Die Digitalisierung, wie wir sie heute erleben, leitet einen epochalen Wandel unserer wirtschaftlichen Systeme ein. Jenseits aller Unsicherheit und Zukunftsfragen bieten die transformativen Entwicklungen auch viele Chancen – aber nur für diejenigen, die sich dem Wandel proaktiv stellen und selbst vorangehen wollen.
Viele digitale Entwicklungen werden in den kommenden Jahren ihren wirtschaftlichen Durchbruch erleben: automatisierte Fahrzeuge sind bereits Realität auf unseren Straßen, das vollautonome Fahren nur eine Frage der Zeit, immer neue 3D-Druck-Systeme ergänzen unsere Produktion oder ersetzen Teilaspekte schon heute. Künstliche Intelligenz hat sich in wenigen Jahrzehnten von der Science-Fiction-Fantasie in unseren beruflichen Alltag vorgearbeitet. Erhebliche Produktivitätszuwächse werden von lernenden Systemen erwartet. In vielen Branchen und Bereichen der Wirtschaft schlummern erhebliche Rationalisierungspotenziale – unsere Arbeitswelt wird sich im Zuge der vierten Industriellen Revolution drastisch verändern. Doch die Disruption, die uns bevorsteht, ist nicht nur eine technologische, sondern vor allem auch eine strukturelle und substanzielle Systemveränderung für unsere Wirtschaft und Gesellschaft: Sozio-ökonomische Veränderungen gehen Hand in Hand mit technologischen.
Zukunftsperspektiven in einer disruptiven Wirtschaft
Disruptive Veränderungen entstehen, wenn existierende Strukturen nicht mehr fähig sind, neue Entwicklungen zu verarbeiten. Die ehemalige deutsche Vorzeigebranche des tradierten Versandhandels beispielsweise wurde zum Opfer der neuen digitalen Herausforderer: Quelle und Neckermann sind heute weitgehend Geschichte, Amazon und Google entwickeln sich zu Mega-Plattformen, die eine Branche nach der anderen digital erschließen. Die systemverändernde Kraft des Internets wurde in diesen Branchen viel zu spät erkannt, gewachsene Geschäftsstrukturen erwiesen sich als nicht mehr wandelbar und die Planungsstäbe und Innovationsabteilungen fanden keine Antworten auf den umfassenden Wandlungsdruck. Noch beauftragt Amazon hierzulande die Deutsche Post mit der Lieferung seiner Pakete. Doch seit November bringt in Berlin bereits der unternehmenseigene Lieferdienst »Amazon Flex« die Päckchen und Pakete nach dem Uber-Prinzip zu den Kunden.
Die systemischen Herausforderungen durch die digitalen Megatrends sind in vielen weiteren Branchen durchaus vergleichbar:
- Hyperkonnektivität und Internet-of-Everything: Digitale Trends wie Cloud Computing, Internet of Things, Blockchain und andere schaffen eine immer mehr vernetzte Arbeits- und Lebenswelt, die keinen Markt, keine Branche, kein Produkt oder Unternehmen mehr isoliert lässt. Unser Wirtschaftssystem wird im Zuge von Industrie 4.0 oder Smart Cities zu einem gigantischen Datenraum, der auch über unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
- Robotik und Automatisierung: Die neuen digitalen Möglichkeiten der Automatisierung erobern immer mehr Domänen, die bisher den typisch menschlichen Fähigkeiten vorbehalten waren: Beratung, Entscheidungsfindung bis hin zur weitgehend autonomen maschinellen Steuerung von Produktionsprozessen im Rahmen der Industrie 4.0.
- Digitale Geschäftsmodelle: Startups entwickeln eine wachsende Zahl alternierender digitaler Geschäftsmodelle oder erobern mit kundennahen digitalen Services die zukünftigen Kundensegmente der Millennials. Die Möglichkeit, Produkte und Services ohne bestehende Infrastrukturen »digital neu zu denken«, schafft ihnen in manchen Bereichen sogar einen Startvorteil.
- Veränderungsgeschwindigkeit: Die Vielfalt neuer Technologien verkürzt nicht nur die Innovations- und Entwicklungszyklen, sie zwingt Unternehmen immer mehr in einen permanenten und komplexen Innovations- und Veränderungsmodus.
Und dennoch gibt es viele gute Gründe für ein optimistisches Zukunftsszenario:
Wandel durch Handeln: Disruption als Gestaltungsraum
Selbst Weltkonzerne sind heute nicht mehr in der Lage, die aktuellen und kommenden Herausforderungen unseres digitalen Zeitalters alleine zu meistern, geschweige denn kleine und mittlere Unternehmen. Doch gerade eine mittelstandsgeprägte Volkswirtschaft wie die deutsche ist von ihrem Wesen her kooperativ, kollaborativ und vernetzt – sei es über gemeinsame Innovationsprozesse, integrierte Wertschöpfungsketten oder Initiativen und Cluster in Branchen und Regionen.
Diese Substanz und Vernetzung ist ein vielversprechendes Fundament für die digitalen Ökosysteme als Gestaltungsräume zukünftigen Wirtschaftens. Die Netzwerkökonomie macht aus der Verschiedenheit der Teilnehmer wie Startups, Mittelständlern, Großunternehmen über Branchengrenzen hinweg eine Tugend:
In kooperativen Räumen wie vernetzten Wertschöpfungssystemen, Co-Entwicklung mit Hochschule und Forschung, Startup Accelerators oder offenen Innovationslaboren können etablierte und neue Unternehmen bewährtes Expertenwissen und digitalen Pioniergeist für gemeinsame digitale Neuerungen verbinden. Kulturelle und technologische Unterschiede werden in Ökosystemen zu gemeinsamen Ressourcen, mit denen nicht nur eigene Schwächen ausgeglichen, sondern der Digitalisierungsdruck kompensiert und sogar in Veränderungschancen verwandelt werden kann.
Auch diese Art der forcierten Zusammenarbeit für Innovationen, neue Märkte und Herangehensweisen erfordert kulturelles Lernen und Verändern, um die verschiedenen Perspektiven, Arbeitsweisen und Interessen erfolgreich zu verbinden. An diesem Punkt stehen wir – und die Chancen der deutschen Wirtschaft stehen gut, sich im Verbund mit bewährten Tugenden und neuen Technologien und Methoden eine Führungsrolle auch in der disruptiven Phase der Digitalisierung zu erobern.
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Kategorien: Innovation, Künstliche Intelligenz, New Work / Connected Work
Tags: Digitalisierung, Disruption, KI - Künstliche Intelligenz