. Auch die Dokumentation nach dem Meeting verläuft meist analog und ist entsprechend zeitaufwändig. Die Shopfloor-Meetings werden deshalb von vielen Mitarbeitenden als zusätzlicher Aufwand empfunden. Viele Unternehmen stehen daher vor zwei grundlegenden Herausforderungen:

  • Vielzahl von Datensilos, die einer stringenten Datendurchgängigkeit entgegenstehen
  • Gefahr der Entfremdung der Mitarbeitenden von Kennzahlen

Die Transformation des Shopfloor Managements bietet viele Vorteile

Digitale Technologien können nicht nur diese Herausforderungen meistern, sondern auch das Shopfloor Management an die digitalen Fertigungsprozesse angleichen: eine flexiblere Steuerung der Produktion ermöglicht es auf Veränderungen resilient zu reagieren und damit wettbewerbsfähig zu bleiben. Außerdem können aufwändige Abläufe schlanker gestaltet werden, sodass die Beteiligten sich stärker auf die wesentlichen Bestandteile des Shopfloor Managements, wie der persönlichen Interaktion zur Mitarbeiterführung oder der Problemlösung konzentrieren können.

Eine sinnvolle digitale Unterstützung des Shopfloor Managements kann als smartes Shopfloor Management bezeichnet werden. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, welche die Mitarbeitenden gezielt dort digital unterstützen, wo traditionell viel Aufwand notwendig ist, um Informationen zusammenzutragen. Gleichzeitig dürfen die Maßnahmen den persönlichen Austausch nicht konterkarieren. Die dadurch entstehenden Freiräume der qualifizierten Mitarbeitenden können somit für wertschöpfende Aufgaben genutzt werden. In der Kaskade des Shopfloor Managements zielt dies auf die Gruppensprecher*innen ab, die zahlenmäßig die größte Einheit darstellen. Hier liefern digital unterstützende Lösungen die größten Auswirkungen und einen im ganzen Unternehmen spürbaren Mehrwert.

Transformation erfolgreich gestalten

Die Digitalisierung des Shopfloor Managements erweist sich als komplexe Aufgabe, die ein tiefgreifendes Verständnis über die Unternehmensziele, Erwartungen der Mitarbeitenden und der gelebten Praxis in den Unternehmen voraussetzt. Aus Mitarbeitendenperspektive muss eine notwendige Akzeptanz für neue Prozesse und Softwareanwendungen hergestellt sowie die Verantwortlichkeit für Kennzahlen beibehalten werden. Denn nur wer sich für eine Kennzahl persönlich verantwortlich fühlt, setzt sich für die Einhaltung der Grenzwerte ein. Das Credo lautet: Die digitale Unterstützung des Shopfloor Managements darf die Präsenz vor Ort nicht ersetzen. Der persönliche Austausch und das Feedback der Mitarbeitenden muss an die produktionsrelevanten Kennzahlen gekoppelt sein und ein harmonisches Gesamtbild ergeben. Nur so können Vorgesetzte die richtigen Entscheidungen treffen.

Egal, wo mit der Digitalisierung des Shopfloor Managements begonnen wird, dürfen nach einem altbekannten Sprichwort nicht nur technische Faktoren berücksichtigt werden:
»When it comes to digital transformation, digital is not the answer. Transformation is.«

Die digitale Transformation im Kontext des Shopfloor Managements bedeutet nicht die Einführung von Software zur Lösung spezifischer Probleme, sondern eine Anpassung eines sozio-technischen Systems, in dem die sozialen Aspekte gleichbedeutend berücksichtigt sind. Was dabei zu beachten ist und wie dies gelingen kann, werden meine Kolleg*innen in zwei folgenden Blogbeiträgen beschreiben.

Wenn Sie mehr über die Transformation des Shopfloor Managements in Ihrem Betrieb erfahren wollen, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

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René Hellmuth

René Hellmuth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IAO. Außerdem promoviert er an der an der GSaME (Graduate School of Excellence advanced Manufacturing Engineering) der Universität Stuttgart. Sein Forschungsbereich umfasst Fabrikplanung und digitale Fabrikgebäudemodelle.

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Kategorien: Digitalisierung
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