Selbst skeptische Naturen müssen feststellen: Auch in der öffentlichen Verwaltung ist der digitale Wandel in vollem Gange. Zahlreiche engagierte und innovationsfreudige Mitarbeitende arbeiten täglich daran, den digitalen Wandel voranzutreiben. Doch wie verändert der digitale Wandel die Zusammenarbeit in der öffentlichen Verwaltung? Und wie lässt sich so eine Digitalkultur greif- und messbar machen? Wir haben es am Fall des Transformationsprogramms Work4Germany untersucht!

Digitalisierung der Bundesverwaltung: Die Rolle des DigitalService

Einer der treibenden Akteure hinter der Digitalisierung der Bundesverwaltung ist – nomen est omen – der DigitalService des Bundes (DS). Der DS ist eine nach Vorbild des britischen Government Digital Service aufgebaute GmbH in Vollbesitz des Bundes, die Inhouse-Lösungen für die Bedarfe der Bundesverwaltung an Software und digitaler Infrastruktur entwickelt.

Der Anspruch des DS geht über die reine Entwicklung digitaler Produkte hinaus. Ziel ist es auch, die Digitalkompetenz der Beschäftigten und eine Digitalverwaltung in der Bundesverwaltung zu stärken. Ein wichtiger Baustein hierbei ist das Work4Germany Fellowship, das uns mit der Evaluation seiner Wirkung beauftragt hat. Unsere zentrale Frage war: Wie lässt sich die digitale Transformation messbar machen?

Steckbrief Work4Germany

Seit 2020 bringt Work4Germany jährlich Transformationsexpertinnen und -experten als Fellows mit Mitarbeitenden aus Bundesbehörden zusammen. Ziel ist die gemeinsame Umsetzung digitaler Projekte, deren Zuschnitt sich nach den jeweiligen Bedarfen der Partnerinnen und -partner aus der Bundesverwaltung richtet. Typische Projektthemen sind die Einführung agiler Arbeitsweisen oder die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen – alles in allem: die Verankerung einer Digitalkultur.

Das Besondere am Work4Germany-Programm im florierenden Feld privatwirtschaftlicher Digitalisierungs-Beratungen ist die intensive Zusammenarbeit zwischen Bundesverwaltung und Fellows. Denn die Fellows sind sechs Monate lang in die Verwaltungsteams integriert und versuchen dabei, einen digitalen Wandel von innen heraus zu treiben.

Digitalkultur: Mehr als Technologie

Um die digitale Transformation greifbar zu machen, ist die Frage zu beantworten, wo sie die Verwaltung denn hinführen soll. Diese Zielvision ist in der Digitalstrategie der Bundesregierung dargestellt. Demnach nutzen im digitalen lernenden Staat die Verwaltungsbeschäftigten souverän digitale Plattformen und Werkzeuge, werten ihre Daten selbst aus und kommen so zu daten- und evidenzbasierten Entscheidungen.

Übertragen auf unser Fallbeispiel heißt das: Wenn Work4Germany die Digitalkultur in der Verwaltung fördern will, läuft das hinaus auf die Vermittlung von Software- und Daten-Skills, Techniken agilen Arbeitens und eben explizit auch auf die Befähigung zum effektiven selbstorganisierten Arbeiten.

Digitalkultur und Verwaltungseffizienz: Eine Verbindung

Eine solche Digitalkultur soll die Effektivität der Verwaltung steigern. Doch wie misst man nun diese Effektivität? Als Arbeitswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler glauben wir, dass die Effekte einer Digitalkultur sich nicht über objektive Messzahlen erfassen lassen. Zu unterschiedlich sind die Arbeitskontexte in der Bundesverwaltung. Stattdessen sollten die Rahmenbedingungen für hohe Arbeitsproduktivität im Fokus stehen. In Abbildung 1 ist der Wirkungszusammenhang dargestellt.

