Einer solchen Einstellung entgegenzuwirken war das Ziel des 4. Stuttgarter Runden Tischs »Forschung im Bevölkerungsschutz«. Rund 20 Bevölkerungsschützer diskutierten in Workshops und Vorträgen verschiedene Aspekte zum Thema »Planen – Üben – Auswerten«.
»Neueste Forschung« von 1978
Patrick Drews vom Fraunhofer IAO stellte in seiner Keynote zunächst fest, dass die aktuellen Standards getrost als veraltet bezeichnet werden dürfen. Bedeutende Standardwerke basieren auf Quellen, die seit Jahrzehnten nicht weiter entwickelt worden sind. Die »Golden Hour of Trauma« basiert beispielsweise auf einer Studie von 1978 (Lerner, E.B. and Moscati, R.M. (2001), »The Golden Hour. Scientific Fact or Medical „Urban Legend“?«, Academic Emergency Medicine, Vol. 8 No. 7, pp. 758–760.). Dennoch ist sie immer noch das Nonplusultra in der Notfallmedizin. An einem Neuansatz im Katastrophenschutz führt auf lange Sicht kein Weg vorbei, wenn hohe Qualität der Einsätze auch in Zukunft gewährleistet werden soll.
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess: Planen – Üben – Auswerten
Qualität darf nicht als unveränderbar akzeptiert werden, sondern muss konstant weiterentwickelt werden. Zur Überprüfung und Verbesserung der Qualität im Bevölkerungsschutz kann der Kontinuierliche Verbesserungsprozess, auch bekannt als Deming-Kreis, herangezogen werden:
- Plan: Was muss getan werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen? In die Planung fließen auch Erfahrungen, vorhandene Leistungsdaten und Übungsergebnisse ein.
- Do: Wie können die geplanten Verbesserungsmaßnahmen für Menschen, Prozesse und Infrastruktur in einer kontrollierten Umgebung getestet werden?
- Check: Wie kann das Gelernte überprüft und dokumentiert werden, um festzustellen, ob die geplanten Ziele mit den Ergebnissen übereinstimmen?
- Act: Wie kann das Gelernte in die Praxis übertragen werden? Der Kreislauf schließt sich mit der Übertragung des Gelernten in die Praxis. Neue Standards können definiert und im Idealfall gelebt werden.
Ein Praxisbeispiel zum Aspekt Planung zeigt, wie angewandtes Qualitätsmanagement auch Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit liefern kann.
Die Einsatzleitung kommuniziert das Lagebild, nicht Facebook
Hardy Häusler, Gastdozent vom DRK-Generalsekretariat, setzte sich im zweiten Vortrag mit den Aspekten Planung und Durchführung am Beispiel der »Taktischen Reserve« des G7-Gipfels in Elmau auseinander. Der Einsatzabschnitt setze sich aus circa 240 Ehrenamtlichen vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK), dem Malteser Hilfsdienst, und der Johanniter Unfallhilfe zusammen, die im Bedarfsfall abrufbar und schnell vor Ort gewesen wären.
Foto © Friederike Schneider
Da die Taktische Reserve im Rahmen des Einsatzes nicht abgerufen wurde, war die zentrale Herausforderung, die Einsatzkräfte bei Laune zu halten. Da sie im Bedarfsfall sofort abrufbereit sein mussten, galt es zu vermeiden, dass die Aufmerksamkeit der Einsatzkräfte nachlässt. Zudem sollten unnötige Stressfaktoren ausgeschlossen werden, die im Falle eines Einsatzes im schlimmsten Fall zu Fehlentscheidungen führen können. Im bayerischen Geretsried herrschte jedoch weder Langeweile noch Stress – und zu keinem Zeitpunkt schlechte Stimmung. Dazu beigetragen haben zwei Faktoren: Viele Helfer kannten sich bereits dank anderer Großeinsätze wie der WM 2006 und die Führung hat aktiv gegen die Langeweile gearbeitet, indem beispielsweise Fahrertrainings und andere Aktivitäten angeboten wurden.
Viele Helfer verbringen gerne ihre freie Zeit mit sozialen Medien und posten dabei gelegentlich ihre Eindrücke. Um der Gefahr durch Falschmeldungen oder manipulierte Bilder entgegenzuwirken, gab die Einsatzleitung deshalb die Anweisung, keine Infos auf Facebook und Co. zu posten und der Einsatzleitung die Deutungshoheit zu überlassen.
Wie ein Aspekt des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses durch Vollübungen des Massenanfalls von Verletzten (MANV) mit gezielter Nachbereitung in die Praxis getragen werden kann, wurde ebenfalls diskutiert und wird im nächsten Blogbeitrag zum runden Tisch beschrieben. So konnte die Veranstaltung hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, dass der Satz »Das haben wir schon immer so gemacht – Basta!« im Bevölkerungsschutz in der Region bald der Vergangenheit angehört.
Leselinks:
- Vollübungen des Massenanfalls von Verletzten (MANV):
www.manv-uebungen.iao.fraunhofer.de - Teil 2: Forschung im Bevölkerungsschutz: Objektive Übungsauswertung, und zwar sofort! blog.iao.fraunhofer.de
Kategorien: Stadtentwicklung
Tags: Bevölkerungsschutz, Katastrophenschutz, Krisenmanagement
Die private Krisenvorsorge könnte eine ideale Ergänzung für die staatlichen Maßnahmen sein.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat eine äußerst hilfreiche Lektüre zu dem Thema veröffentlicht. Die Broschüre kann kostenfrei bestellt und z.B. im eigenen Unternehmen, ausgelegt werden:
http://www.bbk.bund.de/DE/Service/Publikationen/Broschuerenfaltblaetter/Ratgeber_node.html