Klimacheck – Blogreihe zum betrieblichen Klimaschutz

Klimacheck – Blogreihe zum betrieblichen Klimaschutz
Klimaschutz ist ein spannendes sowie komplexes Thema zugleich und stellt Unternehmen und insbesondere KMU vor Herausforderungen, Fragezeichen und nicht zuletzt zukunftsweisende Chancen. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe »Klima-Impact« des Fraunhofer IAO hat die Blogreihe »Klimacheck« gestartet, um Orientierung zum Thema betrieblicher Klimaschutz zu geben und Unternehmen anhand von Handlungsempfehlungen und Praxisbeispielen zu ermutigen, ihren Beitrag für eine klimabewusste Zukunft zu leisten.

»Practice what you preach« ist ein geflügeltes Wort im Englischen, das im Deutschen etwa der Redewendung »Lasst Worten Taten folgen« entspricht. Daran habe ich gedacht, als es daran ging, meine Reise zum Electric Vehicle Summit zu planen, einer Elektromobilitäts-Konferenz, die vor zwei Wochen in Oslo stattfand. Mit unserer Forschungsarbeit helfen mein Team und ich Unternehmen dabei, ihre betriebliche Mobilität klimaneutral(er) zu gestalten – warum also nicht mit gutem Beispiel vorangehen und selbst so umweltfreundlich wie möglich nach Norwegen reisen? Ein Erfahrungsbericht.

Was läge intuitiv näher als die Reise zum Electric Vehicle Summit mit einem batterieelektrischen Fahrzeug zu bewältigen? Natürlich, vom Süden Deutschlands bis zum 59. Breitengrad – das ist schon eine Strecke. Mit unserem Dienstwagen hätte eine rein elektrische Autofahrt jedoch neun Ladestopps bei einer Fahrzeit von knapp 18 Stunden und rund 6 Stunden Ladezeit bedeutet (Quelle: PUMP App). Ich wäre also länger als einen Tag unterwegs gewesen. Von Seiten der Reisestelle erhielt ich zunächst ein Angebot zur An- und Abreise mit dem Flugzeug. Dies ist ab Stuttgart jedoch nur als Umsteigeverbindung möglich, bspw. via Frankfurt. Das günstigste Angebot für solch eine Verbindung mit einer Reisezeit von 4 Stunden lag bei 470 Euro, was fortan die Referenz für das wirtschaftlich und zeitlich günstigste Reisemittel darstellen würde. Bemerkt sei an dieser Stelle, dass eine Kombination aus ICE nach Frankfurt und Weiterflug von dort die Reisezeit zwar um zwei Stunden (50 Prozent) erhöht, die CO2-Emissionen aber um ca. 30 Prozent gesenkt hätte – diese intermodale Art zu Fliegen ist jedoch oft teurer als reine Flug-Flug-Verbindungen. Nachdem ich darum gebeten hatte, die Reise einmal mit dem Zug durchzuplanen, hat sich gezeigt, dass hierfür (mangels geeigneter Nachtzugverbindungen) auf Hin- und Rückfahrt je eine zusätzliche Übernachtung in Kopenhagen bzw. Göteborg nötig sei.

In der nachfolgenden Tabelle (siehe Abbildung 1) sind für alle oben andiskutierten Reiseoptionen die Reisedauer pro Strecke und der dazugehörige CO2-Fußabdruck (Hin- und Rückfahrt) dargestellt.

Abbildung 1: Stuttgart-Oslo-Stuttgart: CO2-Emissionen und Reisedauern potenziell nutzbarer Verkehrsmittel. (Quelle: eigene Recherchen)

Abbildung 1: Stuttgart-Oslo-Stuttgart: CO2-Emissionen und Reisedauern potenziell nutzbarer Verkehrsmittel. (Quelle: eigene Recherchen)

 

Für meine Reise nach Oslo war die Zugfahrt unter Einsatz meiner Bahncard 50 und der Buchung des »Super Sparpreis Europa« auf einem Streckenabschnitt (Göteborg – Stuttgart für 85 Euro) ca. 10 Prozent günstiger als die o.g. Flugpreise (ohne Rabattkarte wäre die Fahrt mit dem Zug jedoch rund 30 Prozent teurer gewesen als der Referenzpreis) – die zusätzlich nötigen Übernachtungen (in Summe ca. 200 Euro) sind hier nicht berücksichtigt.

