Künstliche Intelligenz (KI)
Künstliche Intelligenz (KI)
Die Arbeitswelten der Zukunft werden entscheidend von der Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) geprägt sein. Das Fraunhofer IAO verfolgt in seiner Forschungsarbeit das Ziel, KI-Anwendungen umzusetzen, denen die Menschen vertrauen und die sie akzeptieren.

Die größte gesundheitliche Gefahr stellt COVID-19 ohne Zweifel für die ältere Bevölkerungsgruppe dar. Aber leidet diese Bevölkerungsgruppe auch am meisten unter der Krise? Wie sieht es aus, wenn man nicht nur die physischen, sondern auch psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie betrachtet? Als angewandte Forscher*innen hat uns angesichts zahlreicher verschiedener Studien und Umfragen schon zu Beginn der Corona-Pandemie interessiert: welche Aspekte und Auswirkungen können wir anhand von KI-Erhebungsmethoden sichtbar machen, die bisher noch verborgen geblieben sind? Jetzt können wir erste Ergebnisse dazu vorstellen, die in mancher Hinsicht überraschend sind.

Psychische Belastung durch Corona – wen trifft es am härtesten?

In der deutschlandweiten Online-Umfrage WIBCE haben wir seit April 2020 gemeinsam mit dem Uniklinikum Dresden und dem Unternehmen seracom GmbH verschiedene Personen immer wieder zur Wahrnehmung der Situation befragt. Dabei ging es nicht um eine einmalige Bestandsaufnahme, sondern zum einen darum, die Teilnehmenden immer wieder zu befragen, um Langzeitentwicklungen zu identifizieren. Zum anderen haben wir die Antworten mit Machine-Learning-Algorithmen näher unter die Lupe genommen. Dadurch konnten wir unsichtbare Zusammenhänge sichtbar machen und sind auf zwei grundlegend verschiedene Cluster innerhalb der Teilnehmenden gestoßen.

Das Cluster »Unbeschwert«: Stabil resilient

Die Mehrheit der Teilnehmenden geht sehr relaxt mit der Corona-Krise um. Die psychische Belastung dieses Clusters war im Schnitt sehr nahe an den Referenzwerte vor der Corona-Zeit. Das heißt, diese Personen machen psychisch einen resilienten, stabilen Eindruck. Zu diesem Cluster gehören ca. zwei Drittel der untersuchten Personen.

Das Cluster »Besorgt«: Stark betroffen auch ohne Erkrankung

Circa ein Drittel der Untersuchten unterscheidet sich stark vom Rest. Die psychische Belastung ist bei dieser Personengruppe höher und liegt deutlich über den Referenzwerten der Vor-Corona-Zeit. Diese Bevölkerungsgruppe geht also ängstlicher und niedergeschlagener an die Situation heran. Da wir die Teilnehmer*innen zu mehreren Zeitpunkten befragt haben, wissen wir, dass sich diese Wahrnehmung auch nicht verändert hat, sondern im Zeitverlauf stabil geblieben ist. Besonders interessant ist, dass das besorgte Cluster im Durchschnitt jünger ist und über ein geringeres Einkommen verfügt als das unbeschwerte. Derartige Erkenntnisse wurden auch in der ähnlich aufgesetzten Studie COSMO der Universität Erfurt schon berichtet und jetzt in WIBCE bestätigt. Es gab zwischen den Clustern keine auffälligen Unterschiede in Bezug auf Geschlecht, Zahl der Kontakte oder Vorhandensein von Corona-Risikofaktoren – wenn derartige Risikofaktoren allerdings vorhanden waren, so hatten Personen des Clusters »Besorgt« im Schnitt mehrere davon. Innerhalb des besorgten Clusters wurden bei den Frauen sogar noch höhere Besorgniswerte als bei den Männern gefunden – während kein derartiges Muster im unbeschwerten Cluster vorhanden war. Es zeigt sich also, dass gerade jüngere Menschen mit eher geringerem Einkommen durch die Corona-Krise von vergleichsweise großen Sorgen geplagt sind – und dass, obwohl sie objektiv einem relativ geringem gesundheitlichem Risiko ausgesetzt sind. Es ist daher auch gesellschaftlich eine wichtige Aufgabe, die Sorgen und Bedenken dieser Bevölkerungsgruppe ernst zu nehmen und zu adressieren – hier wäre auch schon eine entsprechende Würdigung des Beitrags und der Belastung der jüngeren Generation hilfreich.

