Der Weltklimarat warnt eindringlich: Dieses Jahrzehnt ist entscheidend für die Dekarbonisierung des Energiesystems und den Kampf gegen den Klimawandel. Die Aufgabe ist monumental: Bis 2025 müssen die globalen Treibhausgasemissionen ihren Höhepunkt erreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Trotz der enormen Herausforderungen gibt es Anlass zur Hoffnung. Erneuerbare Energiequellen haben in den letzten Jahren bemerkenswertes Wachstum verzeichnet, und dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch weiter beschleunigen. Darüber hinaus wird intensiv an sogenannten Negativemissionstechnologien, die CO2 langfristig abscheiden und unterirdisch speichern sollen (CCS, DACCS, BECCS), geforscht. Das klingt doch alles sehr vielversprechend, wäre da nicht …

Erneuerbare Energien: Stetige Fortschritte, bleibende Abhängigkeiten

Forschungsergebnisse zeigen, dass erneuerbare Energiequellen zwar einen immer größeren Anteil an der globalen Energieversorgung einnehmen, fossile Brennstoffe jedoch nicht verdrängt haben, sondern diese lediglich komplementieren. Tatsächlich zeigt die weltweite Nachfrage nach fossilen Brennstoffen keinerlei Anzeichen einer Verlangsamung, sondern steigt kontinuierlich an. Dies unterstreicht die immense Herausforderung, fossile Brennstoffe vollständig zu ersetzen, insbesondere vor dem Hintergrund unaufhaltsamen wirtschaftlichen Wachstums und des daraus resultierenden Anstiegs des Gesamtenergieverbrauchs.

Obwohl erneuerbare Energien sowie Negativemissionstechnologien unverzichtbar für die Bekämpfung des Klimawandels geworden sind, reicht eine alleinige Ausrichtung auf technologische Lösungen bei einem stetigen Anstieg des globalen Energieverbrauchs nicht aus, um die Dekarbonisierung mit der erforderlichen Dringlichkeit voranzutreiben und das ehrgeizige Ziel einer Erderwärmung von 1,5 Grad gemäß dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Daneben wirft die vorherrschende Energiepolitik kritische Fragen in Bezug auf die Einhaltung weiterer ökologischer Belastungsgrenzen – die über die Klimakrise hinausgehen – auf.

Ökologische Grenzen unseres Planeten – das meint nicht nur den Klimawandel

Erneuerbare Energien oder Negativemissionstechnologien versprechen eine Reduzierung oder Speicherung von CO2-Emissionen und den Beitrag zur dringend benötigten Verlangsamung des Klimawandels. Dennoch ist es entscheidend anzumerken, dass der großflächige Einsatz dieser Technologien Gefahr läuft, andere ökologische Grenzen zu überschreiten. Denn neben dem Klimawandel gibt es acht weitere, teilweise bereits gefährdete, planetare Belastungsgrenzen, die eingehalten werden müssen, um die Lebensgrundlagen der Menschen sicherzustellen:

  1. 1. Intaktheit der Biosphäre und Artenvielfalt,
  2. 2. Süßwasserverbrauch,
  3. 3. Landnutzung,
  4. 4. Biogeochemische Flüsse von Phosphor und Stickstoff,
  5. 5. Versauerung der Meere,
  6. 6. Aerosolgehalt der Atmosphäre,
  7. 7. Ozonverlust in der Stratosphäre, und
  8. 8. Toxische Substanzen wie Chemikalien oder Plastik

Negativemissionstechnologien können zwar positiv zur Reduktion von CO2 in der Erdatmosphäre beitragen, haben aber bei großflächigem Einsatz negative Auswirkungen, zum Beispiel auf die Intaktheit der Biosphäre, biogeochemische Flüsse, Wasserverbrauch und Landnutzung. Und auch die vielversprechenden erneuerbaren Energien tragen aufgrund ihres intensiven und teilweise kritischen Materialbedarfs oder durch die elektronischen Abfälle von PV-Anlagen ein Risiko zur Überschreitung planetarer Grenzen – unter anderem durch Wasserverschmutzung, Bodenverunreinigung und Gesundheitsrisiken für die natürlichen Lebensräume von Pflanzen, Tieren und Menschen – in sich.

Energiepolitik und Lösungsansätze rein auf CO2-Einsparungen zu fokussieren, reicht daher nicht aus. Nachhaltigkeit muss systemisch und ganzheitlich und somit im Kontext der planetaren Grenzen definiert und angestrebt werden. Vor diesem Hintergrund nehmen nachfrageseitige Lösungsansätze, d. h. Suffizienzstrategien und Verhaltensänderungen, zur Erhaltung eines intakten Lebensraums – wie vehement vom Weltklimarat gefordert – eine entscheidende Bedeutung ein. Es liegt nun an denen, die die Energiewende gestalten, diese Tatsachen offen anzusprechen und partizipativ wünschenswerte Zukünfte zu entwerfen, die die Einhaltung unserer planetaren Grenzen sicherstellen.

Dieser Beitrag bildet den Auftakt zu einer Blog-Trilogie zum Thema Feministische Energiewende. Im nächsten Beitrag werde ich weitere Schwachstellen des globalen Energiesystems beleuchten. Nämlich die fortwährenden Ungerechtigkeiten gegenüber marginalisierten Gruppen, die auf aufgrund patriarchaler, rassistischer und kolonialistischer Strukturen in unserem Energiesystem reproduziert werden.

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Sabine Loos

Sabine ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am CeRRI des Fraunhofer IAO und widmet ihre Zeit der Erforschung einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Energiewende. Dabei fließen feministische Perspektiven und das Konzept »planetaren Grenzen« maßgeblich in ihre Forschung ein.

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Kategorien: Innovation, Mensch-Technik-Interaktion, Nachhaltigkeit
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