Gastbeitrag

Habt ihr auch Projekte, die einen besonderen Stellenwert für euch einnehmen? An die ihr gerne zurückdenkt und die ihr mit Interesse weiterverfolgt auch nach vielen Jahren, trotz Jobwechseln und neuen Prioritäten?

Für mich ist dieser Blog ein solches Projekt, aus vielen Gründen: Der IAO-Blog entstand 2009 im Rahmen einer neuen Online-Strategie für das Institut, das erstmals Social Media nicht nur gleichberechtigt, sondern als Herzstück mitdachte. Damit waren wir damals Pionier*innen der Wissenschaftskommunikation im deutschsprachigen Raum. Diese Faszination auf neuem Terrain zu arbeiten entpuppte sich als wichtige Triebfeder für meinen weiteren Werdegang, auch nach meiner Zeit am Fraunhofer IAO. Aber zum ersten Mal durfte ich so eine Herausforderung mit der Einführung des IAO-Blogs angehen. Dank der Unterstützung der Institutsleitung – die für neue Ideen offen war – und vor allem dank eines großartigen Teams und exzellenter Berater*innen und Expert*innen innerhalb und außerhalb der Organisation mauserte sich der IAO-Blog zu einem großen Erfolg, ausgezeichnet mit dem Fraunhofer Kommunikationspreis und mit Signalwirkung für andere Institute und Wissenschaftsorganisationen.

10 Jahre IAO-Blog

Dass der Blog auch 10 Jahre später noch wächst und gedeiht ist vermutlich der größte Erfolg und Anlass zum Feiern, aber auch Anlass zur Selbstreflektion. Denn die Welt ist 2019 eine andere und leider nicht nur im positiven Sinne: Die Wissenschaft hat in vieler Hinsicht ihren Stellenwert im gesellschaftlichen Diskurs verloren. Wissenschaftliche Fakten sind keine harte Währung mehr, Wissenschaftsjournalismus und das Streben nach objektiver, faktenbasierter Berichterstattung werden in ihrer Glaubwürdigkeit untergraben, insbesondere auf Social Media-Kanälen. Die Beziehung zwischen Gesellschaft und Wissenschaft ist im besten Fall belastet, im schlimmsten Fall in einer handfesten Krise. Gleichzeitig sehen wir anhand der Klimakrise und Greta Thurnbergs inzwischen globaler Fridays-For-Future-Bewegung neue Allianzen aus Klimaforscher*innen und engagierten jungen Menschen, die sich gemeinsam für ein zentrales Thema stark machen und damit immer mehr Menschen mobilisieren.

Ich selbst arbeite mittlerweile für Wikimedia und die globale, ebenfalls zivilgesellschaftliche Bewegung für Freies Wissen, die mit Wikipedia auch ein prominentes Aushängeschild hat. Wir begreifen uns als Teil eines »Ökosystems« für Freies Wissen, indem auch klassische Wissenschafts- und Forschungsorganisationen einen zentralen Stellenwert einnehmen. Insbesondere im Bereich offener Daten – zum Beispiel rund um Wikipedias jüngstes Schwesterprojekt Wikidata – sehen wir enorme Gestaltungsspielräume und großes Interesse aus Wissenschaft und Forschung. Offene Daten sind die Zukunft freien Wissens, sie ermöglichen uns einen noch besseren und schnelleren Zugang selbst zu komplexen Fragen und Zusammenhängen. Wissen, das nicht nur durch lange Texte und ein paar Fotos, sondern interaktive Echtzeit-Visualisierungen dargestellt werden kann. Einen kleinen Vorgeschmack bietet bereits heute die Seite Histropedia, die mithilfe von Wikipedia und Wikidata historische Zeitleisten visualisiert.

In diesem Sinne sind zeitgemäße Instrumente der Wissenschaftskommunikation wie der IAO-Blog auch 2019 noch relevant oder sogar relevanter denn je: um Transparenz in den Wissenschaftsbetrieb zu bringen und für Vertrauen in der Gesellschaft zu werben. Um der Wissenschaft ein Gesicht zu geben und über Vorbilder junge Menschen zu inspirieren mit Forschung die Welt zum Positiven zu verändern. Und um Freies Wissen zu fördern, da Bildung der beste Weg zu Wohlstand und Frieden in einer Gesellschaft ist. Als Inspiration wie all das 2019 aussehen kann, empfehle ich als Best Practice die Videos von Steminist Mai Thi Nguyen-Kim.

In diesem Sinne: Weiter so IAO-Blog und Mut unterschiedlichen Formaten, mehr Bewegtbild und vielleicht neuen Geschwistern in Form von offenen Daten, Hackathonreihen und Citizen Science!

Leselinks:

Claudia Garad

Claudia Garád leitete bis 2012 den Bereich Marketing und Kommunikation am Fraunhofer IAO bevor sie als Geschäftsführerin den gemeinnützigen Verein Wikimedia Österreich mit Sitz in Wien aufbaute und zu einer der zentralen netzpolitischen Organisationen Österreichs formte. Seit 2018 gestaltet sie als Mitglied der Arbeitsgruppe »Roles&Responsibilities« die Zukunft der globalen Wikimedia-Bewegung mit. Claudia Garád setzt sich dafür ein, dass Freies Wissen Teil unseres Alltags wird und kollaboratives Lernen mit frei nutzbaren Inhalten in Klassenräumen und Hörsälen selbstverständlich wird. Darüber hinaus wirkt sie in den Advisory Boards des Open Data Portals Österreich und der Open Knowledge Maps und ist Mitorganisatorin der Netzpolitischen Abende in Wien (#NetzPAT).

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Kategorien: New Work / Connected Work
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