In den letzten Jahren hat Künstliche Intelligenz (KI) erhebliche Fortschritte gemacht und ganze Branchen revolutioniert, Verfahren rationalisiert und die Entscheidungsfindung verbessert. Mit der Weiterentwicklung und Verbreitung von KI-Systemen ist jedoch ein entscheidendes Problem aufgetaucht – das Problem der »Blackbox«. Dieses Problem stellt den Mangel an Transparenz und Verantwortlichkeit in den Entscheidungsprozessen von KI-Systemen in Frage. Hier kommen Methoden aus dem Bereich der Erklärbare KI (XAI) ins Spiel. Diese ermöglichen es, die Entscheidungsfindung von KI-Algorithmen verständlich zu machen. In diesem Blogbeitrag werden wir die Bedeutung, die Techniken, die Herausforderungen und die realen Anwendungen von XAI untersuchen.

Das Blackbox-Problem

Stellen Sie sich vor, Sie beantragen einen Kredit, und Ihr Antrag wird von einem KI-gesteuerten Kreditscoring-System abgelehnt. Sie fragen sich, warum Ihr Antrag abgelehnt wurde, aber das System liefert keine Erklärung. Dieser Mangel an Transparenz kann zu Frustration und Misstrauen gegenüber KI-Systemen führen. Das Problem liegt in der Komplexität vieler KI-Algorithmen, die für den Menschen schwer zu interpretieren sind. Aktuell verbreiteten Verfahren des maschinellen Lernens, wie z. B. tiefe neuronale Netze, arbeiten oft als »Blackbox«, sodass es schwierig ist, zu erkennen, wie sie zu ihren Entscheidungen kommen.

Der Bedarf an erklärbarer KI

XAI zielt darauf ab, dieses Problem durch die Entwicklung von Methoden und Werkzeugen zu lösen, die einen Einblick in den Entscheidungsprozess eines KI-Modells ermöglichen. Hier sind einige zwingende Gründe, warum XAI von großer Bedeutung ist:

Transparenz und Vertrauen: Das Vertrauen in KI-Systeme ist in so wichtigen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, dem Bankwesen und autonomem Fahren unerlässlich. Erklärbare KI trägt zur Vertrauensbildung bei, indem sie offenlegt, wie sie zu ihren Entscheidungen kommt. Nutzende sind eher geneigt, Empfehlungen zu glauben und zu akzeptieren, wenn sie die Gründe für KI-Vorhersagen nachvollziehen können.

Rechenschaftspflicht: In Szenarien, in denen eine KI Auswirkungen auf das Leben von Menschen hat oder wichtige Entscheidungen trifft, ist Rechenschaftspflicht unerlässlich. Wenn KI erklärbar ist, wird es einfacher, Fehler, Vorurteile oder unbeabsichtigte Folgen zu erkennen und Entwicklerinnen und Entwickler sowie Unternehmen für das Verhalten der KI verantwortlich zu machen.

Abschwächung von Verzerrungen: KI-Modelle können unbeabsichtigt Vorurteile aus Trainingsdaten lernen. Erklärbare KI-Tools ermöglichen es Forschenden, diese Verzerrungen zu überprüfen und zu korrigieren, um Fairness und Gerechtigkeit in KI-Anwendungen zu fördern.

Methoden der XAI

XAI kann auf verschiedene Methoden zugreifen. Eine der einfachsten Erklärungsmethoden besteht darin, die einflussreichsten Merkmale oder Variablen zu ermitteln, auf die sich ein KI-Modell stützt, um Vorhersagen zu treffen. Dies hilft den Nutzenden zu verstehen, welche Aspekte der Daten die Entscheidungen beeinflussen. Lokale Modelle konzentrieren sich auf die Erklärung einer bestimmten Vorhersage. Techniken wie LIME (Local Interpretable Model-agnostic Explanations) schaffen einfache, interpretierbare Modelle, um das Verhalten komplexer KI-Modelle für einzelne Instanzen zu approximieren. Visuelle Darstellungen wie Diagramm der relativen Variablenwichtigkeit, SHAP-Werte (SHapley Additive ExPlanations) und Salienz Karten GradCAM bieten wiederum intuitive Erklärungen für KI-Vorhersagen.

