Vor einigen Tagen hatte ich die Möglichkeit, das Zukunftsprojekt Arbeitswelt 4.0 beim Symposium »Seminário Internacional de Alta Tecnologia« in brasilianischen Piracicaba vorzustellen. Seit 22 Jahren stellen dort deutsche und brasilianische Wissenschaftler einem Fachpublikum neuste Erkenntnisse zu Zukunftschancen in der Industrie vor. Die diesjährige Veranstaltung mit rund 270 Experten der industriellen Elite des Landes hat vor allem eines gezeigt: Auch Schwellenländer wie Brasilien setzen auf Industrie 4.0 in der Produktion.
Für uns Wissenschaftler war die Konferenz eine große Chance, unsere Forschungsergebnisse auch in Übersee zu präsentieren – und neue Erkenntnisse über den Status der Industrie 4.0 in Brasilien zu gewinnen:

Die Basis: Fokus auf Digitalisierung der Prozesse

Die brasilianische Industrie hat den Bedarf nach neuen, technologiebasierten Ansätzen in der Produktion erkannt. Über alle Branchen hinweg sind sich heute mehr als die Hälfte der Unternehmen der Bedeutung von Industrie 4.0 und der Digitalisierung bewusst. Dennoch war der Anteil der Unternehmen, die aktiv am technologischen Upgrade ihrer Produktion arbeiten oder bereits Aspekte der Industrie 4.0 nutzen, bislang gering. Das Interesse der rund 270 Fachleute auf der »Seminário Internacional« zeigt jedoch, dass sich das in naher Zukunft grundlegend ändern dürfte.

Heute liegt der Schwerpunkt bei der Nutzung auf der Verbesserung des Produktionsprozesses und Steigerung die Produktivität, also der betriebsinternen Vernetzung der unmittelbaren Produktion. Obwohl dies ein erster guter Fokus ist, kann damit nur ein Teilaspekt von Industrie 4.0 verwirklicht werden. Derzeit erhoffen sich brasilianische Unternehmen durch Industrie 4.0 vor allem die Steigerung der Produktivität, die Optimierung von Automatisierung und die Senkung der Betriebskosten. Die Chancen, die sich aus einer ganzheitlichen Gestaltung der Lieferkette und die Erarbeitung neuer Geschäftsmodelle bleiben davon weitgehend unberührt.

Die Zukunft: Bewusstsein für Industrie 4.0-Lösungen stärken

Der Fokus auf die Steigerung der Effizienz war für brasilianische Unternehmen der logische erste Schritt der digitalen Veränderung. Jetzt richtet sich der Blick hin zur Entwicklung neuer smarter Produkte oder Geschäftsmodelle, wie vor allem ein brasilianisches Vorzeigeunternehmen, der Flugzeughersteller Embrear, anschaulich demonstrierte. Hier wie in vielen anderen technologiegetriebenen Branchen wird die ganzheitliche Digitalisierung und Vernetzung über alle Produktionsbereiche hinweg mehr und mehr zur Notwendigkeit, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Eine Befragung unter brasilianischen Technologieunternehmen ergab, dass 43 Prozent der Unternehmen heute noch nicht in der Lage sind zu identifizieren, welche Technologien das größte Potenzial zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft aufweisen werden.

Mit (Weiter-)Bildung zum Ziel

Die Förderung des Digitalisierungsfortschritts in Brasilien kann besonders durch die Entwicklung der Infrastruktur und der Investition in Berufs- und Universitätsausbildung vorangetrieben werden. Zudem kann die Einrichtung von Demonstrationsplattformen eine effektive Initiative sein, um die Verbreitung des Industrie 4.0-Gedankens und die Etablierung von Partnerschaften zwischen Kunden und Lieferanten neuer Technologien zu fördern. Nicht zuletzt die Veranstalter des »Seminário Internacional de Alta Tecnologia«, die Methodist University of Piracicaba, engagiert sich stark bei der Errichtung solcher Zentren und der Forschung an Industrie 4.0 relevanten Feldern.

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Jessica Mack

Als Arbeitswissenschaftlerin erforscht sie die Möglichkeiten menschzentrierter Umsetzung von Industrie 4.0-Anwendungen im Produktionsumfeld. Auch privat steht bei ihr der Mensch im Mittelpunkt: Soziales Engagement und interkulturelle Kommunikation, besonders nach Asien, beschäftigen sie am Wochenende.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE)
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