Die Coronakrise fordert von uns allen ganz neue Herangehensweisen und Lösungen im beruflichen Miteinander. Das Fraunhofer IAO hat deshalb eine Blogreihe gestartet, mit der wir schnell anwendbare Praxistipps weitergeben, gut funktionierende Beispiele vorstellen und Lösungswege während und aus der Krise aufzeigen wollen.
Die Verbreitung des Coronavirus entwickelte sich in den letzten Wochen erschreckend schnell. Bis Mitte März war den meisten von uns nicht klar, wie ernst die Angelegenheit wirklich ist. Dabei standen die Daten, die genau diese Entwicklung hätten vorhersagen können, durchaus zur Verfügung: Am 31. Dezember 2019 wurde die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über den Ausbruch einer »Lungenentzündung unbekannter Ursache« in der Stadt Wuhan, Provinz Hubei, China, informiert. Das Dashboard, das am 22. Januar 2020 erstmals veröffentlicht wurde, zeigt den Ort und die Anzahl der bestätigten COVID-19-Fälle, Todesfälle und Wiederherstellungen für alle betroffenen Länder.
Um die Pandemie und deren Entwicklung zu veranschaulichen und vorherzusagen, muss man eigentlich nur frei verfügbare Daten und ein mächtiges Geoinformationssystem (GIS) einsetzen, das die Echtzeitdaten verarbeiten und visualisieren kann. Bisher funktioniert das leider noch sehr einseitig, wie auch der Artikel der Stuttgarter Zeitung vom Samstag, 28. März 2020 »Die Viruszahlen im Echtzeitblick« zeigt: auch hier werden zwar bekannte und verlässliche Datenquellen genannt, aber der konsolidierte Gesamtüberblick fehlt.
Operations Dashboard: Coronavirus-Ausbreitung in Echtzeit
Geoinformationen, welche aus zuverlässig und genauen Geo-Daten aus vielen verschiedenen Sensoren und Systemen gewonnen werden können, sind eine wichtige Quelle für Behörden auf kommunaler, Länder- und Bundesebene. Zusätzlich, zu all dem wissenschaftlich fundierten Wissen, das in der Coronakrise von renommierten Virologen und anderen medizinischen Experten stammt, hilft es allen Menschen, adäquat informiert zu sein. So sollte es auch im Alltag sein. Behörden und Politiker können in der jetzigen Krise dadurch besser fundierte und transparente Entscheidungen treffen.
Ich habe die Coronakrise daher zum Anlass genommen und in dem in bereits in vielen Projekten von mir verwendeten und ständig weiter entwickelten Dashboard alle mir zur Verfügung stehenden Echtzeitdaten gesammelt und veranschaulicht. Die Karten und visualisierten Parameter und Listen in den Dashboards zeigen, wie sich das Coronavirus Sars-CoV-2 bereits verbreitet hat. Die Dashboards* sind in einer so genannten Story Map zusammengefasst und beinhalten die Aufteilung und extra Ansichten für Baden-Württemberg, Deutschland, Europa oder der ganzen Welt. Dabei werden die offiziell von den deutschen und internationalen Behörden gemeldeten Fälle als Kreise oder Polygone (Bi-variate Bubble Map) visualisiert. Dabei gibt es jeweils die drei Kategorien (1) Bestätigt, (2) wieder gesund und die (3) Todesfälle. Die Größe der Kreise und der leicht transparente oder stärker gefärbte Farbton richten sich nach der gesamten Anzahl der Fälle.
Das Echtzeit SARS-CoV-2 Coronavirus Pandemie Dashboard enthält zahlreiche interaktive Karten sowie Informationsquellen und Visualisierungen auf kommunaler, Landes-, Bundes-, EU-und globaler Ebene. Daten und Quellen des Online-Dashboards: WHO, CDC, ECDC, NHC und DXY, Gesundheitsministerien der Länder, Daten, #RKI, #BMG © Fraunhofer IAO/Universität Stuttgart (JHU 2020), Stand: 28. März 2020*
Bei den bestätigten Fällen handelt es sich um bisher alle gemeldeten Fälle in dem jeweiligen Land oder Bundesland. In der Gesamtzahl sind alle aktuellen und vormalig krank, also infizierte und tote Personen beinhaltet. Für alle Regionen (Baden-Württemberg, Deutschland, Europa und die Welt) ist jeweils eine Rangliste dargestellt, sortiert nach Fallzahlen und die Summe der bestätigten Fälle in einem weiteren Kuchendiagramm visualisiert. Es könnten weitere Visualisierungen hinzugefügt werden wie zum Beispiel der zeitliche Verlauf.
