Wissenschaftsjahr 2013: Die demografische Chance

Ist AAL in Deutschland gescheitert?

Einem Artikel der Wochenzeitung DIE ZEIT zufolge (DIE ZEIT No 2 vom 3. Januar 2013, Seite 27 und 28) lässt der Durchbruch der Alterstechnikbranche (AAL=Ambient Assisted Living) nach wie vor auf sich warten. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar gemunkelt, AAL sei »tot«. Nach den Angaben des Zeitungsartikels hat die Branche mittlerweile selbst zahlreiche Gründe hierfür identifiziert. So liest man u.a.:

  • Die Forschungsförderung seitens des BMBF sei zu sehr auf die Entwicklung grundlegender Technologien ausgerichtet. Das »Investment in funkelnde Technik habe Vorrang vor einem gründlichen Feldversuch«. Ebenso habe eine »gemeinsame und auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnittene Perspektive« gefehlt, erwidert das BMBF. Die Entwicklung grundlegender Technologien sei jedoch notwendig gewesen, um diese zu schaffen.
  • »Ingenieure entwickeln oft tolle Sachen, aber haben oft wenig Ahnung von den Bedürfnissen alter Menschen«. So seien die entwickelten Assistenzsysteme häufig umständlich zu bedienen und verlangten zu viel Technikkompetenz.
  • Problematisch gestalte es sich weiterhin, adäquate und tragfähige Preis-, Erlös- und Geschäftsmodelle zu finden.
  • Ein weiterer Schwachpunkt sei der Mangel an soliden Langzeitstudien. In den im ZEIT-Artikel genannten Projekten seien lediglich Akzeptanz und Gebrauchstauglichkeit der Assistenzsysteme untersucht worden. Die Frage nach dem konkreten Nutzen bleibt jedoch unbeantwortet.

»Die eigentlichen Probleme der Alterstechnikbranche wurden nicht gelöst«, schreibt DIE ZEIT. Es wurde »weder der Nachweis für den Nutzen der Technik« durch »gründliche Feldtests« erbracht noch nutzerorientierte Dienstleistungs- und Geschäftsmodelle erprobt.

Gescheiter – nicht gescheitert: Wo AAL funktioniert

Gemach, denn diesem düsteren Szenario stehen einige »Leuchttürme« gegenüber, wenn gleich deren Licht fast nicht wahrgenommen wird. So förderte das BMBF auch Vorhaben, die sich explizit mit der Gestaltung dienstleistungsorientierter Geschäftsmodelle im Kontext von AAL beschäftigen (z. B. Bekanntmachung »Technologie und Dienstleistungen im demografischen Wandel«, das Metavorhaben zur Bekanntmachung oder das Projekt »lifescience.biz – Entwicklung und Management hybrider Geschäftsmodelle im Gesundheits- und Wellnesswesen« ) sowie deren Ergebnisse und praktische Implementierung in den beteiligten Unternehmen. In der aktuellen Forschungsagenda »Das Alter hat Zukunft« kommt häusliche High-Tech mittlerweile nur noch am Rande vor.

All diese Projekte zeigen, dass AAL erstens nicht nur eine Frage der Technik ist, sondern vor allem eine des (Dienstleistungs-)Konzepts. Viele Aspekte und Komponenten müssen in einen übergreifenden Ansatz integriert werden, um AAL menschlich, technisch und ökonomisch erfolgreich umsetzen zu können.

Der demografische Wandel zwingt uns und alle anderen alternden Gesellschaften weltweit dazu, neue Wege in der Pflege und Betreuung zu gehen. AAL ist eine Komponente davon. AAL wird wie andere Innovationen auch Modell- und Erprobungsphasen durchlaufen, bevor sie umfassend eingesetzt werden kann. Insofern ist AAL heute nicht gescheitert, sondern »gescheiter« geworden und wird es weiter werden, je mehr dazu erprobt und entwickelt wird.

Morgen werde ich hierzu auf dem IAO-Blog ein Projekt vorstellen, das für uns Modellcharakter hat, weil es viele der Probleme löst, die der ZEIT-Artikel zu Recht anspricht: Unser Kooperationsprojekt »Service Product Innovation for Elderly People in Beijing« – bleiben Sie dran.

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Kategorien: Innovation, Mensch-Technik-Interaktion, New Work / Connected Work
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