Blogreihe Doppelte Transformation
Im Projekt »Erfolgsfaktoren gelingender doppelter Transformation« untersucht das Fraunhofer IAO gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung, wie deutsche mittelständische Unternehmen mit den Herausforderungen der digitalen und nachhaltigen Transformation (also der doppelten Transformation) umgehen, welche Treiber und internen Akteure die doppelte Transformation in Gang setzen und welche Prozesse, Strategien und Entscheidungswege für eine erfolgreiche Umsetzung der doppelten Transformation im Unternehmen notwendig sind.

Letzte Woche haben wir ein sehr inspirierendes und intensives Kick-off des Projekts »Lernnetzwerk doppelte Transformation« bei der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh begleiten dürfen. Die Idee der doppelten Transformation bzw. der »twin transformation« ist es, die nachhaltige Transformation der Unternehmen durch Digitalisierungsinitiativen »nach vorne«, miteinander verwoben und synergetisch umzusetzen. Beide Transformationsrichtungen sollen dabei bestmöglich miteinander verschränkt werden und sich damit im besten Fall gegenseitig verstärken. Bisher, das zeigte auch die vorausgegangene Metastudie, die das Fraunhofer IAO vor knapp einem Jahr vorgelegt hatte, werden beide Transformationsstränge häufig parallelisiert und wenig abgestimmt vorangetrieben.

Die externen Rahmenbedingungen sind starke Treiber für Nachhaltigkeitsbemühungen:
Dazu gehören die CSRD-Berichtslegungspflichten (CSRD steht für »Corporate Sustainability Reporting Directive«, auf Deutsch: »Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung«), ESG-Kritierien (ESG bedeutet »Environmental Social Governance«, zu Deutsch: »Umwelt, Soziales und Unternehmensführung«) basierte Kreditvergabebedingungen oder auch der Druck von Marktpartnern;

…genauso wie der von innen kommende Antrieb durch unternehmenseigene Werte gerade bei familienorientierten, mittelständisch orientierten Unternehmen mit eher »enkeltauglichen« Entscheidungsprinzipien und Vorgehensweisen. Die hierunter subsummierten, häufig längerfristig angelegte und nicht am Kapitalmarkt und dessen kurzfristigen Berichtspflichten und Stakeholderinteressen orientierte Unternehmenspolitik scheint die notwendige Langfristigkeit von Nachhaltigkeitsbemühungen zu beflügeln;

Die veränderte Präferenzstruktur der (zukünftigen) Mitarbeitenden und deren Initiativen von unten sind zumindest teilweise ebenfalls starke Treiber. Allerdings wurde auch davor gewarnt, den täglichen Arbeitskontext mit zu vielen expliziten Nachhaltigkeitsbemühungen zu überfrachten. Hier scheint der Grat zwischen einer stark wertebasierten Unternehmenspolitik und -kultur und einer von Toleranz geprägten Haltung durchaus schmal zu sein. Die Debatte dazu war spannend und kontrovers.

Eine sehr wirksame Strategie besteht darin, Nachhaltigkeit von vornherein in den Prozess einzubauen und im Zweifelsfall gar nicht als getrennte Tätigkeit auszuweisen. Dies gelingt z. B., wenn entsprechende Kennwerte in Spezifikationsraster neuer Produkte eingebaut werden, denen die Ingenieure sich stellen müssen. Allein die Existenz dieser Kriterien verändert den Blick auf das Thema hin zu einer ganzheitlichen Perspektive, die letztlich zu völlig neuen Produktansätzen und Geschäftsmodellen führen kann;

Der Nachhaltigkeitsmanager allein macht noch keine gelingende twin transformation; er ist im besten Fall Initiator und Koordinator einer Vielzahl von Initiativen und auch die Schnittstelle z. B. zu den KollegInnen, die für die Nachhaltigkeitsberichterstattung arbeiten. Wer aber glaubt, diese Funktion in Form eines Feigenblattes allein dadurch ausfüllen zu können, dass eine Person mit diesem Titel versehen ist, verschenkt viel Potenzial für Image, Innovation und Resilienz.

Das Bild zeigt die Votings der Teilnehmenden in einer Anfangsrunde in der Übersicht. Ein aufschlussreiches Schlaglicht auf die aktuelle Situation.

Voting der Teilnehmenden in Bezug auf Aktivitäten Ihrer Unternehmen

Voting der Teilnehmenden in Bezug auf Aktivitäten Ihrer Unternehmen

Die ganz persönliche Haltung und Verhaltensweisen unserer Lernreisenden sind durchaus von auch bewusst erlebten Widersprüchen geprägt. Wir haben unsere Gesprächspartner auch nach ihren ganz persönlichen Verhaltensformen in Bezug auf Nachhaltigkeit gefragt. Das Ergebnis:

Im privaten Bereich wird schon einiges getan: Klimafreundliche Geschäftsreisen, Ökostrom für den Privathaushalt, der Kauf lokaler oder regionaler Produkte – hier gab es eine große gemeinsame Schnittstelle individueller Bemühungen. Aber auch viel Ehrlichkeit – Motorradtouren über die Alpen, die Ferienreise nach Mallorca, etc. erschienen zu attraktiv. Ein systematisches Monitoring z. B. durch die Ermittlung des persönlichen CO2-Fußabdruckes wird im Kreis der Teilnehmenden nur in geringem Umfang realisiert.

Die hierzu gehörige Debatte führte auch zur Bedeutung der zugrundeliegenden Werthaltungen und inneren Einstellungen. Auch inspiriert vom Vortrag von Stephan Grabmeier, der einen eindringlichen Appell an die Anwesenden richtete, die eigene Haltung, den Wertekompass und Grundüberzeugungen vor dem Hintergrund der Herausforderungen radikal zu hinterfragen.

Schon der erste Termin hat gezeigt, dass die twin transformation kein Selbstläufer ist. Uns wurde erneut vor Augen geführt, wie groß die Herausforderungen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen und Prioritäten sind – und wie wichtig es ist, sich über gangbare Wege, erlebte Erfolge und Stolpersteine ehrlich auszutauschen. In den kommenden Terminen werden wir uns näher mit Fragen von Führung und Governance, Monitoring und Bilanzierung, Kultur und Verhalten sowie über die Hebelwirkung nachhaltiger Innovationen und Geschäftsmodelle für das Ziel der Nachhaltigkeit und den katalysierenden Einfluss der Digitalisierung austauschen.

Und was hat das nun mit Engeln zu tun? Gerne löse ich das zum Schluss noch auf. Im Bewertungsplakat wurde aus der oben beschriebenen »Enkeltauglichkeit« die »Engelstauglichkeit«, ein Tippfehler, aber ein schöner. Hierzu entstand eine amüsierte Diskussion und letztlich die Erkenntnis, dass beides doch irgendwie in die gleiche Richtung zielt…

#BertelsmannStiftung #Nachhaltigkeit #SDG #twintransformation

Voting der Teilnehmenden in Bezug auf Ihr persönliches Verhalten zur Stärkung der Nachhaltigkeit

Voting der Teilnehmenden in Bezug auf Ihr persönliches Verhalten zur Stärkung der Nachhaltigkeit

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Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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Kategorien: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, New Work / Connected Work
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