Die Fähigkeit zu schnellen Veränderungen wird für Unternehmen immer mehr zu einer Frage des Überlebens – und doch scheitern viele Veränderungsprozesse an der fehlenden Einbindung der Mitarbeitenden. Viele Change-Projekte überzeugen in der Management-Präsentation, aber überleben den Realitätstest durch die Mitarbeitenden nicht. Sie erzeugen Ängste, wo sie motivieren sollten, oder schaffen Widerstände, wo sie zur Mitwirkung anregen sollten. Eine wertebasierte Strategie, die die grundlegenden Werte der Mitarbeitenden in Veränderungsprozesse einbettet und so Identifikation und Bindung fördert, kann helfen, Transformationsszenarien mitarbeitendengerecht und damit erfolgreich zu gestalten.

Die Rolle von Werten in Veränderungsprozessen

Arbeitswerte sind tief verankerte Überzeugungen, die als Leitprinzipien für berufliches Handeln und Entscheidungen dienen. In Zeiten des Wandels fungieren sie als Kompass, der den Kurs vorgibt und Orientierung bietet. Für Unternehmen ist es daher essenziell, die Wertvorstellungen ihrer Mitarbeitenden zu kennen und in den Transformationsprozess einzubeziehen. Die Anpassung an neue Bedingungen kann dann gelingen, wenn die Veränderung im Einklang mit den Wertvorstellungen der Belegschaft steht. Arbeitswerte wie Autonomie, Abwechslung und Vergnügen, die in der aktuellen Arbeitswelt besonders geschätzt werden, bieten die Grundlage, um den Wandel so zu gestalten, dass er von den Mitarbeitenden mitgetragen wird. So repräsentiert der Arbeitswert Autonomie die Bedeutung von eigenständigen und selbstbestimmten Arbeiten und Handeln. Die Integration von Beschäftigten in Transformationsprozesse bietet hier die Möglichkeit, Erwartungen und Ziele von Beschäftigten entsprechend zu adressieren, und zur Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit beizutragen.

Werte als Treiber für Mitarbeitermotivation und -bindung

Arbeitswerte beeinflussen die Motivation und Bindung von Mitarbeitenden erheblich. Studien zeigen, dass Mitarbeitende, deren Werte im Einklang mit den Unternehmenszielen stehen, stärker motiviert sind, ein höheres Wohlbefinden und eine stärkere Bindung zur Organisation aufweisen. Besonders in Zeiten des Wandels kann die Übereinstimmung von Unternehmens- und Mitarbeitendenwerten dazu beitragen, die Bindung an das Unternehmen zu stärken. Dies reduziert die Gefahr von Widerständen und erhöht die Bereitschaft, den Wandel aktiv mitzugestalten.

Welche Werte passen zu meinem Unternehmen?

Um herauszufinden, welche Werte für die Mitarbeitenden besonders wichtig sind, ist eine gezielte Analyse unerlässlich. Unternehmen können mithilfe von Befragungen und Workshops ein detailliertes Bild der Wertvorstellungen ihrer Belegschaft erhalten. Eine Referenz bildet dafür das Online-Dashboard des Fraunhofer IAO (siehe Abbildung 1 und Leselinks), das es ermöglicht, Arbeitswerte nach verschiedenen demografischen Gruppen und Branchen zu analysieren. Der Vergleich unternehmensspezifischer Arbeitswerte zu den Vergleichsdaten bietet Unternehmen wertvolle Hinweise darauf, welche Werte in der eigenen Organisation besonders stark vertreten sind und welche möglicherweise im Transformationsprozess gestärkt werden sollten.

Abbildung 1: Online-Dashboard des Fraunhofer IAO zur Visualisierung der repräsentativen Daten und Verteilungen der Arbeitswerte zwischen unterschiedlichen demografischen Gruppen und Branchen.

Abbildung 1: Online-Dashboard des Fraunhofer IAO zur Visualisierung der repräsentativen Daten und Verteilungen der Arbeitswerte zwischen unterschiedlichen demografischen Gruppen und Branchen.

Welche Arbeitswerte wissenschaftlich fundiert abgeleitet und erfasst werden können, ist in Tabelle 1 dargestellt. Die einzelnen Werte sind nach ihrer Wichtigkeit in der Gesamtstichprobe der befragten deutschen Beschäftigten geordnet.

Arbeitswert Definition
1. Vergnügen Freude an der Arbeit, Vereinbarkeit von Arbeit und eigenen Freizeitinteressen
2. Autonomie Unabhängiges Denken und Entscheiden, Schaffen und Erforschen bei der Arbeit; die Freiheit zu wählen, wie man seine Arbeit ausführt
3. Abwechslung Abwechslung, Neuartigkeit und Herausforderungen in Arbeitssituationen und -kontexten
4. Regeln Respektieren Befolgung und Anpassung der Erwartungen und Normen des Managements, Verzicht auf persönliche Neigungen zur Wahrung der organisatorischen Ordnung
5. Soziale Gerechtigkeit Fairness, Respekt, Schutz vor Diskriminierung für alle Mitglieder der Arbeitsorganisation; sozial verantwortliche Politik
6. Helfen und Unterstützen Sich den Bedürfnissen der Menschen widmen, mit denen man in häufigem Arbeitskontakt steht, und harmonische und unterstützende Arbeitsbeziehungen schaffen
7. Sicherheit Sicherheit, Stabilität, Gesundheit, Vermeidung von Risiken im Arbeits- und Organisationsumfeld
8. Ehrgeiz Persönlicher Erfolg bei der Arbeit, definiert durch die Anerkennung der eigenen Fähigkeiten und Ergebnisse im Unternehmen
9. Traditionelle Werte Respekt, Akzeptanz und Verbreitung von organisatorischen und gesellschaftlichen Traditionen, Kultur und Bräuchen
10. Ökologische Nachhaltigkeit Schutz der Natur, nachhaltiges Handeln bei der Arbeit verfolgen, ökologisches Wohlergehen der Umwelt sichern
11. Autorität Sozialer Status und Prestige am Arbeitsplatz, ausgedrückt durch Führungsrollen und Einfluss

