Wissenschafts­jahr 2018: Arbeitswelten der Zukunft
Wissenschafts­jahr 2018: »Arbeitswelten der Zukunft« ist das Thema des Wissenschaftsjahres 2018. Dabei geht es um Fragen, wie sich Arbeit in Zukunft verändert und welche Rolle Forschung und Wissenschaft bei der Bewältigung dieser Veränderungen spielen.

Ich hatte am vergangenen Wochenende die Gelegenheit, im Rahmen der jährlich stattfindenden German-French Young Leader Konferenz (GFYL) in Paris gemeinsam mit Dr. Max Neufeind vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)einen Workshop zum Thema »Can governments learn from start-ups? Leadership and hierarchy in the digital age« zu moderieren – auf Basis unseres gemeinsamen Projekts und unserer Fallstudien zum Thema New Work in Deutschland.

Das Programm GFYL unter Schirmherrschaft von Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier versteht sich als innovative Plattform für junge Führungskräfte in Frankreich und Deutschland und adressiert in jährlich wechselnden Schwerpunktthemen zentrale Themen der europäischen Integration. Dieses Jahr ging es vor allem um die Frage, ob neue Konzepte der Führung und Selbstorganisation, wie sie häufiger in Start-ups zu finden sind, auch auf die öffentliche Verwaltung übertragbar sind.

Der Ausgangspunkt: Immens wachsende Anforderungen und ein organisatorischer Innovationsstau

Kein Zweifel bestand daran, dass die Administrationen im Europa, in Deutschland und Frankreich gewaltigen Herausforderungen gegenüberstehen. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die Erhaltung und der Ausbau unserer Infrastrukturen, die zukunftssichere Gestaltung wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen sind nur einige der Stichworte. Problematisiert wurde eine Organisationsrealität innerhalb der Verwaltung, die zu häufig in Silos verhaftet arbeitet, Prozesse nach strengen Regelwerken und gesetzestreu umsetzt und dabei mit hochqualifizierten, zumeist über Jahrzehnte in Laufbahnprinzipien entwickelten Beamten agiert. Und so eben einiges nur schwer leisten kann: Offenheit für neue Ideen, das schnelle Erkennen wesentlicher Umweltsignale, die Realisierung agiler Umsetzungsformen für neue Konzepte und Projekte. Schwächen, die auch aus der Diskussion um zu wenig innovationsorientierte (große, tradierte) Unternehmen bekannt sind – und angesichts der umwälzenden Kraft und möglicher Umsetzungsimpulse der digitalen Transformation als umso problematischer bewertet wurden. Denn nicht nur Unternehmen, auch unser Gemeinwesen ist dringend auf organisatorische Innovationen und die aktive Gestaltung der digitalen Transformation für die eigenen Organisationszwecke angewiesen.

Jugend schützt nicht vor Kompetenz

In der Diskussion fiel mir auf, dass seitens der anwesenden jüngeren Führungselite eine große Differenz in der Sensibilisierung für diese Problematik zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern in den Verwaltungen ausgemacht wurde. Das ist nicht unbedingt überraschend, gilt doch überall die berühmte Generation X, Y oder wie immer wir sie nennen, als besonders kritisch gegenüber den »Alten«. Allerdings erschien es so, dass das Ausmaß des Problembewusstseins dafür in den etablierten Entscheiderkreisen der Verwaltung als nur sehr gering vorhanden beschrieben wurde. Das birgt ein hohes Risiko, potenziell vorhandene Kompetenzen und viel Motivation zu vergeuden – in Zeiten eines Arbeitsmarkts, der guten Absolventen in der Privatwirtschaft sehr viele gute Möglichkeiten bietet, eine gefährliche Ignoranz.

Was tun?

Gefragt nach den realistischen Umsetzungsmöglichkeiten der von uns vorgestellten Konzepte der agilen Organisation, der Umsetzung von mehr Selbstverantwortung, partizipativer und kollektiver Führungsprinzipien sowie mehr kompetenzbasierter denn laufbahnorientierter Entwicklungsangebote für Mitarbeitende setzten sich die gemischten Teams aus Administration und jungen Unternehmen zusammen, um Zukunftsbilder zu entwerfen. Was waren die entwickelten Ideen?