Abbildung 1: Psychologisches Empowerment als Vermittler zwischen strukturellen Bedingungen am Arbeitsplatz und positiven Effekten (adaptiert aus Schermuly, Carsten (2021): New Work – Gute Arbeit gestalten. Haufe

Abbildung 1: Psychologisches Empowerment als Vermittler zwischen strukturellen Bedingungen am Arbeitsplatz und positiven Effekten (adaptiert aus Schermuly, Carsten (2021): New Work – Gute Arbeit gestalten. Haufe

In unserem vom Arbeitspsychologen Carsten Schermuly adaptierten Modell zur Wirkung des digitalen Wandels spielt das Konzept des psychologischen Empowerments – vielleicht am besten mit Selbstwirksamkeit übersetzt – eine zentrale Rolle. Empowerment fördert die persönliche Bindung an die Organisation, Innovationsverhalten, Einsatzbereitschaft und das psychische Wohlbefinden.

In Schermulys Modell gibt es zudem das strukturelle Empowerment. Wenn Work4Germany bspw. Methoden des agilen Arbeitens fördert, handelt es sich dabei um grundlegende Kompetenzen, die mehr Selbstbestimmung und Einfluss ermöglichen sollen. Während das strukturelle Empowerment den Blick darauf legt, wie die Prozesse der Zusammenarbeit im Sinne einer Digitalkultur ausgestaltet sind, geht es beim psychologischen Empowerment darum, wie die Beschäftigten die Umsetzung dieser Digitalkultur erleben.

Nachhaltige Digitalkultur: Erfolge und Herausforderungen

Wie gelingt es nun also eine Digitalkultur in der Verwaltung zu verankern? In unserer Fallstudie von Work4Germany sehen wir, dass das Programm nachweislich einen nachhaltigen Effekt auf die Verankerung agiler, nutzerzentrierter und partizipativer Arbeitsweisen in der Verwaltung hat. Abbildung 2 zeigt, dass diese Arbeitsformen während des Programms häufiger genutzt wurden und auch nach dessen Abschluss Bestand hatten. Im Bereich des agilen Arbeitens gibt es jedoch noch Entwicklungspotenzial.

Abbildung 2: Häufigkeit der Anwendung moderner Arbeitsweisen bei den Projektpartnerinnen und -partnern aus der Bundesverwaltung zu Beginn, während und drei Monate nach dem Work4Germany-Programm. Zwölf bis 18 Befragungsteilnehmende zu den vier Messzeitpunkten.

Abbildung 2: Häufigkeit der Anwendung moderner Arbeitsweisen bei den Projektpartnerinnen und -partnern aus der Bundesverwaltung zu Beginn, während und drei Monate nach dem Work4Germany-Programm. Zwölf bis 18 Befragungsteilnehmende zu den vier Messzeitpunkten.

Das strukturelle Empowerment scheint also zu funktionieren. Einen ähnlichen Effekt konnten wir beim psychologischen Empowerment und den angestrebten Wirkungen auf Arbeitszufriedenheit oder Team- und Innovationsklima nicht klar erkennen. Hier zeigen sich – vielleicht wie bei vielen Digitalisierungsprojekten in Deutschland – die größten Entwicklungspotenziale für Work4Germany. Woran das lag? Angesichts des über alle Messzeitpunkte hinweg grundsätzlich als hoch angegebenen Empowerments und Teamklimas ist ein Selektionsbias naheliegend. Das heißt, mutmaßlich nehmen aktuell vor allem solche Verwaltungsmitarbeitende am Programm teil, die bereits ein hohes Gefühl von Selbstwirksamkeit haben und in gut funktionierenden Teams arbeiten.

Unsere Evaluation zeigt: Für eine nachhaltig positive Wirkung einer Digitalkultur in der öffentlichen Verwaltung müssen technische Aspekte und das Erleben der Digitalkultur gleichermaßen vermittelt werden. Die Evaluation impliziert spannende strategische Fragen, zum Beispiel inwiefern man versucht, eine Digitalkultur wirklich breit zu verankern oder ob eher Leuchttürme in Zusammenarbeit mit bereits heute agilen Verwaltungsteams geschaffen werden sollen.

Mehr darüber, wie Work4Germany eine Digitalkultur in der öffentlichen Verwaltung verankert, erfahren Sie in unseren Leselinks. Bei Interesse an unserem Evaluationsansatz, schreiben Sie uns gern!

Leselinks:

Clemens Striebing

Clemens forscht am Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer IAO über Organisationskulturen und Diversity in Forschungs- und Entwicklungsprozessen. Er ist überzeugt, dass es die Reibungen zwischen unterschiedlichen Sichtweisen sind, die zu sozialen Innovationen führen.

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Kategorien: Digitalisierung, Innovation, New Work / Connected Work
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