Nach anfänglicher Begeisterung war der Hype um das Metaverse ziemlich schnell abgekühlt. Zu schwammig und visionär waren die Szenarien, zu unklar der kommerzielle Nutzen, unerschwinglich die Anschaffungskosten der Hardware, unausgereift die Software für den massentauglichen Einsatz. Warum das Metaverse nicht nur eine zweite Chance verdient, sondern großes Potenzial bereithält und wie Unternehmen die Umsetzung Schritt für Schritt angehen können, erläutere ich in diesem Beitrag.

Schritt 1: Einheitliches Metaverse-Verständnis schaffen

Aktuell erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Metaverse noch eher allgemein und wenig differenziert. Viele Unternehmen sehen dieses als virtuelle Spielwelt, in der bunte Avatare agieren und Menschen in eine Scheinwelt eintauchen. Jedoch ist das Metaverse besonders im Unternehmenskontext viel umfangreicher. Das Metaverse kann als ein Raum verstanden werden, der über das bestehende Universum hinausreicht, in dem der physische Raum um eine virtuelle Dimension erweitert wird. Um einen Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft darstellen zu können, gilt es den physischen und den virtuellen Raum zu verschmelzen (siehe Abbildung).

Strukturbild Metaverse (Quelle: CyberLänd Studie)

Strukturbild Metaverse (Quelle: CyberLänd Studie)

 

Durch die Verknüpfung von Vorteilen aus der realen und der virtuellen Welt lassen sich beispielsweise neue Wertschöpfungspotenziale und Geschäftsmodelle für Unternehmen erschließen.

Dazu gilt es zum einen, die Wertschöpfungselemente des physischen Raums (z. B. Infrastrukturen, Gebäude, Produkte, Personen, Wissen und Fähigkeiten oder Prozesse und Zahlungsmittel) zu virtualisieren, also im virtuellen Raum zu spiegeln. Dort können dann beispielsweise KI-basierte Simulationen durchgeführt und die bestmögliche Lösung für ein reales Problem identifiziert werden.

Zum anderen gilt es, die Erkenntnisse und Ergebnisse von Aktivitäten im virtuellen Raum in den physischen Raum zu übertragen, um dort wertschöpfende Aktivitäten zu realisieren.

Die beiden Wirkmechanismen von Virtualisierung und Realisierung stellen somit die Verbindung zwischen realem und virtuellem Raum dar und ermöglichen die Lösung realer Probleme unter Zuhilfenahme der virtuellen Welt.

Dafür werden verschiedene Technologien auf Hardware- und Softwareseite sowie passende Rahmenbedingungen und Infrastrukturen benötigt. Einige Unternehmen nutzen bereits solche Technologien, wie zum Beispiel den Digitalen Zwilling. Dadurch hat das Metaverse das Potenzial, branchenübergreifend bisher getrennte Ökosysteme miteinander zu verbinden.

Schritt 2: Potenziale des Metaverse in konkreten Anwendungsfällen aufzeigen

Viele Unternehmen entwickeln und nutzen bereits heute ein breites Spektrum an Anwendungsfällen, jedoch konzentrieren sich diese meistens auf den Einsatz weniger Technologien. Zudem sind sie selten außerhalb der unternehmensinternen Strukturen verankert und mit anderen Anwendungen am Markt interoperabel.

Im Folgenden möchte ich Ihnen einige praxisorientierte Anwendungsbeispiele vorstellen, die zwar nicht der strengen Definition des Metaverse entsprechen, aber dennoch einen Einblick in den aktuellen Stand der Technik bieten:

  • Immersive 3D-Lernerlebnisse in Science Centern und Planetarien: Durch den Einsatz von Projektoren, Lasertechnologie, Tracking, Motion Capture usw. können Besuchende aller Altersgruppen interaktive und immersiven 3D-Lerninhalte erleben, während Mitarbeitende zeitgleich in der virtuellen Welt an neuen Produktionen arbeiten können.
  • Virtualisierung von Räumen und Objekten durch Scannen mit Smartphones: Personen ohne Fachkenntnisse können Räume und Objekte mit ihren Smartphones scannen und virtuell darstellen, wodurch diese auf interaktiven Plattformen betrachtet, bearbeitet und geteilt werden können.
  • Virtuelle Produktionsplanung mithilfe Digitaler Zwillinge: Die virtuelle Planung eines neuen Werks mithilfe von Digitalen Zwillingen ermöglicht es, global vernetzten Expertinnen und Experten zeitlich unabhängig und kollaborativ an der Produktionsplanung zu arbeiten. Dies führt zu einer schnelleren, effizienteren und risikoärmeren Inbetriebnahme der Fabrik.

Die Weiterentwicklung bestehender Use Cases, besonders durch den Einsatz und die Verknüpfung mehrerer Metaverse-Technologien und die Umsetzung neuer Ideen sind entscheidend, um den Weg zu einem erfolgreichen Metaverse zu ebnen.

Schritt 3: Geschäftsmodelle durch gezielten Technologieeinsatz weiterentwickeln

Unternehmen sollten branchenübergreifend an der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und an der Interoperabilität verschiedener Anwendungen zusammenarbeiten. Insbesondere die Verknüpfung verschiedener Metaverse-Technologien wie XR, VR, KI, Blockchain, IoT und Robotik, Simulationen und Digitale Zwillinge bietet Unternehmen die Möglichkeit, die genannten Potenziale zu erschließen. Baden-Württemberg hat mit seinen zahlreichen Unternehmen aus diesen Clustern ein großes Potenzial, eine bedeutende Rolle auf dem Weg zum Metaverse zu spielen.

Schritt 4: Branchenübergreifende Kooperation vorantreiben

Weiterhin ist es entscheidend, branchenübergreifende Kooperationen zu fördern. Bestehende Netzwerke sollten als Plattformen genutzt werden, um Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen. Unternehmen sollten aktiv in solche Netzwerke eintreten und bereit sein, ihr Know-how, ihre Daten und bewährte Verfahren mit anderen Unternehmen zu teilen, um Synergieeffekte mit Partnern zu erzielen. Dies beinhaltet die Durchführung von Leuchtturmprojekten, die einen nutzenstiftenden Mehrwert bieten, sowie die Standardisierung von metaverse-relevanten Technologien, Datentypen und Protokollen. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bieten solche Kooperationen Zugang zu Fachkompetenzen, die sie allein im Unternehmen nicht aufbauen können. Daher ist es ratsam, die Bildung und den Erhalt solcher Netzwerke zu fördern.

Was sind Ihre Erfahrungen mit dem Metaverse? Wenn Sie mehr über das Thema lesen wollen, empfehle ich Ihnen einen Blick in unsere Studie zu werfen (siehe Leselinks). Und wenn Sie Unterstützung auf dem Weg in das Metaverse wünschen, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf!

Leselinks:

Nicole Caroline Gladilov

Nicole Gladilov ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme KODIS, einem Standort des Fraunhofer IAO am Bildungscampus in Heilbronn. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung und Evaluation von datengestützten Geschäftsmodellinnovationen und der Analyse von Transformationsprozessen und interessiert sich insbesondere für Fragestellungen rund um das Thema Technologieakzeptanz.

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Kategorien: Digitalisierung, Innovation, Künstliche Intelligenz, Mensch-Technik-Interaktion
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