Seit geraumer Zeit prägt die digitale Transformation die Diskussionen um die Zukunft der Arbeit. Mittlerweile konkretisieren sich technologische Veränderungen in den Arbeitsprozessen. Konzepte einer menschengerechten Arbeitsgestaltung müssen nun nachziehen, wie sich auf dem World Café zum Thema »Arbeit positiv gestalten« auf der diesjährigen LABOR.A® * gezeigt hat.

Wie erleben Beschäftigte, Betriebsräte und Fachkräfte die Auswirkungen der digitalen Transformation auf ihre eigene Arbeit? Welche Erwartungen knüpfen sie an die technologischen Trends? Welche Steuerungsinstrumente sind möglich oder sogar geboten, um eine Unternehmenskultur für die Digitalisierung zu gestalten? Hierzu haben wir gemeinsam mit den Expertinnen Dr. Elke Ahlers und Dr. Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ein World Café zum Thema »Arbeit positiv gestalten« auf der diesjährigen LABOR.A® organisiert. Ein World Café ist ein kreatives Dialogformat, bei dem die Teilnehmer gezielt Brennpunkte identifizieren und Lösungswege über den qualifizierten Diskurs ausloten.

Flexible Arbeitswelten benötigen ein positives Arbeitserleben

Die Komplexität der Arbeitssysteme wird in Zuge der digitalen Transformation weiter zunehmen. Folglich wird ein produktiver Umgang mit der Dynamik und Vielfalt dieser Umgestaltung zur zentralen betrieblichen Herausforderung. Nur gesunde Menschen sind grundsätzlich flexibel und anpassungsfähig, sofern sie geeignete Arbeitsbedingungen vorfinden, die ihnen Lernen und sozialverträgliche Einbindung ermöglichen. Genügen die betrieblichen Führungs- und Organisationskonzepte den Anforderungen der dynamischen Arbeitsmärkte jedoch nicht, tritt das Gegenteil ein: Beschäftigte erleben ihre Arbeit als wenig befriedigend. Die Folge können Demotivation, Leistungsverluste und ein erhöhtes Erkrankungsrisiko sein. Die Digitalisierung erfordert es deshalb, die Arbeit aktiv und positiv zu gestalten und den gesunden Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. Sie verwirklicht bewährte Konzepte der positiven Psychologie, der Ressourcenforschung und der Salutogenese.

Positive Arbeit durch Digitalisierung: Die Expertenmeinungen

Wie kann die Digitalisierung so gestaltet werden, dass sie zu einem positiven Arbeitserleben beiträgt? Die World Café-Teilnehmer äußerten sich recht eindeutig zur ersten Leitfrage der Veranstaltung: Die Erleichterung von schwerer körperlicher Arbeit durch Roboter und eine Befreiung von einfacher Routinearbeit wurden als klare Chancen ausgemacht. Die erweiterte Zeitsouveränität bzw. eine erhöhte berufliche Mobilität der Beschäftigten wurden als erstrebenswerte Ziele genannt – auch im Hinblick auf die berufliche Qualifikation. Die Diskussion wurde von der gemeinsamen Erwartung getragen, dass sich Beschäftigte anspruchsvollen und erfüllenden Arbeitstätigkeiten widmen können, sobald sie von Routinearbeiten befreit werden. Dies setzt voraus, dass innovative und interaktive Arbeitsleistungen des Menschen, die technisch nicht zu substituieren sind, eine erhöhte Wertschätzung erfahren. Qualifizierte menschliche Arbeit wiederum verlangt produktive Formen der Partizipation und der Mitbestimmung sowie eine angemessene Transparenz von betrieblichen Entscheidungsprozessen. Hierzu können digitale Informationssysteme beitragen.

Lernförderliche Rahmenbedingungen: Organisationales Lernen durch Feedback

Die zweite Leitfrage bezog sich auf die Rahmenbedingungen für diese Umgestaltung. Was hindert uns, die Dinge anders zu machen? Oder pointierter formuliert: Wie viel Risiko beinhaltet das Neue? Um Risiken des unabwendbaren organisationalen Wandels zu identifizieren und diese konstruktiv zu lösen, bedarf es nach Meinung der Expertenteilnehmer gezielter Experimentierräume, in denen Mitarbeiter authentisch kommunizieren können. Experimentierräume ermöglichen faire Formen der Kooperation, stellen Lernanforderungen durch partielle Selbstorganisation und melden Erfolge bzw. Misserfolge zurück. Sie fördern eine zwischenmenschliche Resonanz, um bewährte Gestaltungsansätze in die Fläche zu tragen. Derartige Experimentierräume stehen jedoch der dominierenden betriebswirtschaftlichen Effizienzlogik entgegen. Eine Lösung könnte sein, den Aufwand für kontinuierliche Lernprozesse mittels erweiterter Wirtschaftlichkeitsverfahren in die Unternehmensbilanzen einpreisen.

Dialog als Steuerungselement: World Cafés als Instrumente des Expertendialogs

Der Digitalisierungsbegriff lässt per se einen großen Interpretationsspielraum. Formate wie World Cafés fangen diese begriffliche Unschärfe auf und geben den Teilnehmern Möglichkeiten an die Hand, Begrifflichkeiten zu konkretisieren. Sie bilden gewissenmaßen den Experimentierraum der Experten, die über den produktiven Dialog und eine konstruktive Kontoverse verwertbare Konzeptideen entwickeln. Nebenbei tragen sie auch zum positiven Erleben einer Veranstaltung bei.

Auch wenn Sie bei der LABOR.A® nicht dabei waren, haben Sie vermutlich eigene Erfahrungen mit der Digitalisierung gemacht. Diskutieren Sie mit uns, wie Sie die digitale Transformation bei Ihrer eigenen Arbeit erleben!

*Die LABOR.A® ist ein Veranstaltungsformat der Hans-Böckler-Stiftung und ihrer etwa 40 Programmpartner, um Erfahrungen und Ideen zur Arbeitsgestaltung der Zukunft auszutauschen. Am 1. und 2. Oktober 2019 folgten über 1000 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften, Wissenschaft und Beratung der Einladung nach Berlin, um nachhaltige Ideen für eine erstrebenswerte Arbeitsgesellschaft zu entwickeln.

Leselinks:

Martin Braun

Experte für menschliche Arbeit. Aufgrund umfassender Projekterfahrungen ist er überzeugt, dass Kreativität und Initiative erfolgskritische Faktoren in Unternehmen sind. In seinen Beiträgen gibt er Denkanstöße zum Human Factors Engineering und zeigt Erfolgsgeschichten auf.

Autorenprofil



Kategorien: Digitalisierung, Mensch-Technik-Interaktion, New Work / Connected Work
Tags: ,