Unsere beiden letzten Kommentare nähern sich dem Thema neuer Führungskonzepte insbesondere in agilen Organisationsformen auf recht kritische Weise. Sie weisen mit Recht darauf hin, dass unter dem Konzept der Agilität sehr viel subsumiert wird – das ist das Schicksal aller bedeutenderen Organisations- bzw. Managementtrends unserer Zeit. Sie werden bekannt, und Wissenschaftler, Berater und Praktiker machen Erklärungsversuche, die an der individuellen Erfahrungswelt andocken – was die Abgrenzbarkeit erschwert und fast notwendigerweise zu einem »Ausfransen« führt. Beflügelt wird die Diskussion auch deshalb wohl so stark, weil sie Agilität in ihren Bezügen zu Formen der Selbstorganisation, der Hierarchiefreiheit und der vermeintlichen »Führungslosigkeit« diskutieren. Von da ist es dann zu Konzepten der Holacracy nicht weit.

Neue Führungskonzepte in der historischen Einordnung

In der Harvard Business Review von Juli/August 2016 haben Bernstein, Bunch et al einen aus meiner Sicht gut gelungenen historischen Bogen von den teilautonomen Gruppen bei Volvo in den 70er Jahren bis hin zu heutigen Konzepten selbstorganisierter »Circles«, »Cabals« bei Firmen wie Valve, Zappos etc. gezogen, um die tatsächliche »Neuheit« dieser Konzepte zu hinterfragen und einzuordnen. Zentrale (auf Fragen der Führung bezogene) Erkenntnis auch hier: Führung wird anders organisiert, und ist möglicherweise nicht mehr fix und hierarchiebezogen zugeordnet, aber sie findet statt. Und: agilere Formen der Zuordnung von Verantwortlichkeiten haben ein deutlich stärkeres Maß an Transparenz, Abstimmung und gegenseitiger Verpflichtung zur Folge – ein Aspekt, der auch unter dem Stichwort der Belastung des einzelnen noch recht wenig diskutiert wird.

Die Autoren kommen zu einer gut nachvollziehbaren Schlussfolgerung: Es gibt in den seltensten Fällen ein »schwarz« oder »weiss«, sondern beobachtbar sind in der Regel Veränderungen in einzelnen Markt- oder Produktbereichen oder Funktionsgruppen. Will heißen: Es kommt darauf an! Überall da, wo marktseitig eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit erwartet wird, also von sehr turbulenten Wettbewerbsumwelten gesprochen wird, werden diese Organisationsformen tendenziell besser geeignet sein.

Und welche Führung wird dort gefragt sein?

»….a new generation of Leaders – senior individuals with the vision to see where it is best to set aside hierarchy for another way of operating, but also with the courage to defend hierarchy where it serves the institution`s fundamental goals« (HBR July-August, Ethan Bernstein, John Bunch, Niko Canner, Michael Lee:The big idea beyond the holacracy hype, S. 49).

Ich freue mich sehr auf den Austausch 18. Oktober, wo wir mit unseren Referenten und Teilnehmern genau diese Fragestellungen direkt diskutieren werden!

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Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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Kategorien: New Work / Connected Work
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