»Elektrofahrzeuge eignen sich nicht für meinen Alltag«, rufen mir Besucher unseres Instituts immer wieder zu. »Das Laden ist viel umständlicher als das Tanken!« »Stimmt«, muss ich dann sagen. Heute ist das Laden von Elektrofahrzeugen in der Tat noch sehr aufwendig – in Zukunft dürfte sich dieses Thema jedoch von selbst erledigen.

Tatsächlich muss man sich als (neuer) Fahrer eines Elektrofahrzeugs heute immer noch einige neue Verhaltensweisen antrainieren. Das Checken der Route vorab zählt beispielsweise dazu: Wie viele Kilometer will ich zurücklegen? Wie viele Kilometer schafft die Batterie meines Automobils? Verträgt sich die zweite Antwort ärgerlicherweise nicht mit der ersten, stellen sich weitere Fragen: Wo kann ich am Zielort oder entlang meiner Route laden oder welche Lademöglichkeit lässt sich wenigstens mit einem vertretbaren Umweg erreichen? Und mittlerweile am wichtigsten, da die Gefahr einer nicht passenden Steckdose inzwischen zum Glück gebannt ist: Lässt sich die Ladezeit für Erledigungen oder andere sinnvolle Tätigkeiten nutzen oder dauert das Laden zur Bewältigung meines Fahrwegs derart lange, dass ich selbst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln immer noch schneller unterwegs bin als mit dem eigenen Automobil? Elektrofahrzeuge stellen ihre Nutzer heute vor komplexe logistische Herausforderungen.

Das Warten hat ein Ende: Ladeinfrastrukturen der Zukunft

So langwierig und planungsbedürftig das Laden heute ist, so einfach und schnell wird es schon in wenigen Jahren funktionieren – und dies nicht nur für amerikanische Fabrikate. Nach der Erhöhung der Reichweiten ihrer Elektrofahrzeuge schaffen die deutschen und andere europäische Automobilhersteller nun die Voraussetzungen für hohe und besonders hohe Ladeleistungen von 100 kW über 150 kW bis hin zu 350 kW. Auf der anderen Seite stellen Produzenten von Ladestationen sowie Energieversorgungsunternehmen die notwendige Infrastruktur zur Verfügung, mit der für das Füllen auch großer Batterien nur 30 Minuten oder sogar noch weniger Zeit erforderlich ist. Zu sehen ist eine solche Ladestation beispielsweise bei uns am Fraunhofer-Institutszentrum Stuttgart. Für den Moment freue ich mich jedenfalls, mit meinen Besuchern schon bald über den Komfort von induktivem Laden und die Einnahmemöglichkeiten durch bidirektionale Energieübertragung sprechen zu können, weil lange Ladezeiten dann schon gar kein Gesprächsthema mehr sein werden.

Das neue Lade-Lebensgefühl: berührungslos und netzdienlich mit bidirektionalem, in-duktiven Laden

Schon in absehbarer Zeit wird es genügen, das Automobil lediglich abzustellen, auszusteigen und einfach wegzugehen. Trotzdem wird sich die Reichweite wieder zügig erhöhen oder es wird zusätzliche, kostengünstige Energie für Geräte zu Hause oder generell für das Stromnetz zur Verfügung stehen – dank bidirektionalem, induktiven Laden. Die berührungslose Energieübertragung ist auch in der heimischen Garage möglich, sodass man zum Laden mit dem Wagen gar nicht mehr nach draußen muss. Sofern sinnvoll lässt sich sogar Energie aus der Fahrzeugbatterie entnehmen und für Anwendungen im Haushalt nutzen. Dies wird einmal dazu beitragen, Strom aus erneuerbaren Energiequellen noch besser auszunutzen.

Induktives Laden: Schlüsseltechnologie zur Nutzerakzeptanz

Derzeit beobachten wir den Trend sinkender Preise und steigender Reichweiten. Automobile mit elektrischem Antriebsstrang werden also in den kommenden Jahren konkurrenzfähig zu solchen mit konventionellen Motoren. Das induktive Laden, dessen nennenswerte Verbreitung ab Beginn des kommenden Jahrzehnts zu erwarten ist, könnte für den endgültigen Durchbruch der Elektrofahrzeuge sorgen. Induktive Ladestationen mit hoher Leistung und in absehbarer Zeit kaum mehr nennenswerten Zusatzkosten lassen sie sich auch ohne großen Aufwand in vielen Immobilien installieren. Spätestens dann müssen wir unseren Kindern wirklich erklären, wie unbequem das Laden oder gar das Tanken einmal war.

Aktuelle Forschungsergebnisse und Praxisbeispiele aus Industrie und Wissenschaft zum Laden von Elektrofahrzeugen präsentieren wir am Fraunhofer IAO im Rahmen des 2. Symposiums »Innovative Ladetechnologien in der Praxis — Elektromobilität und Micro Smart Grid« am Mittwoch, 18. Oktober 2017 in Stuttgart.

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Daniel Borrmann

Beschäftigt sich mit der Beurteilung und der Anwendung von Technologien der Mobilitätswende, Aufbau und Antrieb elektrischer Fahrzeuge sowie Ladeinfrastruktur gehören zu den Lieblings-Themen. Dort forscht Daniel Borrmann auch gemeinsam mit seinen zwei Kollegen Florian Albert und Fabian Edel im Bereich der agilen Fahrzeuggestaltung. Dabei untersuchen sie neuartige Fahrzeugkonzepte, einzelne technologische Fahrzeugkomponenten und innovative Materialien genauso wie Schnittstellen zwischen Mensch und Fahrzeug. Als Teil des Teams »Mobility Concepts and Infrastructure« arbeiten sie somit tag täglich an cleveren Ideen für die Fortbewegung von morgen.

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