Feinfühlige Technik – Blogreihe des Teams »Applied Neurocognitive Systems«
Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz nimmt die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine eine Schlüsselrolle ein. Neuroadaptive Technologien versprechen große Potenziale sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis. Im NeuroLab des Fraunhofer IAO arbeiten die Wissenschaftler*innen an der Schnittstelle zwischen kognitiver Neurowissenschaft, positiver Psychologie und künstlicher Intelligenz. Unser Ziel ist es, die zunehmende Intelligenz und den steigenden Grad an Autonomie technischer Systeme konsequent auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Menschen auszurichten.

Ob neue IT-Prozesse im Unternehmen, innovative Entwicklungen im Berufsfeld oder veränderte Arbeitsbedingungen während einer Pandemie: Lebenslanges Lernen prägt unser Arbeitsleben. Eine stetige Weiterbildung sowie die Fähigkeit und Motivation Neues zu lernen, ist – nicht nur für die Mitarbeitenden, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen – unabdingbar! Wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden dabei fördern, motivieren und unterstützen? Welche Lernumgebungen und -formate helfen dabei, den Lernprozess bedarfsgerecht zu unterstützen?

Sowohl in der angewandten Forschung als auch im Arbeitsleben interessiert uns, wie Arbeits- und Lernumgebungen, -formate oder sogar komplexe Assistenzsysteme oder intelligente Tutorsysteme gestaltet sein müssen, damit sie den Lernprozess und somit auch den Lernerfolg und Spaß fördern können. Dieses Wissen kann in Unternehmen in der Arbeitsplatzgestaltung, im Homeoffice oder in der Entwicklung von Trainings- und Weiterbildungsprogrammen eingesetzt werden. Für den Lernerfolg und die Motivation des Lernenden ist es von großer Bedeutung, dass die Lernformate, Aufgabenschwierigkeit sowie Lern- und Trainingsgeschwindigkeit an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der jeweiligen Person adaptiv angepasst sind.

Konsequent weiter gedacht muss das Lernsystem also selbst lernen, wie eine Person beim Lernen »tickt«. Eine Zukunftsvision für Lernumgebungen ist folglich die Integration von Brain-Computer Interfaces – also einer Schnittstelle, die eine Kommunikation zwischen dem menschlichen Gehirn und einem System, beispielsweise einem intelligenten Tutorsystem, erlaubt. Klingt nach Science Fiction? Dass dies möglich ist, zeigt der folgende Einblick in die Neuroarbeitswissenschaft.

Zustandserkennung und -Monitoring während des Lernens – Wie funktioniert das?

Brain-Computer Interfaces (BCI) erlauben die Erkennung affektiver und kognitiver Zustände und können diese an ein (neuro-)adaptives System – z.B. eine Lernumgebung oder ein intelligentes Tutorsystem – als Feedback übermitteln. BCI können vielseitig eingesetzt werden, wobei sie besonders im Lernkontext großes Potenzial aufweisen. Mittels neurophysiologischen Messmethoden, beispielsweise einer Elektroenzephalographie oder funktionalen Nahinfrarotspektroskopie, können kontinuierlich Signale des Gehirns während des Lernens gemessen werden. Diese neurophysiologischen Signale geben Hinweise auf die mentale Beanspruchung, Aufmerksamkeit oder auch Emotionen während des Trainings- und Lernprozesses. Mit Hilfe von Methoden des Maschinellen Lernens können wir diese Information aus den Signalen extrahieren und interpretieren – z.B. ob eine Person gerade überfordert ist oder ob sie durch Lernerfolge motiviert wird. In letzterem Falle ist im Gehirn ein eigenes Belohnungssystem aktiv.

Auf Basis der aus den Gehirnsignalen erkannten Zustände und Prozesse des Lernenden können adaptive Lernumgebungen oder intelligente Tutoren Anpassungen und Optimierungen der Lehrstrategie und somit der präsentierten Lerninhalte vornehmen. Brain-Computer Interfaces ermöglichen somit zukünftige Lernumgebungen, die fähigkeits- und bedürfnisorientiert an den Lernenden angepasst sind.

Gestalten und Anpassen von Lernumgebungen – BCI in Kombination mit Virtual Reality

Besonderes Potenzial für adaptive Lernumgebungen und -assistenten birgt die Kombination von Brain-Computer Interfaces mit immersiven Technologien wie Virtual Reality (VR). VR ermöglicht vor allem eine realitätsnahe Darstellung von Trainingsumgebungen und -objekten, wie z.B. Maschinen und Anlagen für Trainingseinheiten in der Produktion oder einem virtuellen Torso bei chirurgischen Operationsübungen.

Der Lernende kann im virtuellen Raum direkt mit der Umgebung und relevanten Objekten auf hoch realistische und sichere Weise interagieren sowie Fehler und ihre Konsequenzen plastisch erleben. Dies erlaubt große räumliche und zeitliche Flexibilität sowie Kosteneinsparungen. Mit Hilfe des BCI können die Trainings- und Lernerfahrungen u.a. auch in gamifizierten Ansätzen individuell an den Lernenden angepasst werden.

Um Unternehmen BCI-gestützte VR-Hardware für reale Anwendungen anbieten zu können, arbeiten wir augenblicklich in einem Forschungsprojekt an der Integration von Neuro-Sensoren in VR-Headsets und Echtzeitzustandserkennung mit leicht anwendbarer, unaufdringlicher Hardware.

Diese Prototypen können in Unternehmen in verschiedenen Anwendungen – beispielsweise bei Trainingsprozessen oder bei Arbeitsaufgaben, die eine hohe Aufmerksamkeit und Konzentration bedürfen – validiert werden. Interessierte Unternehmen sind herzlich eingeladen, mich dazu zu kontaktieren!

Unser Ziel ist es, die Freude beim Lernen und bei der Arbeit zu fördern und den Lernenden je nach seinen oder ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten optimal zu unterstützen.

Abbildung 1: Illustratives Beispiel einer (neuro-)adaptiven Lernumgebung, welche kontinuierlich die affektiven und kognitiven Zustände des Lernenden evaluiert, um auf dessen Basis Anpassungen und Optimierungen der präsentierten Lerninhalte zu ermöglichen. (© Fraunhofer IAO)


Abbildung 1: Illustratives Beispiel einer (neuro-)adaptiven Lernumgebung, welche kontinuierlich die affektiven und kognitiven Zustände des Lernenden evaluiert, um auf dessen Basis Anpassungen und Optimierungen der präsentierten Lerninhalte zu ermöglichen. (© Fraunhofer IAO)

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Katharina Lingelbach

Neurowissenschaftlerin und Doktorandin im Team »Applied Neurocognitive Systems«. Besonders interessiert sie sich für die Interaktion von emotionalen und kognitiven Prozessen sowie das Monitoring von solchen Nutzerzuständen bei der Interaktion mit Technik mittels multimodaler Sensorik und ML. Neben Neuronen und Statistik begeistert sie Ballett, Gesang, Reisen und hohe Berge!

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Kategorien: New Work / Connected Work
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