»Wenn der Bosch wüsste was der Bosch weiß…!« Mit diesem geflügelten Wort wird oft zutreffend das Dilemma des Wissensmanagements in einer Organisation auf den Punkt gebracht. Denn es ist klar: wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, entstehen Informationslücken, Missverständnisse und Doppelarbeit. So verursachen Geschäftsprozesse unnötige Kosten und zusätzlichen Aufwand an Arbeitsstunden.
Organisationsübergreifende Schnittstellen wie beispielsweise zwischen Wirtschaft und Staat sind besonders gefährdet, zu einem bürokratischen Brennpunkt zu werden. Man kann noch davon ausgehen, dass beide Seiten ihren eigenen Bereich, der sie verbindenden »Datensteckdose« und die Prozesse dahinter noch ganz gut kennen, aber der jeweils andere Bereich stellt oft eine unbekannte Blackbox dar. Keine einfache Aufgabe also, gesamte Prozessketten zwischen Organisationen vom einen Ende bis zum anderen Ende zu optimieren – für die Unternehmen und für die Steuerzahler.
Browsen statt »nur« zu Optimieren
Moderne Internet-Browser sind der Inbegriff intelligenter Navigation. Deshalb hat sich das Fraunhofer IAO Firefox, Explorer & Co zum Vorbild genommen und einen Browser für Prozessketten zwischen verschiedenen Organisationen entwickelt. Die Vision des open-source-basierten Prozesskettenbrowsers ist es, den Bürokratieabbau zu unterstützen, Verwaltungen zu modernisieren und Wachstumspotenziale anzuregen.
Gefüttert wurde der Prototyp mit realen Daten aus der Machbarkeitsstudie »Entwicklung von Prozessketten zwischen Wirtschaft und Verwaltung: Finanzdienstleistungen«, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums von Fraunhofer IAO, Fraunhofer ISST und Fraunhofer SIT mit der Commerzbank AG, der GAD eG und der Universität Tübingen im Jahr 2009 erstellt wurde. In der Studie wurden 154 Prozessketten der Branche empirisch untersucht. Darüber hinaus wurden für Wirtschaft und Verwaltung allgemein übertragbare Instrumente (»Prozessketten-Screening«, »Prozessketten-Scoping« und »Prozessketten-Bauplan«) abgeleitet.
Nutzwert à la Google Maps
Der Prozesskettenbrowser spannt auf Basis der eingegeben Prozessbibliothek-Daten eine interaktive Prozesslandkarte à la Google Maps visuell auf. Abstrakte Prozessketten zwischen Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung werden such- und findbar, interaktiv aufrufbar und bildlich in ihrem Gesamtzusammenhang verstehbar. In nächsten Ausbaustufen könnten existierende Metadaten wie Checklisten oder Prozessreferenzbilder statisch hinterlegt oder z.B. Statistiken als Mashup-Webservices dynamisch eingebunden werden. Dadurch wird es politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern, Anwendern und Bürgern ermöglicht, einen digitalen Zugang zur Verwaltung zu ermitteln und Chancen sowie Einsparpotenziale zu identifizieren.
Ausblick
Durch die interaktive Prozesslandkarte am Beispiel Finanzdienstleistungen in Deutschland, die man sich natürlich auch direkt selbst im eigenen Webbrowser anschauen kann, wird die aktuelle Situation der Geschäftsprozesse als Bestandsaufnahme aufgezeigt. Dadurch haben wir drei Evolutionsstufen der Prozessorganisation identifizieren können:
- 61 Prozent der 154 existierenden Prozessketten sind papiergebundene Prozessketten der Generation 1 (Papierformulare, Gelbe Post, Kurierdienste),
- 17,5 Prozent sind IT-anwendungsorientierte Prozessketten der Generation 2 (unterschiedliche Formate, Medien, Netze)
- und nur 21,4 Prozent sind innovative infrastrukturorientierte Generation 3-Prozessketten, mit ganzheitlich umgesetzten Geschäftsprozessen, Hochleistungsportal-Funktionalitäten des Web 2.0, orts-, zeit- und situationsabhängigem Informations-Push sowie föderativem Identitätsmanagement etc.
Es gibt noch viel zu tun bis zur Verwaltung 2.0, nicht nur in den Beziehungen zwischen Banken und öffentlicher Hand. Vielleicht können Ansätze wie die des Prozesskettenbrowsers bestehende Leitvorhaben wie »D115« und »Einheitlicher- Ansprechpartner-Deutschland« ergänzen.
Kategorien: New Work / Connected Work
Tags: Arbeitsgestaltung, E-Government, web 2.0