Die vierte industrielle Revolution macht sich auf den Weg. Im Herbst 2012 starteten drei nationale Leitprojekte als erste Beiträge zum Zukunftsprojekt Industrie 4.0 der Bundesregierung. »KapaflexCy « – eines der drei Forschungsvorhaben – verfolgt das Ziel eines hochflexiblen Kapazitätseinsatzes in 4.0-Unternehmen.
Arbeit und Industrie 4.0: Intelligenz von Mensch und Maschine nutzen
In einer 4.0-Produktion passen sich Produkte, Maschinen und Anlagen dynamisch an Veränderungen an. Die intelligente Vernetzung von mechatronischen Objekten und Steuerungen mit dem Internet macht’s möglich: eine Produktion, die sich weitgehend selbst organisiert, steuert und ihre Prozesse dabei auch noch optimiert. Aufträge reservieren Kapazitäten, Materialien steuern ihren Transport und ihre Bearbeitung, Anlagen organisieren ihre Wartung. Für den reibungslosen Ablauf sorgen Sensoren, Aktoren, eingebettete Steuerungen und binäre Speicherkapazitäten. Die Komponenten einer 4.0-Produktion verfügen quasi über Augen, Ohren, Gedächtnis und sogar Steuerungsintelligenz. Allerdings erkennen ihre Augen nur Barcodes und Muster, ihre Ohren verstehen lediglich vordefinierte Befehle und auch auf absehbare Zeit werden ihnen keine Beine, Arme oder Hände wachsen. Menschen dagegen verfügen über die Fingerfertigkeiten zum Kommissionieren und Montieren. Vor allem verfügen sie über eine kreative Intelligenz zur kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse.
Daher sind auch in einer zukünftigen Produktion 4.0 Menschen unverzichtbar. Allerdings werden sich ihre Arbeit und ihre Arbeitszeiten ebenfalls der neuen Dynamik anpassen.
Arbeitssteuerung in Echtzeit
Die gängigste Form des flexiblen Mitarbeitereinsatzes bilden flexible Arbeitszeitmodelle und Beschäftigungsformen (siehe Blog-Beitrag »Flexibilität hoch 3« ). Stammarbeitskräfte erhalten Gleitzeitkonten, Betriebszeiten werden um Zusatzschichten verlängert, Teilzeitkräfte und Aushilfen sind kurzfristig abrufbar, Zeitarbeitskräfte gleichen saisonale Schwankungen aus.
Die kurzfristige Personaleinsatzsteuerung erfolgt dabei meist noch auf dem kurzen Dienstweg: Teamleiter und Schichtführer koordinieren die An- und Abwesenheitszeiten der Mitarbeiter. Hierfür kommunizieren sie täglich mit ihren Arbeitskräften, den Personalbetreuern, weiteren Teamleitern und Zeitarbeitsfirmen.
Im Forschungsprojekt »KapaflexCy« entwickeln wir Lösungen, die es Unternehmen erlauben, ihre Produktionskapazitäten gemeinsam mit den Mitarbeitern hochflexibel, kurzfristig, und unternehmensübergreifend zu steuern. Die heute üblichen vertikalen Anweisungskaskaden »von oben nach unten« werden ersetzt durch horizontale Entscheidungen in und zwischen Arbeitsgruppen.
Betriebliche Selbststeuerung: Schichtwechsel per Smartphone
Teamleiter oder Schichtführer sollen nicht mehr mühsam mit allen Mitarbeitern Schichtänderungen aushandeln. Einfacher und schneller geht es zukünftig mit mobilen Smartphones und Social-Media-Methoden. Bei Schichtänderungen erhalten alle in Frage kommenden Mitarbeiter Einsatzanfragen. Quasi in »Echtzeit« entscheiden sie dann via Gruppenabstimmung, wer die Zusatzdienste erbringt. So sind die Produktionsmitarbeiter zukünftig aktiv in Entscheidungen zur Einsatzplanung eingebunden und erhöhen in Eigenverantwortung die Flexibilität des Unternehmens.
Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE)
Tags: Industrie 4.0, Produktion, Produktionsmanagement
Kapaflexcy, das klingt zu schön, das klingt nach „neuer schöner Welt“ von Huxley. Werden denn wenigstens die wichtigen Fragen gestellt? Zum Beispiel die, wie eine „Produktion, die sich weitgehend selbst organisiert, steuert …“ zu veeinbaren ist mit „horizontalen Entscheidungen in und zwischen Arbeitsgruppen“? Wenn sich „Arbeit und Arbeitszeiten der neuen Dynamik anpassen“, welche Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten verbleiben denn den Menschen, den „kurzfristig abrufbaren Aushilfen“, den „Zeitarbeitskräften“, die „saisonale Schwankungen ausgleichen“? Oder kommen die Unternehmensinteressen, die Kundenwünsche nicht mehr über die Anweisungen eines Vorgesetzten sondern als Sachzwang von den „Produkten, Maschinen und Anlagen, die sich selbst steuern“?