Anwendungen von XAI

In vielen Bereichen sind KI-Anwendungen bereits im Einsatz. Die folgende Auflistung zeigt, wo und warum es gerade hier besonders wichtig ist, Transparenz zu schaffen, wie die KI dahinter funktioniert:

1. Diagnose im Gesundheitswesen: In der medizinischen KI kann XAI-Erklärungen dafür liefern, warum eine bestimmte Diagnose gestellt oder eine Behandlungsempfehlung ausgesprochen wurde. Diese Transparenz ist entscheidend, um das Vertrauen von medizinischem Fachpersonal und Patienten zu gewinnen.

2. Finanzen und Risikobewertung: In der Finanzbranche kann XAI erklären, warum ein Kreditantrag angenommen oder abgelehnt wurde oder warum eine bestimmte Anlageempfehlung ausgesprochen wurde, was eine bessere Risikobewertung und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ermöglicht.

3. Juristische Entscheidungshilfe: XAI kann Anwälten und Richterinnen helfen, die Gründe für juristische Entscheidungen zu erläutern, komplexe juristische Dokumente zu interpretieren und relevante Rechtsprechung sowie Präzedenzfälle zu identifizieren.

4. Autonome Fahrzeuge: Selbstfahrende Autos und Drohnen können von XAI profitieren, um ihre Entscheidungsprozesse den Passagieren oder Betreibern zu erklären, insbesondere in Situationen, in denen die Sicherheit an erster Stelle steht.

5. Chatbots im Kundenservice: XAI kann Chatbots verbessern, indem sie detaillierte Erklärungen für ihre Antworten liefert und so sicherstellt, dass die Nutzenden die Gründe für die erhaltenen Informationen oder Ratschläge verstehen.

6. Fertigung und Qualitätskontrolle: Künstliche Intelligenz wird heute schon eingesetzt, um Produktionsprozesse zu überwachen und fehlerhafte Bauteile zu identifizieren. Durch XAI können die Entscheidungen der eingesetzten Algorithmen auch für Mitarbeitende der Produktion transparent dargestellt werden. Aktuelle Methoden für erklärbare KI wurden in Zusammenarbeit mit Audi im Rahmen der Automotive Initiative 2025 (AI25) evaluiert. Dazu wurde das Verfahren »Grad-CAM« eingesetzt, um die Ergebnisse eines KI-Modells zur optischen Überprüfung von Teilen im Presswerk transparent zu machen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden mittlerweile aktiv genutzt. Mitarbeitende in der Produktion können die eingesetzten KI-Modelle jetzt auch ohne Konsultation mit den Machine-Learning Experten der IT interpretieren und selbstständig Rückschlüsse ziehen.

7. Aufdeckung von Betrug: XAI kann Erklärungen dafür liefern, warum eine bestimmte Transaktion als potenziell betrügerisch eingestuft wird, was den Ermittelnden hilft, die Gründe für die Warnungen zu verstehen.

Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Obwohl XAI bedeutende Fortschritte gemacht hat, ist sie nicht ohne Herausforderungen:

Zielkonflikte: Häufig besteht ein Kompromiss zwischen Modellkomplexität und Erklärbarkeit. Die Vereinfachung eines Modells aus Gründen der Interpretierbarkeit kann zu einer geringeren Leistung führen.

Skalierbarkeit: Kleinere Deep Learning-Modelle, die nur wenige Schichten haben, können beschrieben werden. Aber der Fortschritt in der KI, wie z.B. Large Language Models LLM, hat die Aufgabe der XAI komplexer und schwieriger gemacht.

Benutzerfreundliche Werkzeuge: Die Entwicklung zugänglicher, benutzerfreundlicher XAI-Tools, die in bestehende KI-Systeme integriert werden können, ist für die praktische Anwendung unerlässlich.

Ethische Erwägungen: XAI kann Verzerrungen in KI-Modellen aufzeigen, aber der ethische und effektive Umgang mit diesen Verzerrungen bleibt ein komplexes Thema.

Einhaltung gesetzlicher Vorschriften: Die Anpassung an sich entwickelnde Vorschriften und die Gewährleistung der Einhaltung dieser in verschiedenen Branchen ist ein ständiges Unterfangen.

Sie möchten erklärbare KI bei sich im Unternehmen einsetzen oder möchten tiefer in die Thematik einsteigen? Dann sprechen Sie mich gern an – hier im Blog über den Kommentar oder direkt über meine Kontaktdaten.

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Dharmil Mehta

Dharmil arbeitet am Fraunhofer IAO KODIS als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Deep Learning und er forscht zu Themen wie Explainable AI, Computer Vision, Few Shot Learning. Er ist Dozent für Big Data und Datenbanken an der DHBW Heilbronn.

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Kategorien: Künstliche Intelligenz, New Work / Connected Work
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