Dynamische Datenlage und Meldekette führt zu unterschiedlichen Informationsständen
Die offiziellen Zahlen der deutschen Behörden (z.B. Robert-Koch-Institut) zu den Infektionen fallen zwischen den Meldungen der Gesundheitsämter der Bundesländer teilweise unterschiedlich aus. Das RKI veröffentlicht seine Zahlen sogar bis zu zwei Tage später. Die Zahlen der Gesundheitsämter sind teils einen halben Tag später verfügbar. Auch die Zahlen der Johns-Hopkins-Universität (JHU) weichen leicht ab, doch auch diese werden von den Landesbehörden abgefragt und bezogen. Wieso weichen die Zahlen teils voneinander ab? Gründe dafür sind die zeitlich unterschiedliche Berichterstattung, die daraus resultierenden unterschiedlichen Stände der Zahlen und die entsprechende Dynamik der jeweiligen Meldeketten. Oftmals werden Daten von bekannten Fällen mit Verzug an übergeordneten Behörden berichtet, weil es keine gemeinsame und zentralisierte Dateninfrastruktur gibt und somit der Austausch von Information und Daten zwischen den Institutionen und Behörden beschwerlich verläuft. Geht das nicht besser?
Realitätscheck: Open Data & GIS im 21. Jahrhundert
Wir können es uns nicht länger leisten, Daten ungenutzt liegen zu lassen. Nur durch die erfolgreiche Veranschaulichung bzw. Visualisierung können wir mehr aus ihnen lernen und unsere Prozesse verbessern. Im 21 Jahrhundert ist es meiner Meinung nach ein absolutes Muss, dass Behörden und Institutionen, Bildungseinrichtungen sowie Entscheider in der Wirtschaft und der Politik lernen und wissen, welche Daten wir haben, wo sie aufzufinden sind und wie sie als Entscheidungsgrundlage transparent und verständlich für alle aufbereitet werden können. Die dazugehörige Verfügbarkeit von Daten und deren Dynamik, die Bereicherung durch den Austausch, besonders unter Fachkräften und Experten, wird immer wichtiger für unsere Gesellschaft in allen Bereichen des Lebens.
Nationale und internationale Zusammenarbeit wird bei der Überwindung dieser oder anderen, unerwarteten Krisen in vollem Umfang von grundlegender Bedeutung sein. Frei verfügbare Daten und GIS-Applikationen und -Systeme können helfen, Schnittstellen zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Administrationen zu schaffen. Der Echtzeitblick auf verständlich aufbereitete Daten schafft einen Mehrwert für die Gesellschaft als Ganzes und ich kann mir nur wünschen, dass er sich nach der Krise selbstverständlich etablieren wird. Was in der Krise gilt, hat auch im Alltag Wert!
Ich bedanke mich bei JHU Data Services und den Johns Hopkins Coronavirus Resource Center, wo JHU-Experten dazu beitragen, das Verständnis über das Virus in die Breite zu tragen, die Öffentlichkeit zu informieren und politische Entscheidungsträger zu informieren, die Pflege zu verbessern und Leben zu retten.
*Dieses Dashboard / diese Website und ihre Inhalte, einschließlich aller Kartierungen und Analysen (»Website«) sind Copyright 2020 Fraunhofer IAO – Universität Stuttgart (JHU 2020), alle Rechte vorbehalten, werden der Öffentlichkeit ausschließlich zu Bildungs- und akademischen Forschungszwecken zur Verfügung gestellt. Das Dashboard und die Informationen basieren auf öffentlich verfügbaren Daten aus mehreren Quellen, die nicht immer übereinstimmen. Das Vertrauen in das Dashboard / die Website für medizinische Beratung oder die Nutzung der Website im Handel ist strengstens untersagt.
Prof. Lauren Gardner auf youtube zum Dashboard der Johns Hopkins University
Leselinks:
- Corona-Online-Dashboard des Fraunhofer IAO
- StZ-Artikel vom 28. März 2020 »Die Viruszahlen im Echtzeitblick«
- Der Living Atlas of the World von ArcGIS ist eine einzigartige Sammlung weltweiter geographischer Informationen
- Alle Blogbeiträge zum Thema »Coronavirus«
Kategorien: Stadtentwicklung
Tags: Coronavirus – First-Science-KIT: Blogreihe zum Corona Krisenmanagement, Open Data