»Purpose«: Sinn, Mission, Aufgabe in den Mittelpunkt stellen

Auch und gerade die öffentliche Verwaltung hat eine zentrale Aufgabe, die nach Meinung der Anwesenden deutlich stärker, zugespitzter und zukunftsorientierter formuliert und kommuniziert werden muss – nach innen und außen. Um notwendige Veränderungen besser verständlich zu machen, um Einschnitte erklären zu können, aber auch, um Stolz und Unterstützung für den Organisationszweck bei den Mitarbeitenden aktiver zu fördern – eine klare Parallele zum Ruf nach deutlicherer Strategieorientierung auch in privatwirtschaftlichen Organisationen.

Digitalisierung als strategische Aufgabe – keine Delegation auf Stabsstellen oder externe Berater

Große Einigkeit bestand auch in der Forderung, der Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation für die einzelnen Verwaltungsbereiche eine wirklich strategische und wirksame Dimension zu verleihen. Also: kompetente, entscheidernahe, mit ausreichender Kapazität versehene und gut vernetzte Ressourcen für diese Aufgabe einzusetzen, die Relevanz entfalten können – und diese gesamtstrategische Herausforderung nicht an einige wenige »Spezialisten« zu delegieren. Und natürlich ist die systematische Umsetzung von Ansätzen der digitalen Transformation auch im öffentlichen Bereich ein Thema, das zu einem wesentlichen Bestandteil von Beurteilungsgesprächen, Auswahlverfahren oder sonstigen Anreizsystemen gemacht werden kann. Um die individuelle Relevanz des Themas für jeden auch auf diese Art systematisch zu untermauern.

Mut und Gelegenheit zu offenem Austausch, Ideen, Diskussion

Zentral war auch die Forderung nach breiterer Öffnung für externe Impulse, Benchmarks, die systematische Nutzung von Wissen darüber, was vergleichbare Institutionen machen – und was intern an Wissen und Erfahrungen verfügbar und nutzbar ist. Warum kein offensiveres Cross-Mentoring von jüngeren, digital affineren Kollegen für die älteren? Warum nicht mehr Austausch mit der Privatwirtschaft in Bezug auf z.B. moderne Arbeitsformen – dazu muss man nicht ins Silicon Valley pilgern – der Mittelständler nebenan bietet möglicherweise auch sehr interessante und übertragbare Ansätze.

Arbeiten an der Organisation – nicht nur in der Organisation

Trotz Gesetzesbindungen, Versorgungsauftrag, Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns – auch in diesen Institutionen wird es erforderlich werden, den kontinuierlichen Umbau der Organisationsstrukturen als Normalfall zu betrachten. Wo bisher Reorganisationen vor allem im Kontext von Ministerwechseln oder Wahlen anstanden, wird es in Zukunft wie in der Privatwirtschaft notwendig werden, die Organisationsform und -struktur in ihrer Funktionalität ständig zu hinterfragen – und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das bedeutet ganz automatisch, Prinzipien der Vernetzung und kleinerer, selbstorganisierter Regelkreise mehr Raum zu geben, Versuchsbereiche zu öffnen und »Experimentalräume« oder »Reallabore« nicht nur für die Wirtschaft zu fördern, sondern sie auch intern zu eröffnen. Damit schliesst sich der Kreis: solche vernetzten, selbstorganisierte Aktionseinheiten brauchen andere Führungskonzepte.

Ich bin gespannt, wie die beiden Schirmherren der GFYL diese Ergebnisse aufnehmen und weiterverwenden werden!

New Work Experience
Reality Check: »New Work-Landkarte« beim XING-Event »New Work Experience«
In einem vom Bundeministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten Projektvorhaben, spüren wir derzeit die unterschiedlichsten Ansätze von New Work in unserem Land auf und bereiten diese auf. Die Ergebnisse werden auf unseren Webseiten und denen des BMAS publiziert. Wir werden in den folgenden Wochen detaillierter zu einzelnen Realisierungsansätzen des New Work berichten und freuen uns auf Ihre Kommentare!

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Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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Kategorien: New Work / Connected Work
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