Von der »Smart Factory« über »IT trifft Industrie« bis hin zur vierten industriellen Revolution: die Schlagzeilen zum Thema Industrie 4.0 beflügeln derzeit alle möglichen Zukunftsszenarien. Als Wissenschaftler ist uns daran gelegen, unsere Arbeiten in Richtung Industrie 4.0 auf eine solide Basis zu stellen. Daher haben wir mehr als 600 Unternehmen aus der deutschen Industrie und über 20 hochkarätige Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und den wichtigsten deutschen Verbänden befragt; sie zeichnen in unserer Leitstudie »Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0« ihr Bild der zukünftigen Fabrikarbeit.

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie diese denn nun aussieht? Was wird sich konkret tun im für Deutschland so wichtigen Wirtschaftssektor? Verbreitet sich à la »Matrix« die Macht der Maschinen und entspringt der Kampf »Race against the Machine«, wie das MIT 2011 orakelte, oder werden die Arbeiter in den 4.0-Fabriken zu Deutschlands neuen Superstars der Arbeitswelt? Aus unserer Studie konnten wir drei wichtige Trends ablesen, die wir hier in aller Kürze vorstellen:

Wird die industrielle Arbeit in Zukunft aus Deutschland abwandern?

Nein! Deutschland bleibt auch in Zukunft ein Produktionsland. Da sind sich auch 90 Prozent der Unternehmen sicher. Aber, natürlich wird sich einiges ändern. Unsere Fabriken, die ja im Maschinen- und Anlagenbau größtenteils bereits heute hochtechnische Einzel- und Kleinserien produzieren, also fast schon Unikatfertigung betreiben, werden in Zukunft anders aussehen als sie es heute tun. Die Dynamik der Produktion nimmt dramatisch zu. Mehr Technik, mehr Vernetzung, weniger Golems und mehr Wissensarbeiter lautet die Kurzform.

Führt Industrie 4.0 dazu, dass die Maschine 4.0 den Menschen in der Produktion ablöst?

Wir sind der Meinung, nein! Automatisierung wird zwar für immer kleinere Serien möglich, weil zukünftig sehr viel flexibler einsetzbare Maschinenlösungen entstehen; aber die menschliche Arbeit hat und wird auch zukünftig immer einen wesentlichen Anteil an der Produktionswertschöpfung haben. Dazu stehen auch fast 97 Prozent der in unserer Studie befragten Unternehmen. Der Mensch behält auch in einer hochvernetzen Welt wichtige Aufgaben und kann die frei gewordene Kapazität für bessere Arbeit statt sturer Routine nutzen. Als Sensor und Entscheider agiert er überall dort, wo Situationen hochkomplex zu erfassen, innerhalb kürzester Zeit abzuwägen sind und durch Verknüpfung verschiedener Informationen evaluiert werden müssen. Als Akteur findet er Einsatz für unregelmäßige Tätigkeiten mit hoher Kundenindividualität. Einer unserer Studien-Experten, Herr Dr. Diegner vom Verband ZVEI, fasst zusammen: »Ich denke, die Fabrik der Zukunft ist genauso menschenleer wie heutige Büros papierlos sind«.

Wie sieht die (menschliche) Produktionsarbeit in Zukunft aus?


Quelle: »Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0«

Ganz generell gilt: Aus Informationen Wissen zu erzeugen und dieses Wissen kontextgerecht verfügbar zu machen, ist eine wesentliche Herausforderung der Industrie 4.0. Mit Hilfe der Vernetzung via Internettechnologie wird die echtzeitnahe Informationsgenerierung in heute undenkbarem Umfang möglich. Der Produktionsarbeiter 4.0 macht sich diese Informationen über neue Hilfsmittel verfügbar. So werden in Zukunft Mobilgeräte, wie Smartphones oder Tablets und Social Media-Anwendungen, wie Twitter oder Wikis auch die Produktion durchdringen. Die Mitarbeiter in einer Fabrik 4.0 werden hochflexibel arbeiten. Ihre Arbeitszeiten, Einsatzorte und die Arbeitsinhalte sind den kundenindividuellen Produktionsbedingungen und der damit einhergehenden ausgeprägten Volatilität im Marktgeschehen angepasst. Das erfordert natürlich neue Beschäftigungsverhältnisse und eine systematische Organisation der Personalflexibilität in den Unternehmen. Auch Qualifizierungsstrategien müssen angepasst werden. Gelernt wird zukünftig verstärkt »On-the-job«. Nur so kann das Erlernte direkt in die Anwendung überführt werden. Und auch die Wissensarbeit hält Einzug in die Fertigungshallen. Der Produktionsarbeiter 4.0 wird viel mehr Aufgaben aus der Produktentwicklung mitübernehmen und damit endlich die kurze Rückkopplung zwischen Produktion und Entwicklung ermöglichen.

Wir meinen, die Aussichten sind gut! Industrie 4.0 wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen steigern und Beschäftigung in Deutschland sichern – durch neue Technik und flexibleres Arbeiten.

Übrigens: Wiederkommen lohnt sich. In Kürze lesen Sie hier auf dem IAO-Blog mehr zu den Ergebnissen unserer Leitstudie »Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0«.

Moritz Hämmerle

Moritz Hämmerle leitet seit 2018 den Forschungsbereich Cognitive Engineering and Production am Fraunhofer IAO.

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