Für den Katastrophenschutz sind Übungen die beste und häufig die einzige praktische Vorbereitung auf den Ernstfall. Nur hier können die Helfer die Kompetenzen und Fähigkeiten entwickeln, die im Ernstfall entscheidend sind – seien es fachliche Qualifikationen oder die »Soft Skills« der Teamarbeit unter Stress, wie beispielsweise Fairness und Objektivität. Oft sind die Einsatzkräfte Ehrenamtliche, die einen großen Teil ihrer Freizeit in Ausbildung und Übungen investieren. Deshalb müssen diese Übungen akribisch vor- und nachbereitet werden und möglichst viele Aspekte eines realen Einsatzes abdecken.

Professionell üben für Professionalität im Ernstfall

Wie zuletzt auch das Zugunglück von Bad Aibling im Februar gezeigt hat, ist es für Hilfsorganisationen, Feuerwehr, THW und Behörden wichtig, auf Großereignisse oder Katastrophen vorbereitet zu sein, weil hier viele sehr unterschiedliche Aspekte reibungslos ineinander greifen müssen. Vollübungen des Massenanfalls von Verletzten (MANV) erlauben es Hilfsorganisationen, ihre zuvor pro Einsatzeinheit geübten Teilaspekte der Einsatzbewältigung zusammenzufügen und sich somit systematisch auf den Ernstfall vorzubereiten. Hierfür haben Hardy Häusler aus DRK-Sicht und Johannes Sautter vom Fraunhofer IAO Theorie und Praxis in einem Konzept zusammengebracht und die Aspekte Do und Check des Deming-Kreises konkretisiert. Ein Übungs- und Evaluationskonzept wurde entwickelt und in drei Vollübungen innerhalb eines Jahres getestet.

Doppelte Herausforderung: Simulieren und Evaluieren in Großübungen

Neben der frühzeitigen Planung der Übung anhand von Übungszielen wird darin besonderer Wert auf die Vorbereitung gelegt. Damit Helfer im Ernstfall mit den besonderen Herausforderungen des Einsatzes umgehen können, müssen sie in Übungen möglichst authentisch damit konfrontiert werden. So müssen beispielsweise realitätsnahe Verletztenmuster festgelegt und die Mimen so eingewiesen werden, dass sie parallel zu ihrer Rolle auch Daten zur Einsatzleistung erfassen können. Diese Daten liefern die Grundlage für die Auswertung der Einsatzqualität sowie möglicher Verbesserungspotenziale. Sechs Bewertungsindikatoren dienen der faktenbasierten Auswertung . Optimalerweise werden erfahrene Einsatzkräfte als Evaluatoren zur qualitativen Auswertung eingesetzt sowie mindestens zwei Übungsdurchläufe mit allen Beteiligten durchgeführt. Sofort nach den Übungsdurchläufen sollten die Einsatzkräfte selbst zu Wort kommen. Mimen und Evaluatoren können der Selbsteinschätzung dann direkt qualitative Einschätzungen gegenüberstellen. Oft klaffen hier die Wahrnehmung der Teilnehmer und die erhobenen Zahlen und Fakten auseinander. Bei der Auswertung einer Vollübung in Bad Reichenhall war beispielsweise nach dem zweiten Übungsdurchlauf aus den Indikatoren ersichtlich, dass zwar die Zeit, bis alle Verletzten vorgesichtet wurden, von 30 auf sieben Minuten reduziert werden konnte. Aufgrund einer Fehlsichtung erhöhte sich jedoch die Zeit, bis alle schwerverletzten Patienten den Unfallort verlassen hatten, von 35 auf 59 Minuten. Die sechs Bewertungsindikatoren konnten hier ein differenziertes Bild liefern, mit dem Fehlerquellen identifiziert und Verbesserungen eingeleitet werden konnten.

Es ist also noch kein Meister vom Himmel gefallen. Vollübungen mit einer sofortigen und faktenbasierten Nachbereitung können bis zu einem gewissen Grad den Ernstfall simulieren und geben den Einsatzkräften Sicherheit und Selbstvertrauen den Ernstfall routiniert zu meistern.

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