Feinfühlige Technik - Blogreihe des Teams »Applied Neurocognitive Systems«
Hektik, Verantwortung, Konzentration – rund um die Uhr: Wer in sicherheitskritischen Verkehrs- und Kontrollsystemen arbeitet, trägt eine enorme kognitive Last. Menschen, die Busse und Straßenbahnen steuern, den Flugverkehr überwachen oder in Leitwarten Systeme kontrollieren – sie alle steuern Systeme, auf die ganze Städte vertrauen. Fehler dürfen nicht passieren, und doch sind sie menschlich. Umso bemerkenswerter ist es, dass viele dieser Berufsgruppen an der Grenze ihrer mentalen Leistungsfähigkeit arbeiten.

Im Jahr 2024 fehlte in Berlin Fahrpersonal im Bus und in der Straßenbahn 2,5-mal häufiger als der Durchschnitt aller Berufsgruppen (AOK, 2024). Auch Fluglotsinnen und Fluglotsen berichten von steigender kognitiver Beanspruchung – nicht ohne Grund können sie früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden.

Wenn das Gehirn zum Dauer-Arbeitsplatz wird

In Fahrerkabinen, Leitstellen und Verkehrssteuerungen wächst die kognitive Komplexität: Mitarbeitende müssen fortlaufend Informationen aufnehmen, interpretieren, priorisieren, mit KI-Systemen zusammenarbeiten und Entscheidungen treffen – oft unter hohem Zeitdruck und mit unmittelbaren Sicherheitsfolgen. Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik verlangt höchste Aufmerksamkeit, ständige Vigilanz und präzise Reaktionsfähigkeit. Doch das Gehirn ist kein endlos belastbarer Prozessor. Informationsflut, Multitasking, Monotonie und Unterbrechungen führen zu kognitiver Ermüdung – einer unsichtbaren, aber entscheidenden Gefährdung für Sicherheit und Leistung.

Kognitive Ergonomie: Der Schlüssel zur mentalen Resilienz

Hier setzt die kognitive Ergonomie an. Sie betrachtet nicht nur physische Bedingungen wie Licht oder Sitzhaltung, sondern die mentalen Anforderungen der Arbeit selbst. Ziel ist es, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie die mentale Leistungsfähigkeit unterstützen, statt erschöpfen. Das beginnt mit einer systematischen Erhebung kognitiver Belastungsfaktoren – etwa Informationsdichte, Daueraufmerksamkeit oder Entscheidungsdruck – und mündet in präventive Maßnahmen, die Resilienz und Sicherheit zugleich stärken.

Objektive Messung mentaler Belastung: Neurotechnologie in der Praxis

Dank moderner Neuro- und Sensortechnologien können mentale Belastungen heute objektiv gemessen werden – nicht mehr nur über Fragebögen, sondern (in Echtzeit) über physiologische Signale.

Konzentrationslevel – Eye-Tracking:
Eye-Tracking misst Augenbewegungen, um Aufschluss über visuelle Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und mentale Zustände zu gewinnen. Erfasst werden dabei Fixationen (Blickruhen), Sakkaden (Blicksprünge) und Blickverläufe. So lassen sich Muster von abnehmender Aufmerksamkeit, Überforderung oder Ermüdung sichtbar machen – genau in den Momenten, in denen Konzentration sicherheitsentscheidend ist:

Können Sie sagen, wie stark die Konzentrationsfähigkeit Ihrer Mitarbeitenden nach zwei Stunden intensiver Tätigkeit sinkt? Mittels Eye-Tracking ist das möglich.

Stresslevel – Wearables:
Wearables ermöglichen es, physiologische Reaktionen des Körpers zu erfassen und daraus Rückschlüsse auf die mentale Belastung zu ziehen. Dazu nutzt man insbesondere die Herzrate, also die Anzahl der Herzschläge pro Minute, die bei steigender Anspannung oder hoher Aktivierung zunimmt, sowie die Herzratenvariabilität (HRV), also die zeitliche Schwankung zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Eine niedrige HRV gilt dabei als Zeichen erhöhter Belastung und eingeschränkter Regenerationsfähigkeit. Ergänzend wird auch die Schweißbildung erfasst – sie misst die elektrische Leitfähigkeit der Haut, die sich mit zunehmender kognitiver Erregung verändert. Durch die kombinierte Auswertung dieser Daten lassen sich Belastungsspitzen und kritische Momente präzise identifizieren:

Wissen Sie, wie stark das Stressniveau der Mitarbeitenden steigt, wenn Sie im Betrieb die Taktung um 20 Prozent erhöhen? Mittels Wearables ist das möglich.

Datenschutzkonform und praxistauglich

Ein häufiger Einwand gegen Sensordaten: Datenschutz. Wir haben am Fraunhofer IAOMesskonzepte entwickelt, die lokal aufgenommene und verarbeitete Daten nutzen – ohne Cloudanbindung oder Übermittlung sensibler Gesundheitsdaten. Unsere Verfahren sind rechtlich abgesegnet und DSGVO-konform, sodass Sie wertvolle Erkenntnisse gewinnen, ohne rechtliche Risiken einzugehen. Das ist unser technologischer USP – entwickelt aus der Praxis für die Praxis.

Was bleibt – und was Sie tun können

Berufe in sicherheitskritischen Verkehrs- und Kontrollsystemen erfordern mentale Höchstleistung. Die kognitive Ergonomie liefert das methodische Fundament, um diese Belastungen sichtbar, messbar und gestaltbar zu machen. Mit Verfahren wie Eye-Tracking und Wearables lassen sich wichtige Kennwerte erfassen – eine Basis für fundierte Entscheidungen zu Arbeitsgestaltung, Rotationszyklen und Assistenzsystemen.

Unsere Empfehlung: Lassen Sie uns ihre Arbeitstätigkeiten hinsichtlich der kognitiven Ergonomie analysieren und besser verstehen, wo es Veränderungspotenziale gibt. So investieren Sie heute in die Sicherheit und Gesundheit Ihrer Organisation – bevor der nächste Ausfall oder Fehler passiert. Melden Sie sich gerne unter für ein unverbindliches Kennenlernen.

Feinfühlige Technik - Blogreihe des Teams »Applied Neurocognitive Systems«
Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz nimmt die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine eine Schlüsselrolle ein. Neuroadaptive Technologien versprechen große Potenziale sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis. Im NeuroLab des Fraunhofer IAO arbeiten die Wissenschaftler*innen an der Schnittstelle zwischen kognitiver Neurowissenschaft, positiver Psychologie und künstlicher Intelligenz. Unser Ziel ist es, die zunehmende Intelligenz und den steigenden Grad an Autonomie technischer Systeme konsequent auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Menschen auszurichten.

Leselinks:

Nektaria Tagalidou

Psychologin im Team »Applied Neurocognitive Systems«. In ihrer Arbeit befasst sie sich mit neuroadaptiven Technologien zur Förderung von Gesundheit, Wohlbefinden und positiver UX. Für sie ist die Neurowissenschaft eine Chance unsere Arbeit und unseren Alltag angenehmer zu gestalten – ganz nach dem Motto: less stress!

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Kategorien: Zukunftstechnologien
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