Mehr Zeit und Aufwand: Bislang wenig Anreize für klimaneutrales Reisen

Will ich also auf meiner Dienstreise nach Oslo 600 Kilogramm CO2 einsparen (immerhin ca. 5 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen einer durchschnittlichen Person in Deutschland), muss ich einen zeitlichen Mehraufwand von zweimal 26 Stunden und Mehrkosten in Höhe von 130 Euro in Kauf nehmen. Das ergibt dann wohl einen CO2-Preis von -0,28 Euro je Kilogramm – dabei sollte dieser im Jahr 2022 doch eigentlich bei +0,03 Euro liegen. Ich weiß, der Vergleich hinkt, dennoch zeigt er, dass aktuell wenig Anreize für CO2-sparendes Verhalten existieren. Auf der Haben-Seite bekomme ich pro Strecke aber neben einem guten Gewissen immerhin bis zu 16 Stunden effektive Arbeitszeit im Zug und kann mir zumindest die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Kopenhagen und Göteborg ansehen.

Apropos Zugangebot in Europa: Hier besteht weiterer Entwicklungsbedarf, bspw. was die Vereinheitlichung und Digitalisierung anbelangt: So war es etwa weder unserer Reisestelle noch mir selbst am Bahnhof möglich, für die Fahrten zwischen Kopenhagen und Oslo eine Sitzplatzreservierung zu buchen. Und auch das digitale Ticket im DB Navigator war mir nur für die Fahrt von Stuttgart nach Kopenhagen vergönnt. Für alle folgenden Reiseabschnitte musste ich auf die auf Thermopapier gedruckten BahnTix zurückgreifen – ein ungewohnter Komfortverlust und darüber hinaus wahrscheinlich auch weniger umweltfreundlich.

Warum alternative Reisemöglichkeiten zum Fliegen trotzdem angeboten werden sollten

Aus Unternehmenssicht stellt sich daher die Frage, warum den Mitarbeitenden eine andere Reisemöglichkeit als der wirtschaftlich und zeitlich günstigsten schmackhaft gemacht werden sollte. In diesem Kontext gibt es im Wesentlichen drei mögliche Treiber:

  • Klimaneutralität im gesamten Unternehmen: Wenn dies als Ziel in der Unternehmensstrategie verankert ist, müssen mittelfristig auch CO2-Emissionen des Scope 3 nach GHG-Protokoll entfallen und damit auch Dienstreisen klimaneutral gestaltet werden. Und dass es Klimaneutralität nicht zum Nulltarif gibt, sollte allen, die sich dorthin auf den Weg machen, bewusst sein. Dementsprechend wären Mehrkosten hier wohl akzeptabel – Unternehmen in kostensensitiven Branchen wird dies aber nicht zum Umsteigen bringen, was mich zum nächsten Punkt bringt.
  • Kosteneinsparungen: Selbst, wenn man als CO2-Preis einen Wert von 180 Euro pro Tonne CO2 annimmt, wie es bspw. das Umweltbundesamt und Fridays for Future fordern, reicht das nicht ganz, um Kostenparität zwischen Flugreise und Zugreise inkl. zwei zusätzlicher Übernachtungen herzustellen. Wahnsinnig weit liegen beide Varianten dann aber nicht mehr auseinander. Und wie ich von einem Kollegen erfahren habe, der ebenfalls in Oslo war, können die Flüge je nach Buchungs- und Reisezeitpunkt schnell auch mal deutlich teurer werden und bis zu 700 Euro kosten. Im Gegenzug ließen sich die Kosten der Zugreise durch weitere Sparpreis-Buchungen noch weiter reduzieren. Mit Nachtzügen ließen sich eventuell auch die Hotelübernachtungen einsparen. Addiert man zu den Flügen dann auch noch die oftmals nötigen Taxikosten von bis zu 100 Euro, kann der wirtschaftliche Vergleich schnell zugunsten der Zugfahrt kippen. Unternehmen können also durchaus Geld einsparen und gleichzeitig etwas für die eigene CO2-Bilanz tun. An dieser Stelle dürfen sich aber v. a. Entscheidungstragende in der Politik angesprochen fühlen.
  • War for Talents: Mehr Flexibilität bei der Dienstreiseplanung kann die Arbeitsplatzattraktivität erhöhen. Dies gilt nicht zwingend nur im Bereich der Mitarbeitendenmobilität, wo immer mehr Unternehmen auf flexible und digital verwaltete Mobilitätsbudgets setzen. Auch bei Dienstreisen kann eine freie Verkehrsmittelwahl die Mitarbeitendenzufriedenheit steigern – ich jedenfalls bin sehr dankbar, dass mein Arbeitgeber mir diese Freiheit gibt. Gleichzeitig hätte ich mir noch mehr Ermutigung gewünscht – bspw. durch die Übernahme der zusätzlichen Übernachtungskosten. Weitergedacht könnten Mitarbeitende durch ihre umweltfreundliche Reisemittelwahl Bonuspunkte sammeln, die sie dann bspw. gegen ein privat nutzbares Mobilitätsbudget (siehe Leselinks) einlösen könnten.

