Zukunft strategisch gestalten – Blogreihe zum Fraunhofer IAO-Foresight
Seit den 1950er Jahren inspiriert Science Fiction nicht nur Ingenieurinnen und Designer, sondern zunehmend auch die strategische Vorausschau. Ihr Mehrwert liegt in der Fähigkeit, vorstellbare Zukünfte jenseits linearer Trends zu skizzieren. Genau dies haben wir in einer vergleichenden Studie untersucht: Wie unterscheiden sich die Ergebnisse eines Science-Fiction-inspirierten Foresight-Workshops von klassischen Zukunftsstudien?

Die Grenzen datenbasierter Foresight-Ansätze

Seit Jahren lässt sich ein kontinuierlicher und beeindruckender Trend beobachten: Immer mehr Daten sind verfügbar und damit einhergehend steigen auch die Möglichkeiten und die Geschwindigkeit der Auswertung. Dieser Trend zeichnet sich auch in Foresight-Prozessen ab: Kaum ein Unternehmen nutzt nicht die Möglichkeiten strukturierter und datenbasierter Prozesse, um Prognosen für die Zukunft zu erstellen. Und genau hierdurch entsteht der so genannte Future Bias, in dem gegenwärtige und vergangene Entwicklungen durch die verfügbaren Daten in die Zukunft übertragen werden. Im Falle von Entwicklungen, in denen sich Vergangenes wiederholt oder in die Zukunft fortschreibt, kann das ein Vorteil sein – gleichzeitig entwickeln rein datengestützte Zukunftsszenarien implizite »Scheuklappen«: Neue Entwicklungen werden in dieser Art der Zukunftsstudien eher ausgeblendet.

Zwischen Vorstellungskraft und Evidenz

Genau hier kommt die Arbeit von Science-Fiction-Schaffenden ins Spiel: Deren Imagination ermöglicht es, in Filmen oder Büchern die Grenzbereiche zum Fiktionalen als Ergänzung datenbasierter Foresight-Ansätze in die Zukunftsplanung einfließen zu lassen. Wie eine daran orientierte Produktentwicklung aussehen kann, zeigt sich an Beispielen wie dem vom Commuincator aus der Science Fiction-Serie inspirierten StarTAC Klapptelefon von Motorola oder der wiederlandenden Rakete, die bereits 1950 im Science Fiction Film Rocket Ship X-M gezeigt wird.

Abbildung 1: Replika des Communicators zum Einsatz zur Kommunikation zwischen Raumschiffen und Außeneinsätzen in den Jahren 2265-69 aus der Science Fiction-Serie StarTREK (jeweils links) im Vergleich mit dem 1996 gelaunchten StarTAC Klapptelefon von Motorola (jeweils rechts).

Abbildung 1: Replika des Communicators zum Einsatz zur Kommunikation zwischen Raumschiffen und Außeneinsätzen in den Jahren 2265-69 aus der Science Fiction-Serie StarTREK (jeweils links) im Vergleich mit dem 1996 gelaunchten StarTAC Klapptelefon von Motorola (jeweils rechts).

Wie aber unterscheiden sich Ergebnisse eines Science Fiction-basierten Foresight tatsächlich von datenbasierten Foresight-Ansätzen? Das wurde in einem Vergleich der Foresight-Aktivitäten zur Zukunft der Innovation im Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung untersucht. Auf der einen Seite stand der datenbasierte Ansatz dazu, wie Innovationsaktivitäten im Jahr 2030 stattfinden werden, auf der anderen ein Workshop, in dem die Teilnehmenden Innovationen in Science Fiction-Geschichten oder -Filmen beschreiben durften.

Systematische Nutzung von Science Fiction im Foresight

In vielen Unternehmen wird oder wurde mit Science Fiction im Foresight experimentiert, der strukturierte und durchgängige Einsatz ist jedoch noch eine Seltenheit. Science Fiction-basierte Methoden können als Katalysator dienen, um (un)vorstellbare Aspekte in die Zukunftsforschung ebenso wie in spätere Phasen eines Innovationsprozesses einzubringen. Zur Orientierung des Möglichkeitsraums dient die folgende Übersicht, die durch eine Suche nach Science Fiction-basierten Vorgehensweisen in der Literatur und deren Einordnung im Innovationsprozess entwickelt wurde.

Abbildung 2: Einordnung von Science Fiction-basierten Vorgehensweisen in den Hauptphasen des (frühen) Innovationsprozesses (Quelle: Schimpf, 2025).

Abbildung 2: Einordnung von Science Fiction-basierten Vorgehensweisen in den Hauptphasen des (frühen) Innovationsprozesses (Quelle: Schimpf, 2025).

Natürlich bleibt die Frage offen, welchen Mehrwert die mit Hilfe von Science Fiction entwickelten Zukünfte bringen. Aber gerade weil datengetriebene Ansätze häufig von der Vergangenheit gebremst werden, kann die Ergänzung durch Science Fiction-basierte Vorgehensweisen helfen, kognitive Grenzen zu verschieben – und so Innovation nicht nur vorherzusehen, sondern neu zu denken.

Fazit: Fiktion als Instrument der Zukunftsforschung

Science Fiction ist kein Selbstzweck und keine Spielerei, sondern ein ernstzunehmendes Werkzeug der Zukunftsforschung. Sie fordert uns heraus, bekannte Denkmuster zu verlassen – und eröffnet Perspektiven, die strategische Foresight-Methoden mit neuen Impulsen bereichern.

Zukunft strategisch gestalten - Blogreihe zum Fraunhofer IAO-Foresight
Unternehmen quer durch alle Branchen stehen unter hohem Transformationsdruck. Der Fraunhofer IAO-Foresight befähigt Ihr Unternehmen, auf diese Veränderungsdynamiken nicht nur zu reagieren, sondern den Wandel vorausschauend zu gestalten und spezifische Lösungen für Ihre Herausforderungen von morgen zu entwickeln. Die Blogreihe beleuchtet unsere breite Technologie-Expertise sowie innovative Foresight-Methoden.

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Sven Schimpf

Interdisziplinärer Forscher und Vordenker im Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung. Bloggt rund um das Thema strategisches Innovations-, Technologie- und F&E Management. Warum? Weil spannende Ideen und technologische Möglichkeiten, die Mehrwert generieren, diskutiert und verbreitet werden müssen!

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Kategorien: Digitale Transformation, Zukunftstechnologien
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