Was hat Eure Weihnachtsferien geprägt? Meine waren bestimmt von jeder Menge Meldungen über die Feuer in Australien, Diskussionen zur Klimadebatte und als Konsequenz die möglichen drastischen Einschnitte für unsere Wirtschaft (VW nur noch E-Autos, CO2-Abgabe, etc.). Wieder scheint Umwelt- und Klimaschutz gegen Wirtschaftlichkeit zu stehen. Doch diese Debatten greifen zu kurz: Wir müssen diesen Widerspruch lösen, wenn wir unsere Wirtschaft nachhaltig verändern wollen – und wir haben die Mittel dazu.
Nachhaltigkeit mit Businessmodell: Der Standort Rheinfelden
Viele Forschungsprojekte aus Co2-intensiven Industrien, z.B. Zementherstellung oder Rohmaterialerzeugung, versuchen durch neue Technologien ihren nachhaltigen Impact drastisch zu mildern. In Diskussionen mit Kunden, Partnern oder privaten Netzwerken zeigt sich jedoch immer wieder, dass Nachhaltigkeit nur dann eine Rolle spielt, wenn der Kunde es fordert oder die Maßnahmen wirtschaftlich darstellbar sind. Leider ist nachhaltiges Handeln wirtschaftlich betrachtet meist teurer und die Motivation entsprechend gering. Ein Beispiel ist die nachhaltige Mobilität. »Die Bahn macht mobil«, so verspricht uns ein Slogan, dank Ökostrom. Wenn aber die Reisezeit und die Reisekosten der Bahnfahrt das doppelte des Fluges, plus Dienstwagen für die gleiche Strecke ausmachen, macht das wirtschaftlich handelnde Menschen fast automatisch zu Klimasündern – mich eingeschlossen. Dieser Widerspruch ist aber kein Schicksal, sondern ein Gestaltungsraum für die Zukunft.
Unser Vorteil in Deutschland ist die verbreitete Agglomeration von Unternehmen in Gewerbe- und Industriegebieten. In dieser Struktur kann eine langfristig gestaltete Kooperation aller Akteure, unterstützt mit digitalen Werkzeugen, einen Durchbruch für mehr Nachhaltigkeit bringen, weil sie statt vieler Einzelmaßnahmen einen systemischen Neuansatz zulässt, wie unser Projekt »Ultraeffizienfabrik« zeigt. Ein Forscherteam der Fraunhofer-Institute IAO, IGB und IPA konnte rund 40 Maßnahmen zur verbesserten Zusammenarbeit identifizieren und teilweise sogar mit einem Businessmodell hinterlegen – für den ausgewählten Pilotstandort Rheinfelden ein riesiger Gewinn. Lässt sich diese Methode auf andere Standorte übertragen?
Werkzeuge fehlen, um sinnvolle Maßnahmen zu identifizieren
Effektive Maßnahmen für die systematische Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz sind immer ein standortspezifischer Prozess, der von einer unabhängigen Einrichtung moderiert werden muss, beispielsweise von städtischen Wirtschaftsförderungen. Unternehmen lassen sich erfahrungsgemäß dann auf einen nachhaltigen Kooperations- und Veränderungsprozess ein, wenn die Vorteile, sprich die Potenziale und notwendigen Investments, absehbar sind. Hier setzt unser Forschungsprojekt an: Die Methode aus dem Projekt »Ultraeffizienzfabrik« wird im neu startenden Projekt »Ultraeffizienz« für Industriegebiete die Forschungsansätze in methodisches Vorgehen und ein Unterstützungswerkzeug weiterentwickelt. Für Stakeholder von Industriegebieten wird es so leichter, aus dem Maßnahmenbündel passende standortspezifische Konzepte auszuwählen und die Potenziale für die teilnehmenden Unternehmen sichtbar zu machen. Im Bürger- und Unternehmensdialog können Zukunftskonzepte von Standorten gemeinsam entwickelt und in die Umsetzung geführt werden.
Dieser Prozess macht aus Betroffenen Beteiligte, was in meiner Erfahrung eine Bedingung für den Erfolg eines solchen Projekts ist. Je mehr die Akteure am Standort eine gemeinsame Zielorientierung haben, umso leichter kann der Kraftakt der nachhaltigen Transformation bewältigt werden. Wenn Unternehmen, wie in unserem Projekt Rheinfelden, diese Transformationsprozesse aktiv unterstützen, werden die Maßnahmen schneller mit großem Hebel diskutiert und wirkungsvolle Lösungen gefunden. Tolle Ideen waren die Betriebskantine für betriebsfremde zu öffnen und sogar einen Ansatz für die Einbindung von Lieferdiensten für weiter entfernte Unternehmen zu realisieren. Die bestehende Infrastruktur wird dadurch besser ausgelastet. Somit kann auch eine größere Auswahl angeboten werden. Für die Menschen in kleineren Unternehmen werden gesunde und leckere Mittagsmahlzeiten damit attraktiv. Durch die Auslieferung mit Elektrofahrzeugen kann zudem die Gesamtökobilanz gestärkt werden – ein doppelter Gewinn für die Region und die Menschen.
Ein Modellprojekt macht Schule – wenn Sie mitmachen
Wie aus der Kurzstudie, als Ergebnis des Projekts »Ultraeffizienzfabrik« hervorgeht, gibt es viele Möglichkeiten für die nachhaltige Transformation von Industrie- und Gewerbegebieten. Jedoch kann das Modellprojekt Rheinfelden nicht einfach übertragen werden. Um einen breit einsetzbaren Werkzeugkasten für verschiedene Standorte zu entwickeln, müssen viele unterschiedliche Standortbedingungen betrachtet werden. Dazu suchen wir den Austausch mit Unternehmen jeder Größe und allen Standorten mit Gewerbe- und Industrieansiedlung. Diskutieren Sie mit, und bringen Sie Ihre Anforderungen und Perspektiven ein.
Leselinks:
- Forschungsprojekts »Ultraeffizienzfabrik – Symbiotisch – verlustfreie Produktion im urbanen Umfeld« (www.ultraeffizienzfabrik.de)
- Holiport: Konzeptstudie – Holistische Standortentwicklung von produzierenden Unternehmen unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen mit dem Umfeld
Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung
Tags: Industrie 4.0, Produktionsmanagement