Wir denken und merken uns Informationen in Bildern – aber die häufigste Form der Vermittlung von Informationen sind gedruckte Buchstaben. Vor allem im Bereich des betrieblichen Lernens dominieren immer noch Texte. Dabei stellt Schrift einen Medienbruch in der Kommunikation dar, der die kognitive Belastung des Rezipienten erhöht. Wir lernen also sozusagen unter erschwerten Bedingungen, denn die Erklärungen erreichen uns nicht so, wie wir sie am besten verarbeiten können – und das, obwohl im Zeitalter von youtube und Handy-Kameras bildunterstützende Alternativen bereit stehen.
Didaktisch gesehen stellt Text eine Abstraktion dar. Das belegt wissenschaftlich das zeitliche Kontiguitätsprinzip: Zum einen wird bei simultaner Präsentation korrespondierender Informationen auf zwei Sinneskanälen das Arbeitsgedächtnis entlastet. Sprich: Multimediales Lernen nimmt weniger kognitive Ressourcen in Anspruch. Zum anderen verbessert die parallel verlaufende verbale und visuelle Informationsverarbeitung den Aufbau von Makrostrukturen im Hirn. Wir prägen mit dem neu Gelernten also unsere Synapsen gleich doppelt. Die Daten-Autobahnen im Kopf werden direkt zweispurig ausgebaut, wenn wir Neues über zwei Sinne aufnehmen können.
Die neuen Medien bergen große Potenziale für eine gezielte Kombination aus zeitgleicher Darbietung bewegter Bilder und der dazugehörigen, gesprochenen Erklärung.
Aufgrund der »Consumerization«, also dem Trend, dass Wissensarbeiter ihre privaten IT-Endgeräte mit im Business-to-Business nutzen, wird auch die Bedienbarkeit der Technologien konsumergerecht und immer einfacher. So lassen sich heute kleine Erklärvideos mit wenig Aufwand als wertvolle Alternative zu abstrakten Textgebilden gestalten.
Zeit, sich diese Argumente für die Erhöhung des Lernerfolgs zu Nutze zu machen. Wie gut sich Botschaften in Erklärvideos verpacken lassen, beweist der aktuelle Hype um Simpleshow.
Wie eine Umsetzung kleiner Schulungsvideos im E-Learning aussehen kann, können Sie sich hier ansehen.
Mein Fazit: Erklärvideos sind ein Zukunftstrend. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte – ein Video dagegen verbreitet sicher und zuverlässig eine Botschaft.
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Tags: eCollaboration, Lernen, Unternehmensentwicklung, Weiterbildung, Wissenmanagement
Ich stimme grundlegend zu, dass im Bereich des E-Learning der Einsatz von Bewegtbildinhalten ein durchaus immenses Potential darstellt. Ich würde jedoch Einschränkungen machen.
Zum einen würde ich eine erhebliche Einschränkung hinsichtlich eines Wiedernutzungsverhaltens von „Erklärvideos“ sehen, das meines Erachtens gegenüber Text doch eher eingeschränkt sein dürfte. Denn während mir ein Text die Möglichkeit gibt, stets mit relativ geringem Aufwand einzelne inhaltliche Segmente wiederaufzusuchen, gestaltet sich das beim Bewegtbild schwieriger. Auf der technischen Seite kann das sicher durch Kapitelmarken im Video-File gelöst werden. Die Schwierigkeit ist aber im Bewegtbild ein Äquivalent für das zum Auffrischen von Wissen so praktische Querlesen zu finden. Und „Querschauen“ dürfte eine erhebliche abstrakte Herausforderung für das menschliche Hirn sein.
Zum anderen würde ich noch eine Einschränkung hinsichtlich der Tauglichkeit für bestimmte Nutzergruppen vermuten. Beispiele wie das von Ihnen gepostete Schulungsvideo sind m.E. nicht geeignet für solche Nutzergruppen wie Führungskräfte Sprich, es dürfte eine nicht geringe Aufgabe sein, die richtige Videoform für die richtigen Anwender zu finden – immer auch mit der Gefahr, dass Video für manche Anwendergruppen auch als gänzlich untauglich herausstellt.
Zum Schluss würde ich noch generell eine nicht geringe Herausforderung in der Konzeption und Umsetzung von „Erklärvideos“ in verschiedenen Wissensgebieten sehen. Hier gibt es keinen Standard welche Videoform in welchem Wissengebiet besonders tauglich ist. Damit ist der Entwurf von Schulungsvideos ein nur zu geringen Teilen skalierbarer Prozess und bedarf viel Kreativität und Designarbeit. Hinzu kommt: will man Videos im E-Learning wirklich zielführend, also auf die Lernziele ausgerichtet, einsetzen, muss man eine Möglichkeit bieten, das vermittelte Wissen auch „kontrollierbar“ zu machen, also den Lernerfolg der Videos messbar zu machen. Auch das ist eine schwierige, wenn auch z.B. durch interaktive Elemente, nicht unlösbare Aufgabe.
@Matthias: Du beschreibst in deinem Kommentar die kritische Kehrseite der Medaille. Du stellst meine vermittlungsorientierte „Laudatio“ dem Aufwand gegenüber. Den wiederverwertbaren Gesamtnutzen mitzuberücksichtigen, ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht in der Praxis wohl unabdingbar. Deine aufgeworfenen Abwägungen führen in der Mehrzahl der Fälle wohl heute und auch in der Zukunft trotz fortschreitender, easy-to-use Technik zu der Variante mit den vielen Buchstaben. Dabei werden in vielen Kontexten auch zurecht die u.a. von dir beschriebenen Stärken geltend macht.
Die Intention meines Beitrags lag darin begründet, dass wir bei der Gestaltung von Lernen uns teilweise vergessen hinreichend in den Lernenden hinein zuversetzen. Ihm werden abstrakte Konstrukte präsentiert, auf die Art der Aufnahme wird kaum ein Augemerk gelegt. Nur auf dem Textkanal beschränkt, geht enorm viel „Anschaulichkeit“ verloren. Aus didaktischer und neurowissenschaftlicher Sicht beurteilt: ein im betrieblichen Lernen nicht ausgeschöpftes Potenzial! Es war ein Aufruf zu Sensibilisierung und ein Aufruf auch Kreativität in die MEdienwahl und Konzeption mit einfließen zu lassen.
Bzgl. Auffrischen von Wissen habe ich in letzter Zeit mehrfach erlebt, dass aus Lern-Videos die Tonspur extrahiert wird, weil so Wiederholung im Fitness Studio, unterwegs oder auch am Abend beim Einschlafen möglich wird. Ich finde es gleich aus drei Gründen spannend: Es ist erstens sowas wie Consumerization im Lernen, zum Zweiten Lernen wird proaktiv in Leerzeiten vorgesehsen und drittens wird Wiederholung von den Lernenden über den Audio-Kanal präferiert.
Bzgl. der Tauglichkeit von Erklärvideos würde ich aus meiner Erfahrung heraus weniger auf geeignete Zielgruppen schauen als mehr auf geeignete Nutzerszenarien Ein How-to für neue Software oder ein Video-Erklärung des Vorstands ist als kurzer Infoteaser ganz sicher auch Führungskräfte-kompatibel. Vielleicht vornehmlich bei mobilem Konsum.