Hallo Herr Klein-Schneider,
schön, dass mein Blogbeitrag zu KapaflexCy eine kritisch-kontroverse Resonanz erzeugt!
Selbstverständlich untersuchen wir in einem Verbundprojekt mit insgesamt 10 Kooperationspartnern die Thematik ganzheitlich und vor dem Hintergrund der Interessen aller Beteiligten.
Mit die wichtigste Frage ist, wie können wir Deutschland als Produktionsstandort wettbewerbsfähig gestalten und somit vielen Menschen ihre Arbeitsplätze nachhaltig sichern. Dabei ist Deutschland nach wie vor ein Hochlohnstandort. Meine Meinung dazu: Gut so! Weiter so! Wir sollten unsere sozialen Standards und unsere materielle Absicherung nicht einem globalen Lohndumping preisgeben. Der Erhalt unserer gewerblichen Arbeitsplätze kann und darf nicht über Lohndumping erfolgen. Unsere Chancen müssen wir in der Qualität, der Erfahrung, der Ausbildung und der Produktivität unserer Mitarbeiter suchen. Ein hochflexibler Mitarbeitereinsatz ist ein Kernelement hiervon. Dies belegt u. a. unsere aktuelle Umfrage zur Zukunft der Produktionsarbeit, die in den nächsten Tagen auf http://www.produktionsarbeit.de veröffentlich wird. Eine Zusammenfassung findet sich unter http://www.iao.fraunhofer.de/images/iao-news/summary_produktionsarbeit-der-zukunft.pdf.
Die prognostizierte vierte industrielle (R)evolution bietet Chancen, den Personaleinsatz flexibel zu gestalten und gleichzeitig den Handlungsspielraum zu erhöhen. „Social Machines“, um eines der Schlagworte der Industrie 4.0 aufzugreifen, werden Mobilgeräte und Social Media verbinden. Die Sachzwänge diktiert der Kunde den „Produkten, Maschinen und Anlagen, die sich selbst steuern“. Sie sind unvermeidlich. Doch die Reaktion der Mitarbeiter auf die Sachzwänge soll eben nicht mehr vom Vorgesetzten autoritär angewiesen werden. Zukünftig einigen sich Teams von Mitarbeitern mit einer neuen Terminplanungs-App und verteilen untereinander anstehende Einsätze. Selbstbestimmt statt fremdbestimmt entscheidet die Gruppe, wer eine lukrative Zusatzschicht erhält oder unter der Woche einen Tag zu Hause bleibt. Teilzeitkräfte, die z. B. aus persönlichen oder familiären Gründen keiner Vollzeitarbeit mit festen Zeiten nachgehen können, gelingt der Ausgleich zwischen ihren privaten Interessen und beruflichen Erfordernissen besser.
Der Mix von unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitszeitmodellen in Arbeitsgruppen erhöht den zeitlichen Handlungsspielraum. Horizontale Entscheidungen zwischen den Mitarbeitern bieten den Entscheidungsspielraum und die sozial wünschenswerte Selbstbestimmung. Und die entstehende Flexibilität verbindet die Unternehmensinteressen mit den modernen und vielfältigen Lebensrealitäten. Man denke an doppelte Erwerbstätigkeiten in Familien, die Mobilität von Singles oder an reduzierte Arbeitszeitangebote für eine alternde Belegschaft.
Arbeitsgruppen, die sich aus Mitarbeitern mit unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitszeitmodellen zusammensetzen, erhöhen den Handlungsspielraum. Horizontale Entscheidungen zwischen den Mitarbeitern bieten den Entscheidungsspielraum und die sozial wünschenswerte Selbstbestimmung. Und die entstehende Flexibilität verbindet die Unternehmensinteressen mit den modernen und vielfältigen Lebensrealitäten. Man denke an doppelte Erwerbstätigkeiten in Familien, die Mobilitätswünsche von Singles oder an reduzierte Arbeitszeitangebote für eine alternde Belegschaft.
Einen zwangsläufigen Widerspruch zwischen Flexibilität, Selbstorganisation und Handlungsspielräumen kann ich nicht erkennen. Aber viele Chancen!