Wer aktuell zum Thema Fachkräftemangel recherchiert, dürfte einigermaßen verwirrt sein. Da ist seit vielen Jahren von einem enormen Fachkräftemangel die Rede – und doch lassen sich auch zahlreiche Stimmen finden, die betonen, es gäbe ihn gar nicht oder doch zumindest nicht in so großem Ausmaß. Was stimmt nun?
Die großen Unbekannten in der Fachkräftediskussion
Bevor ich eine Antwort – meine Antwort – auf diese Frage gebe, zunächst ein paar Erläuterungsversuche, warum es so schwierig ist, den Fachkräftemangel zu quantifizieren und prognostizieren. Dies liegt schlicht daran, dass selbst ein einzelnes Unternehmen heute noch nicht sagen kann, wie groß sein Bedarf an Fachkräften zukünftig sein wird. Schließlich hängt dies davon ab, wie groß die Nachfrage nach den Produkten sein wird, wie die Produktivität steigt etc. Auf der anderen Seite kann nicht genau gesagt werden, wie viele arbeitsuchende Fachkräfte (nicht zu verwechseln mit Akademikern, die leider häufig in der Diskussion mit den Fachkräften in einen Topf geworfen werden) in Zukunft zur Verfügung stehen. Dies hängt u.a. auch davon ab, wie sich die Wirtschaftslage in Deutschland und den Nachbarländern entwickelt.
Die nackten Zahlen: Arbeitsmarktprognosen, mit denen jeder rechnen kann
Was sich mit ziemlicher Sicherheit und Genauigkeit sagen lässt ist nur, wie viele Erwerbstätige altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden – und wie viele ungefähr neu in den Arbeitsmarkt eintreten, weil sie ihre Erstausbildung beendet haben werden. Je weiter diese Zahlen in die Zukunft gedacht werden, umso ungenauer werden auch diese.
Nun zu meiner Antwort auf die Frage nach dem Fachkräftemangel:
Ja, es gibt ihn und er wird sich verstärken. Zum einen sprechen die Statistiken dafür. Nach den demografischen Zahlen treten heute bereits (etwas) weniger Erwerbsfähige neu in den Arbeitsmarkt ein, als altersbedingt austreten (sprich: in Rente/Pension gehen).
Die eigenen Erfahrungen: der Fachkräftemangel ist schon da!
Der Fachkräftemangel existiert aber auch, weil Unternehmen nicht nur mir, sondern auch meinen Kollegen, immer wieder davon berichten. Allein im Laufe der letzten vier Wochen habe ich mich intensiver mit fünf kleinen/kleineren, drei mittleren/größeren und einem großen Unternehmen zum Themengebiet Demografie, Fachkräftebedarf u. ä. ausgetauscht. An unserer aktuellsten Studie zum Thema Demografie haben sich über achtzig Unternehmen beteiligt. Vertreten sind jeweils das Handwerk, die produzierende Industrie und die Dienstleistung. Alle berichten von deutlichen und größer werdenden Problemen, offene Stellen durch qualifiziertes Personal auf Fachkräfteniveau zu besetzen.
Auch für die Zukunft gehe ich von einem deutlichen Fachkräftemangel aus. Zum einen erneut, weil die Statistiken dafür sprechen. In etwa zehn Jahren wird eine – dann etwa 20 Jahre andauernde – Phase erreicht werden, in der für 10 altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheidende Erwerbstätige nur ca. 6 Erwerbsfähige neu in den Arbeitsmarkt eintreten. Vorausgesetzt, man ignoriert die Arbeitsmigration und betrachtet allein die demografische Entwicklung in Deutschland. Da die deutlich überwiegende Zahl der in Rente/Pension gehenden Fachkräfte sein werden, ist zunächst davon auszugehen, dass diese auch wieder durch Fachkräfte ersetzt werden sollen. Es wird für Fachkräfte also eine ca. Deckungslücke von 40 Prozent geben.
Diese Lücke ist so groß, dass sie nicht durch eine umfassendere Beschäftigung von Frauen, Älteren oder Migranten gedeckt werden kann. Man stelle sich ein kleineres oder auch mittleres Unternehmen vor, das auch nur jede vierte (geschweige denn 40 Prozent) der zu besetzenden Stellen durch Migranten ersetzt! Zumal in wenigen Jahren die »Babyboomer«, also die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen.
Die Betroffenen: Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)
Wer den Fachkräftemangel jetzt schon am härtesten spürt, sind die KMU. Im Kampf um Fachkräfte siegen momentan Unternehmen mit großen Namen und saugen den Arbeitsmarkt leer. KMU spüren den Fachkräftemangel nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Altersstrukturen jetzt schon, das Problem wird sich zukünftig aber noch verschärfen.
Für mich stellt sich also gar nicht mehr die Frage, ob der Fachkräftemangel wirklich kommt, sondern vielmehr wie v.a. KMU diesem schon heute begegnen können und müssen! Meine Ideen dazu stelle ich morgen an dieser Stelle vor. Ihre Ideen, Anregungen und Fragen beantworte ich gerne hier im IAO-Blog oder auch persönlich – melden Sie sich bei mir!
Weitere Tipps und Links zum Thema Fachkräftemangel:
- Meine Einschätzung zum Thema »Fachkräftemangel« durfte ich bei einem Interview im Rahmen des Wirtschaftsmagazins »plusminus« abgeben – schauen Sie rein, die Sendung zum Thema »Fachkräftemangel« läuft am heutigen Mittwoch, 19. Februar, um 21.45 Uhr auf ARD
- Eine sehr lesenswerte Stellungnahme des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB zum Thema finden Sie unter http://doku.iab.de/stellungnahme/2013/sn0113.pdf
Kategorien: New Work / Connected Work
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