Der »Carbon Lock-in« und die Elektromobilität

Deutschland diskutiert, profitiert und leidet unter der Energiewende; je nach Gesprächspartner und Geschäftssituation.

Unabhängig von Wehwehchen wie 6€ mehr pro Monat für Strom (das hat mir gerade mein Ökostromanbieter mit Fingerzeig auf die Bundesregierung und »deren« Öko-Umlage mitgeteilt) ist die Energiewende – und die zugehörigen Prozesse – aus ökonomischer Sicht hochinteressant.

Dem vorhandenen Energiesystem (Kraftwerksparks, Netzstruktur etc.) liegt nämlich ein ökonomischer Effekt, ein technologischer Lock-in zugrunde. Unter Lock-in versteht man die Situation, in der (technologisch) überlegene Güter nicht in den Markt kommen, weil dieser durch das schlichte Vorhandensein einer Alternative auf diese fixiert ist.

Fixiert deswegen, weil die Kosten für die Erstellung der Alternative schon bezahlt wurden und damit »versunken« sind, also nicht mehr zurückgeholt werden können. Genau das ist beim hierarchisch strukturierten Energienetz auf der Basis fossiler Kraftwerke der Fall. Der Spezialfall, bei dem ein technologischer Lock-in auf der Basis von fossilen Energieträgern vorliegt, wird auch Carbon Lock-in genannt (nach dem Wissenschaftler Gregory C. Unruh, der ihn in seiner Dissertation untersuchte).

Die deutsche Gesellschaft hat sich mit der Energiewende auch für einen Ausstieg aus diesem Carbon Lock-in entschieden. Der ist nicht kostenlos zu haben, auch wenn das Bürger erwartungsgemäß anders sehen; auch ist das Fingerzeigen auf die ach-so bösen Energiekonzerne nur begrenzt zweckmäßig. Unternehmen denken naturgemäß ökonomisch, sie sind nicht den Wählern Rechenschaft schuldig. Natürlich bin auch ich Fan der Energiewende. Ökonomisch sinnvoll ist sie aktuell trotzdem nicht, da das alte System (wie oben beschrieben) »leider« schon bzw. noch da ist. Würden die Energieunternehmen heute ein neues Energiesystem auf grüner Wiese bauen, hätten sie also eine echte Wahl, würden sie zu den Regenerativen Energien und zu einer dezentralen Struktur greifen.

In der Mobilität ist es genauso. Der Lock-in auf das System Benzin/Diesel besteht, wie auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen befürchtet. Damit meine ich nicht nur Autos, sondern genauso Tankstellen, die ganze Logistik dahinter und nicht zuletzt unsere Gewohnheiten. Es ist kein ehernes Gesetz, auf Strecken über 100km das eigene Auto nehmen zu müssen. Es war bloß »halt schon immer so«. Aus diesem Lock-in kommen wir auch nicht raus, wenn wir neue Elektrofahrzeuge entwickeln. Die sind zwar prima, lösen aber nur einen Teil des Problems: Mobilität ist ein System, bestehend aus Fahrzeugen, Energieträgern, Lade- und Standplatzmöglichkeiten sowie Nutzungsformen und -gewohnheiten. Es ist notwendig, alle Teile des Systems anzupacken. In Deutschland besteht ein traditioneller Fokus auf unser aller geliebtes Auto. Solange sich das nicht wandelt und auch die Allgemeinheit in der Elektromobilität ein System – und nicht nur elektrisch betriebene Fahrzeuge sieht – kommen wir nicht aus dem Lock-in heraus.

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Kategorien: Future Mobility, Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung
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