Resiliente Wertschöpfung – Blogreihe zum Gemeinschaftsprojekt »ResiLike«
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie störanfällig die Liefer- und Wertschöpfungsketten unserer vernetzten Welt sind. Im Gemeinschaftsprojekt »ResiLike« (kurz für Resiliente Lieferketten) entwickeln die beiden Fraunhofer-Institute IAO und IFF Lösungsansätze für resiliente Liefer- und Wertschöpfungsketten. Ziel ist es, die Resilienz von Unternehmen zu steigern.

In den letzten zwei Jahren erlebten Logistik-Experten eine multiple Krise: Die weltweiten Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie führten zu drastischen Lieferengpässen kritischer Komponenten, Materialmangel und wegbrechenden Absatzmärkten. Dadurch wurde offensichtlich, wie komplex und fragil Lieferketten für viele Endprodukte in Wirklichkeit sind. Wenn dann auch noch zu allem Überfluss ein einziges Containerschiff den Suez-Kanal für Tage vollständig blockiert und erneut für weltweites Chaos sorgt, muss man sich fragen, ob nicht ein grundsätzliches Umdenken hin zu resilienteren Liefer- und Wertschöpfungsketten notwendig wäre.

Fragile Lieferketten: Wo liegt das Problem?

Viele Unternehmen – gerade in der deutschen Automobilbranche – haben sich in den vergangenen Monaten Gedanken dazu gemacht, wie sie ihre Lieferketten resilienter machen und ihre Abhängigkeit von internationalen Zulieferern reduzieren können. Vor dem Ausbruch der Corona-Krise wurde die Stabilität von Handelsrouten und internationalem Handel häufig als selbstverständlich hingenommen und Gewinnmaximierung stand an oberster Stelle in der Prioritätenliste. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt: internationaler Handel und Wettbewerb sorgen dafür, dass sich Unternehmen auf die Dinge spezialisieren können, welche sie am besten beherrschen. So profitieren alle Beteiligten – auch der Kunde. Aber was tun, wenn dieses empfindliche Konstrukt gestört wird? Inzwischen hat sich gezeigt, dass deutsche Unternehmen mit kritischen Ereignissen in der Lieferkette (zumindest in diesem Fall) nicht sonderlich gut umgehen können. Laut ifo-Umfrage (siehe Leselinks) gaben im Juli 2021 beinahe zwei Drittel der befragten Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe an, Lieferprobleme bei Materialien und Vorprodukten zu haben, in der Automobilbranche sogar über 80 Prozent. Aber was genau hätte man anders machen können und worauf hat man als Unternehmen überhaupt Einfluss? Wie müssten sich Unternehmen in Zukunft aufstellen, um im Fall einer Krise von den gröbsten Verwerfungen verschont zu bleiben?

So schafft man Transparenz vom Rohstoff bis zum Endprodukt

Am Fraunhofer IAO und IFF wird diese Frage im Projekt ResiLike (resiliente Lieferketten) derzeit von verschiedenen Seiten her betrachtet. Im Teilprojekt »Resiliente Wertschöpfungsketten« liegt der Fokus der Forschung darauf, über den gesamten Wertschöpfungsprozess hinweg Transparenz zu schaffen. Dazu müssen vom Rohstoff bis zum Endprodukt zahlreiche Stakeholder mit eingebunden werden – innerhalb von Unternehmen und unternehmensübergreifend. Um aussagekräftige Informationen liefern zu können, müssen dabei organisatorische Beziehungen auf einer Makro-Betrachtungsebene ebenso berücksichtigt werden, wie Prozesse und Abläufe auf einer Meso- oder Mikro-Ebene. Ziel ist es, die verteilt erhobenen Daten in einem sog. »Digitalen Wertschöpfungszwilling« zu bündeln und den Entscheidungsträgern so eine Informationsgrundlage zu bieten, auf deren Basis Maßnahmen entsprechend von Resilienzprinzipien ergriffen werden können.

Wie auch bei anderen Digitalen Zwillingen geht es beim Digitalen Wertschöpfungszwilling darum, ein ausreichend detailliertes, digitales Abbild der realen Gegebenheiten zu schaffen, welches auf Echtzeitdaten beruht und an welchem aussagekräftige Simulationen durchgeführt werden können. Da eine Wertschöpfungskette naturgemäß Akteure aus verschiedenen Unternehmen oder sogar Branchen beinhaltet, setzt dieses ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft voraus.

Vielen Unternehmen wird es sicherlich nicht leichtfallen, auf diese Weise Transparenz zu schaffen und Daten mit Marktteilnehmern entlang der Wertschöpfungskette zu teilen. Momentan scheint die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen offensichtlich. Auch wenn die Pandemie, wie viele Experten vermuten, Anfang 2022 abklingen sollte, dürfte das Risikopotenzial für komplexe Wertschöpfungsketten langfristig eher zu- als abnehmen. Es bietet sich also an, aus den Ereignissen der letzten zwei Jahre zu lernen und sich für die Zukunft zu rüsten, indem man das Thema Resilienz bei strategischen Entscheidungen künftig mitberücksichtigt. Eine rechtzeitige Impfung macht das System resilienter, auch wenn es am Anfang ein bisschen piekst.

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Adrian Barwasser

Adrian Barwasser ist ehemaliger Entwicklungsingenieur und nun Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IAO. Seine Begeisterung gilt der Produktentwicklung. Im Team »Digital Engineering« erforscht er Wege, wie sich im Zeitalter von Industrie 4.0 innovative Produkte entwickeln lassen.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE)
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