Ein Sommerloch ist die hitzeschwirrende Periode zwischen Juli und Mitte September, in der die Zeit bleiern und langsam wird, der Strom an Nachrichten versiegt, alle Urlaubenden freiwillig auf den Informationstrubel verzichten und alle daheim geblieben notgedrungen darauf verzichten müssen, weil keiner mehr da ist, der sie mit wirklich Neuem versorgt.
Inzwischen hat sich für die sommerliche Leere ein eigenes journalistisches Genre heraus gebildet, das uns mit der hohen Schule der Darstellung über die reizarme Realität der Ferienzeit hinweg hilft. Es macht aus der einstigen Informationsödnis eine sprudelnde Quelle an irrelevanten Nachrichten, die durch nichts als reine Darstellung so sehr aufgeblasen werden, dass sie am Ende doch gegen alle Widerstände beim Zielpublikum landen. Nachrichten aus Verzweiflung, Nachrichten als Placebo, eine Art Ersatzdroge der Informationsgesellschaft.
Im seriösen Wissenschaftsbetrieb gibt es sie nicht. Ehrlich. Eigentlich schade. Auch Wissenschaftler machen Urlaub, auch hier gähnt ein Beitragsloch auf den Webseiten und auch hier heischen die daheim Gebliebenen nach den letzten Tropfen Information in der ausgedörrten Nachrichtenwüste.
Aus schierer Not heraus haben wir uns also zu einer Serie wider das Sommerloch und besseres Wissen durchgerungen. Der Inhalt der ersten Sommerlochgeschichten ist zugegeben keineswegs brisant, nicht frei von tierischen Bestandteilen und von einem Niveau, das wir uns ausserhalb des Sommerlochs niemals gestatten würden – aber Sie werden uns verstehen.
Wissenschaftliche Schicksalsgeschichten rühren uns ans Herz, weil sie dem Alltag das Besondere abgewinnen, weil ihr Schicksal jeder von uns teilen könnte und weil es in ihr noch ein einfaches Gut und Böse gibt, das unserer sonst so komplexen und ausdifferenzierten Wissenschaftswelt verloren zu gehen droht – wie hier:
Wissenschaftler entlaufen: Frau und Hund harren seit fünf Tagen an Autobahnraststätte aus
Ulm (Baden-Württemberg) – Es sollte eigentlich nur ein kurzer Halt auf dem Rastplatz werden: auf Toilette gehen, Fahrertausch und Hund raus lassen. Heidi und Frank N. (Namen von der Redaktion geändert) befanden sich auf der Heimfahrt aus ihrem Bildungsurlaub. Doch dann passierte es: Mischlingsrüde Flecki – treuer Begleiter und tierischer Alleinunterhalter des Paars – schlief ein. Sein Herrchen, der Wissenschaftler Frank N., verließ darauf hin wortlos Fahrzeug, Rastplatz, Hund und Lebensgefährtin. »Wir haben unser Auto seitdem nicht mehr bewegt«, sagte Heidi N. »Wir können doch ein Mitglied der Familie nicht im Wald zurücklassen. Wir haben schon alles Mögliche versucht.« Noch besteht Hoffnung, dass Familie N. wieder glücklich zusammengeführt werden kann. Frank N. soll mehrfach an einer nahe gelegenen Tankstelle gesehen worden sein – mit einem Ladekabel und einem Tablet-Computer.
Die besten Geschichten schreibt das Wissenschaftler-Leben selbst – außer in der Urlaubszeit, weshalb die Redaktion manchmal mit den Werkzeugen des Boulevards nachhelfen muss. Widmen wir uns den Alltagsdramen des Wissenschaftslebens:
Zufall oder Verbrechen? IAO-Aschenbecher spurlos verschwunden
Stuttgart, (iaopa): Fassungslos waren die Wissenschaftler des Turm vier, als sie vergangenen Monat ihre Frühstückszigarette ordnungsgemäß entsorgen wollten: Der Aschenbecher, sozialer Ort und Leitmedium der internen Institutskommunikation, war spurlos vom Eingang des Turm vier verschwunden. An seinem ursprünglichen Standort klaffte satt dessen ein bis zu vier Meter breites Loch. Das Areal vor dem Eingang wurde inzwischen weiträumig abgesperrt. Das Motiv für diese Tat bleibt unklar. Auch vom Täter fehlt bislang jede Spur.
Dass solche Dramen des Alltags eine Weltkarriere machen können, beweist der legendäre Münsteraner Blumenkübel, der einst sogar die internationalen Twitterschlagzeilen beherrschte.
Die legalste Form der Gerüchteküche sind die Wechselgerüchte. Sie sind Teil des riesigen Fußballgeschäfts, Preistreiber, Gehaltserhöher, Schlagzeilenvehikel oder einfach textgewordene Eitelkeit. Wechselgerüchte sind außerdem prinzipiell nie falsch. Es existieren nur mehrere Parallelwahrheiten, solange die Transferperiode nicht abgeschlossen ist. Unsere Sommerwahrheit, die wir aus zuverlässiger Quelle, bzw. »den Kreisen« erfahren haben wollen:
Mario Götze schließt Wechsel ans IAO nicht mehr ausdrücklich aus
Stuttgart / München (eigener Bericht). Real ist nicht Stuttgart und Pep Guardiola nur Ehrendoktor, vermutlich für katalanischen Separatismus. Kein Wunder, dass die Gerüchteküche über einen unmittelbar bevor stehenden Wechsel von Mario Götze, des WM-Torschützen mit ausgezeichnetem Abitur, brodelt. Auf die Frage eines Reporters, ob sich Götze einen Wechsel an eine seiner früheren Wirkungsstätten vorstellen könne, entgegnete der gebürtige Schwabe und Professorensohn kurz und knapp: »Wir werden es sehen«. Ein Bekenntnis zum FC Bayern sieht anders aus. Ein Schelm, wer da nicht an die wissenschaftliche Championsleague im südwestdeutschen Raum denkt. Dass ein Rucksack mit Götzes Gehaltsabrechnung im Stuttgarter Stadtpark gefunden wird, kann als ausgeschlossen gelten. Das IAO ist erstens nicht der HSV und zweitens in der Digitalisierung weiter als die meisten Fußballvereine.
Es fiel uns lesbar schwer, für das Sommerloch den Pfad der Kommunikationstugend zu verlassen. Wir werden es nicht wieder tun und kehren erleichtert zurück zur reinen Lehre des seriösen Bloggens über ernste Themen. Es sei denn, das Sommerloch hält länger an. Dann droht uns ein Rückfall in die Inhaltslosigkeit, die doch in Wahrheit keiner von uns lesen möchte. Für den Fall der Fälle ein kurzer Blick in unseren Themenspeicher:
- Statistiken, die sonst keiner liest: Zehn Tipps, wie mit Photoshop aus einer schnöden
Zahlenkolonne eine bizarre Wissenschaftsbourlesque wird. - Sommer-Flirt-Tipps für Wissenschaftler – mit Projektskizze und Szenario-Management-Tools.
- Institutsleaks: Die wissenschaftliche Enthüllungsgeschichte. Mehr verraten wir jetzt nicht.
Kategorien: New Work / Connected Work
Tags: IAO-Blog, Social Media, Wissenschaftskommunikation
Best. IAO-Blogpost. Ever. !