Fixe Arbeitszeiten von 8 bis 17 Uhr. Das gehört auch in Deutschland schon lange nicht mehr zum Standard im Arbeitsleben. Flexible Arbeitszeiten geben den Mitarbeitern mehr Freiheiten zur individuellen Gestaltung ihres Privatlebens und bieten Ausgleich für berufliche Erfordernisse. Unternehmen profitieren von neuen Möglichkeiten, konjunkturelle Schwankungen im Absatzmarkt flexibel zu kompensieren. Richtig genutzt wird flexibles Arbeiten zukünftig zum Wettbewerbsfaktor für Deutschland – auch in der Produktion.
Dies zeigt auch unsere aktuelle Studie »Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0«. Hier wird klar: In Zukunft steigen die Flexibilitätsanforderungen an den Personaleinsatz. Die wichtigsten Ergebnisse habe ich hier für Sie zusammengefasst.

Volatile Märkte fordern Produktionsunternehmen

Nicht zuletzt die vergangene Wirtschaftskrise von 2009 hat gezeigt, dass die Schwankungen der Absatzmärkte in den letzten Jahren zugenommen haben. Zeiten mit geringem Auftragseingang wechseln fliegend mit Zeiten der Vollauslastung, die bis an die Grenzen des Machbaren heranreicht. Zudem sind Marktprognosen und die Trendbestimmung für Unternehmen zunehmend schwerer und mit sehr viel mehr Unsicherheit behaftet.

Für deutsche Produktionsunternehmen stellt sich die Frage, ob sie flexibel sein müssen, daher gar nicht mehr. Die Frage ist, mit welchem Vorlauf und in welchen Zyklen ihre Märkte schwanken. Heute planen die meisten Unternehmen noch im Wochen- oder Monatsraster, also mit Vorlaufzeiten zwischen fünf und zwanzig Tagen. Das wird in Zukunft deutlich kurzfristiger. Der Trend geht in Richtung Tages- oder sogar Stundenschwankungen, die kompensiert werden müssen.


Abbildung 1: Marktschwankungen werden kurzfristiger – Quelle: »Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0«

Mehr Flexibilität sichert Wettbewerbsfähigkeit

Die IAO-Studie zeigt deutlich, dass die Marktvolatilität nicht nur zunimmt, sie wird vor allem immer kurzfristiger. Das müssen die Unternehmen auch über Flexibilisierungsinstrumente abfangen. Bereits heute nutzen mehr als sechs von zehn deutschen Unternehmen flexible Arbeitszeiten in der Produktion intensiv. Neben der zeitlichen Personalflexibilität ist auch die inhaltliche Flexibilität (z.B. job rotation, Mehrfachqualifikation) und die räumliche Flexibilität (z.B. Verleihung, Abordnung) wichtig, um sich in schwankenden Absatzmärkten erfolgreich aufzustellen. Diese Instrumente werden aber noch selten genutzt. Nicht einmal die Hälfte der Unternehmen rotiert seine Mitarbeiter intern zwischen Bereichen zum Kapazitätsausgleich. In Zukunft wollen allerdings mehr als ¾ aller Unternehmen dieses Instrument intensivieren.

Generell stellen wir fest: Mehr als 72% aller 660 Studienteilnehmer braucht zukünftig mehr Flexibilität. Sie planen daher innerhalb der nächsten fünf Jahre ihre bestehenden Regelungen zum flexiblen Einsatz von Mitarbeitern zu erweitern, um den herausfordernden Schwankungen ihrer Märkte effizient zu begegnen.

Unternehmen brauchen mehr Flexibilität
Abbildung 2: Unternehmen brauchen mehr Flexibilität
Quelle: »Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0«

Mit gutem Beispiel voran: Best Practice Flughafen Stuttgart

Als best practice im Bereich der Personalflexibilität gilt der Flughafen Stuttgart. Hier arbeiten rund 200 Mitarbeiter im Bodenverkehrsdienst, also dort wo Koffer verladen und Passagierbusse gefahren werden. Durch eine intelligente Steuerung des Personals und den Einsatz verschiedener Flexibilisierungsinstrumente konnte hier die Produktivität massiv gesteigert und die Kosten für kurzfristige Eilmaßnahmen um mehr als eine Million Euro pro Jahr reduziert werden. Heute zählt der Stuttgarter Flughafen zu den wenigen Flughäfen weltweit, die im operativen Bereich nicht defizitär arbeiten und auf Subventionen angewiesen sind. Hier profitiert nicht nur die Firma. Auch die Mitarbeiter werden durch ein Prämiensystem aktiv am Mehrwert beteiligt, der durch ihre Flexibilität erzielt wird. Professor Georg Fundel, einer der Geschäftsführer des Airports, beschreibt das so: »Im Jahr 2004 haben wir angefangen, inzwischen haben wir eine Produktion, in der die Mitarbeiter Spaß haben. Heute sind wir produktiver und das bedeutet: sichere Arbeitsplätze für die Mitarbeiter.«

Flexibilität nutzen heißt auch Mehrwert teilen

Flexibilität kommt auch bei den Mitarbeitern gut an. So geben bei der aktuellen Beschäftigtenbefragung 2013 der IG Metall mehr als 75% der Beschäftigten an, heute gut mit Flexibilität umgehen zu können und kein Problem mit Flexibilität zu haben. Dabei ist Flexibilität aber nicht zum Nulltarif zu bekommen. Sie erfordert insbesondere einen Rahmen zur Gestaltung und zur Kompensation der zukünftig steigenden Flexibilitätsanforderungen. Einen Teil des wirtschaftlichen Benefits, den Unternehmen durch mehr Flexibilität erzielen, können sie an die ausführenden Mitarbeiter weitergeben. Es entsteht ein neuer Bedarf für Kompensation, wie die IAO-Studie und die IG-Metall Befragung übereinstimmend aufzeigen. Die Art der Kompensation kann und wird dabei zukünftig verschiedenartig ausgeprägt sein, sind doch auch die Mitarbeiterpräferenzen unterschiedlich. Der eine bevorzugt den Ausgleich durch Freizeit, andere Mitarbeiter durch finanzielle Kompensation. Auch Qualifikation kann eine Form des Flexibilitätsausgleichs darstellen.

Damit ist klar: Flexibilität wird in Zukunft ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil für deutsche Produktionsunternehmen sein. Der verstärkte Einsatz systematisch ausgerichteter Flexibilitätsinstrumente, der klaren Regeln folgt, ist dafür Voraussetzung. Zudem muss der faire Ausgleich zwischen Unternehmen und Mitarbeitern gewährleistet sein. So lässt sich Flexibilität auch in der Produktion wirkungsvoll gestalten und wird für alle Beteiligten zu einem positiven Signal für eine prosperierende deutsche Produktionswirtschaft.

Moritz Hämmerle

Moritz Hämmerle leitet seit 2018 den Forschungsbereich Cognitive Engineering and Production am Fraunhofer IAO.

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