Abbildung 1: Die Abbildung zeigt die Unterschiede der beiden Cluster in bestimmten Aspekten. (Quelle: Fraunhofer IAO)
Abbildung 1: Die Abbildung zeigt die Unterschiede der beiden Cluster in bestimmten Aspekten. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Unsichtbares sichtbar machen mit Machine-Learning-Algorithmen

Manche der WIBCE-Ergebnisse konnten wir nur durch KI-Algorithmen des maschinellen Lernens erzielen, da einige Zusammenhänge komplex, nicht-linear und umfangreich waren. Somit können diese nicht mit herkömmlichen statistischen Methoden aufgedeckt werden. Unter maschinellem Lernen (oder englisch: Machine Learning) versteht man Algorithmen, die selbständig in Datenstrukturen nach Regeln und Zusammenhängen suchen. Wir haben verschiedene Algorithmen des sogenannten unüberwachten maschinellen Lernens untersucht. Für unseren Datensatz hat sich ein Cluster-Algorithmus namens K-Medoid besonders gut geeignet, da er mit unterschiedlichen Datenstrukturen umgehen kann. Er kann somit Fragen mit einer geringen Zahl an möglichen Antworten (z.B. das Geschlecht) mit Fragen mit einer kontinuierlichen Antwortskala (z.B. bei einem prozentual-interpretierbaren Schiebebalken zum heutigen Wohlbefinden) mit Hilfe eines Ähnlichkeitsmaßes, der so genannten Gower Distance, kombinieren. So konnten wir die Teilnehmenden in WIBCE in die zwei unterschiedlichen Cluster anhand ihrer Ähnlichkeit in den Antworten aufteilen und darüber weitere Erkenntnisse gewinnen.

Ausblick: Gesellschaftliche Resilienz durch Künstliche Intelligenz

Zukünftig wollen wir mit Machine-Learning-Methoden erkennen, welche Personen besondere Unterstützung benötigen. Eine individuelle Reaktion auf das persönliche psychische Wohlbefinden könnte gerade chronisch kranken Patient*innen dabei helfen, auch während Zeiten ohne persönliche Kontaktmöglichkeit zur medizinischen Therapie angemessene Unterstützung zu erhalten. Derartige KI-Algorithmen des maschinellem Lernen setzen wir bereits heute im industriellen Umfeld ein, beispielsweise zur Prozessoptimierung.

Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie aus großen und unübersichtlichen Datenstrukturen mit Machine-Learning-Methoden neue Erkenntnisse entstehen. Noch ist die KI aber nicht stark genug, um all dies von allein zu können: Erst durch die sorgfältige Aufbereitung der Daten sowie durch die manuelle Auswahl der Algorithmen und Einstellparameter können neue Ergebnisse erzielt werden. Wenn Sie als Unternehmen ebenfalls große Datenstrukturen auf innere Zusammenhänge analysieren und entsprechende Maßnahmen ableiten wollen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme! Und natürlich ebenso, wenn Sie Interesse an weiteren Erkenntnissen aus dieser Umfrage haben.

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Doris Janssen

Wirtschaftsinformatikerin mit Faible für Human Factors. Denkt viel darüber nach, wie man Usability- und User Experience- Methoden so aufbereiten kann, dass sie auch in kleinen Unternehmen mit überschaubaren Ressourcen eingesetzt werden können.

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Kategorien: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Mensch-Technik-Interaktion
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