Was bedeutet all das für das betriebliche Mobilitätsmanagement?

Meine Ausführungen sollten gezeigt haben, dass auch eine größere Dienstreise gut mit dem Zug absolviert werden kann. Habe ich also als Unternehmen bzw. als Mobilitätsmanagerin oder Mobilitätsmager das Ziel, die betriebliche Mobilität klimaneutral zu gestalten, komme ich kaum umhin, diesen Hebel zu nutzen. Daher sollte bei der Reisebuchung mindestens eine Transparentmachung der verursachten CO2-Emissionen je Verkehrsmittel erfolgen, besser noch: Anreize für eine umweltfreundliche Verkehrsmittelwahl geschaffen werden. Im ersten Schritt würde es hier reichen, dafür zu sorgen, dass Personen, die sich für eine Zugreise entscheiden, zumindest keine Nachteile entstehen. Der zweite Schritt wäre dann die Schaffung von Anreizen, bspw. über ein Amortisationsmodell für BahnCards, sodass eine dienstliche Nutzung des Zugverkehrs auch die private Nutzung der Bahn vergünstigt. Auch die bereits erwähnten Mobilitätsbudgets können hier eine Lösung sein. Sollten Sie bei der Konzeption solcher Anreizmodelle und Benefits Unterstützung benötigen, wenden Sie sich gerne an das Team »Mobility Ecosystems« am Fraunhofer IAO (siehe Leselinks).

Übrigens: Der oben erwähnte Kollege hatte auf seiner Rückreise von Oslo mit einem annullierten Flug zu kämpfen und hat ungeplant eine Nacht in einem Hotel in Frankfurt verbracht (natürlich in der Innenstadt, wo ihn die Fluggesellschaft mit dem Taxi hin kutschiert hat – also nochmal 3 Kilogramm CO2 on top!). Meine vier Bahnreisetage hingegen verliefen, mit Ausnahme einer leichten Verspätung auf der Hinfahrt, ohne Probleme! Daher noch ein Tipp zum Abschluss: Umsteigezeiten von nur 18 Minuten auf internationalen Fahrten vermeiden, wenn möglich.

Leselinks:

Felix Röckle

Studierter Wirtschaftsingenieur und Innovationsmanager, der Ineffizienz nicht ausstehen kann. Deshalb forscht er am Fraunhofer IAO zu effizienten Lösungen für die Mobilitätsherausforderungen von morgen. Auch privat viel unterwegs – in der Stadt am liebsten mit dem Fahrrad.

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Kategorien: Future Mobility, Nachhaltigkeit
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