Wir wollen Roboter designen. Wir wollen Autos, Satelliten, Flugzeuge, Motorräder und Maschinen aller Art entwickeln. Deshalb sind wir Ingenieure geworden. Doch was wir im Berufsalltag machen, hat mit unseren ursprünglichen Vorstellungen oft wenig gemein. Lästige Routinearbeiten verschwenden große Teile unserer Zeit, gesprächige Mitarbeiter verwandeln Meetings in eine Geduldprobe und ob das neuste Projekt den eigenen Vorlieben entspricht, ist mitunter reine Glückssache. Wäre es da nicht viel angenehmer, spannende Entwicklungsprojekte selbst auszuwählen, mit einem Team Gleichgesinnter an neuen Lösungen zu tüfteln und dabei flexibel zu bleiben?

Genau das versucht ein interdisziplinäres Team des Fraunhofer IAO gemeinsam mit Vertretern aus Industrie und Forschung jetzt zu ermöglichen. In dem aktuell laufenden Projekt »RoboPORT« wird eine Innovationsplattform aufgebaut, die begeisterte Tüftler und Bastler mit interessierten Unternehmen und Lieferanten zusammenbringt und ihnen die Werkzeuge an die Hand gibt, mit welchen sie von überall auf der Welt aus neue Produkte entwickeln können. Der Bereich der Service-Robotik dient RoboPORT als aktueller Pionier-Case und Vorbild für Crowd-Engineering in allen erdenklichen Bereichen der Industrie.

Crowd-Engineering: Entwickeln im Netzwerk

© Roboy 2.0 – roboy.org
© Roboy 2.0 – roboy.org

Beim Crowd-Engineering werden Probleme gelöst, indem die Kreativität und der Einfallsreichtum vieler verteilt arbeitender Köpfe auf geschickte Weise vereinigt werden, um in kürzester Zeit die bestmöglichen Lösungen zu generieren. Und wer entscheidet, woran gearbeitet wird? Die User! Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an: Ein Bastler interessiert sich für Roboter und würde am liebsten selbst einen bauen. Für eine Entwicklung von Grund auf fehlt jedoch die Zeit, also müssen Vorlagen her, die dann weiterentwickelt werden können. Im Internet gibt es heute schon zahlreiche Seiten, auf denen User ihre CAD-Daten und Bauanleitungen hochladen und der Community zur Verfügung stellen können. RoboPORT geht jedoch einige Schritte weiter: Hier werden den Nutzerinnen und Nutzern auch die Tools zur Verfügung gestellt, mit denen sie an den Robotern weiterarbeiten können. So wird es allen leichtgemacht, sich alleine oder in Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten an die Arbeit zu machen und die eigenen Vorstellungen umzusetzen. Ist die Entwicklung erst einmal abgeschlossen, findet sich über die Datenbanken von RoboPORT dann auch ein geeigneter Lieferant, um die Komponenten zu bestellen, die sich in der eigenen Garage nicht herstellen lassen. Die Plattform lebt davon, dass User ihre Weiterentwicklungen mit dem Rest der Community teilen. Dieses Prinzip, in der Softwareentwicklung unter dem Begriff »Open Source« bereits weit verbreitet, soll also auf die Entwicklung von Hardwarekomponenten übertragen werden. Auf diese Weise erhofft sich das Team von GI zum Beispiel große Fortschritte bei der Entwicklung ihres menschlichen Roboters »Roboy«.

RoboPORT als Fachkräftepool für Unternehmen

Neben dem Fall, dass Menschen von sich aus ein Projekt in Angriff nehmen, gibt es auch den Fall, dass Unternehmen sich mit ihren Problemen an die Community wenden. Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen suche Konzepte für einen neuen Haushaltsroboter. Anstatt auf die beschränkte Anzahl eigener Ingenieure zurückzugreifen, ruft es daher eine Challenge über RoboPORT aus und verspricht den besten Konzepten ein Preisgeld. Nun kann sich jeder Plattformnutzer, den das Thema interessiert, an die Arbeit machen und Vorschläge bis hin zu 3D-Modellen oder sogar fertigen Prototypen liefern. Dabei können auch die Ergebnisse anderer Nutzer angesehen, kommentiert und bewertet werden. Hoch bewertete Beiträge fallen dem Auftraggeber natürlich eher ins Auge. Am Ende winken neben dem Preisgeld auch die Anerkennung der Community sowie die Aufmerksamkeit potenzieller Arbeitgeber, die hier live verfolgen können, wer qualitativ hochwertige Ergebnisse liefert. Aus der Sicht des Auftraggebers besteht der größte Vorteil darin, Zugriff auf hochmotivierte Entwicklerinnen und Entwickler mit verschiedensten Hintergründen, Perspektiven und Talenten zu erhalten.

Was bringt die Zukunft?

Ab dem 19. Juni 2018, pünktlich zum Start der Messe »Automatica« in München, geht die Alpha-Version der RoboPORT-Plattform online. Alpha-Nutzern stehen erste Events und Challenges zur Verfügung, während die Entwicklung der Plattform weiter vorangetrieben wird.

Wie könnte das Crowd-Engineerings in der Zukunft aussehen? Werden in Zukunft Ingenieure von zu Hause arbeiten – und nur noch an Projekten, welche sie interessieren? Und werden derartige Projekte in Zukunft noch von Firmen finanziert oder dezentral über Crowdfunding? Die weiteren Entwicklungen des Crowd-Engineerings haben Auswirkungen darauf, in welche Richtung die technologische Weiterentwicklung in unserer Gesellschaft fortschreitet. Spannende Themen wie Raumfahrt oder der Kampf gegen die globale Erwärmung könnten Geldgeber wie auch Tüftler anlocken und so ungeahnte Resultate hervorbringen.

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Adrian Barwasser

Adrian Barwasser ist ehemaliger Entwicklungsingenieur und nun Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IAO. Seine Begeisterung gilt der Produktentwicklung. Im Team »Digital Engineering« erforscht er Wege, wie sich im Zeitalter von Industrie 4.0 innovative Produkte entwickeln lassen.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE)
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