Tabelle 1: Arbeitswerte und zugehörige Definitionen geordnet nach ihrer Wichtigkeit unter den befragten Personen

Erfolgreiche Integration von Werten in den Unternehmenswandel

Die Integration von Werten in den Unternehmenswandel ist ein zentraler Erfolgsfaktor für eine nachhaltige Transformation. Unternehmen können durch gezielte Maßnahmen sicherstellen, dass die Werte der Mitarbeitenden nicht nur berücksichtigt, sondern aktiv in den Wandel einbezogen werden. Dies kann durch transparente Kommunikation, die Schaffung von Dialogplattformen und die Einbindung der Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse geschehen. Beispielsweise können Veranstaltungsformate wie Open Space oder World Café dazu beitragen, einen Raum für Dialog und Perspektivenvielfalt bieten. Die praktische Umsetzung dieser Maßnahmen kann nicht nur die Akzeptanz des Wandels fördern, sondern auch das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Unternehmensführung und das psychologische Empowerment als maßgeblicher Treiber für New Work stärken.

Umgang mit konfligierenden Wertvorstellungen

In jedem Unternehmen gibt es unterschiedliche Wertvorstellungen, die im Zuge von Veränderungen aufeinandertreffen und im Konflikt stehen können. Diese Konflikte zu erkennen und konstruktiv zu bearbeiten, ist eine zentrale Aufgabe der Führungskräfte. Dabei geht es darum, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen und Wertvorstellungen zu schaffen und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ein wertschätzender Umgang mit den unterschiedlichen Perspektiven der Mitarbeitenden kann dazu beitragen, dass Konflikte nicht eskalieren, sondern als Chance für Innovation und Weiterentwicklung genutzt werden.

Wertebasierte Führung: Erfolgsfaktoren und Best Practices

Ein identitätsstiftendes Führungsverhalten, das im Einklang mit den persönlichen Werten der Mitarbeitenden steht, ist entscheidend für den Erfolg des Wandels. Führungskräfte sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und die Werte, die sie von ihren Mitarbeitenden erwarten, selbst vorleben. Dies schafft nicht nur Vertrauen, sondern auch ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, das in Zeiten des Wandels von unschätzbarem Wert ist. Best Practices aus dem Unternehmensalltag zeigen, dass Unternehmen, die eine werteorientierte Führungskultur pflegen, erfolgreicher im Umgang mit Veränderungen sind.

Psychisches Wohlbefinden und Werte im Unternehmen

Werte haben nicht nur einen Einfluss auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden, sondern auch auf deren psychisches Wohlbefinden. Studien stützen die Annahme, dass eine starke Werteorientierung im Unternehmen dazu beitragen kann, psychische Belastungen zu minimieren und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu fördern. Unternehmen sollten daher nicht nur auf die Effizienz ihrer Prozesse achten, sondern auch darauf, dass die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden durch eine wertebasierte Führung gestärkt wird.

Langfristige Effekte einer werteorientierten Unternehmenskultur

Die Implementierung einer werteorientierten Unternehmenskultur bietet zahlreiche langfristige Vorteile. Unternehmen, die ihre Entscheidungen und Handlungen konsequent an den Werten und Perspektiven ihrer Mitarbeitenden ausrichten, können von einer höheren Mitarbeitendenzufriedenheit, einer stärkeren Bindung und einer größeren Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt profitieren. Zudem sind sie tendenziell besser in der Lage, auf zukünftige Herausforderungen zu reagieren und den Wandel proaktiv zu gestalten. Ein wissenschaftlich fundierter Transformationsprozess, wie ihn das vom Fraunhofer IAO entwickelte Tool ermöglicht, kann hier durch eine höhere Perspektivvielfalt zu effektiveren Veränderungen beitragen.

Fazit

Arbeitswerte sind in Zeiten des Wandels ein unverzichtbarer Kompass für Unternehmen. Sie bieten Orientierung und schaffen die Grundlage für eine erfolgreiche Transformation. Führungskräfte, die die Werte ihrer Mitarbeitenden kennen und in den Veränderungsprozess einbinden, können sicherstellen, dass der Wandel nachhaltig und im Einklang mit den Bedürfnissen der Belegschaft gestaltet wird. Eine werteorientierte Unternehmenskultur trägt nicht nur zur Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden bei, sondern stärkt auch die Position des Unternehmens in einem sich stetig verändernden Marktumfeld.

Leselinks:

Jannick Schneider

M. Sc. Arbeits- und Organisationspsychologie. Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Unternehmenskultur und Transformation. Promoviert an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema Arbeitswerte und organisationaler Identifikation.

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