Wie Licht und Farbe im Fahrzeuginnenraum auf unsere Bedürfnisse eingehen und damit für eine neue Beziehung zwischen Fahrenden und Fahrzeug sorgen kann, wurde bereits im vorherigen Beitrag zum Thema »Licht und Farbe im Fahrzeuginnenraum« dargestellt. In unserem Projekt »Adaptive Lichtwelten im Interior« im Rahmen des Leistungszentrum Mass Personalization sind wir der Fragestellung nachgegangen, wie ein personalisiertes Fahrerlebnis durch Licht und Farbe im Fahrzeuginnenraum geschaffen werden kann und uns in unserem Fahrverhalten unterstützt und fördert (siehe Booklet Projekt »Adaptive Lichtwelten im Interior« in den Leselinks). Darüber hinaus kann Licht und Farbe zu einem neuen Lifestyle-Element im Fahrzeuginnenraum werden, wie die folgenden drei Szenarien beispielhaft aufzeigen:

Szenario 3: Gefühlte Temperatur als Wohlfühlfaktor

Wer kennt es nicht: Gerade im Winter, wenn es sehr kalt ist und man durchgefroren ins Auto steigt, möchte man es schnell warm haben. Bis aber die Klimaanlage eine angenehme Temperatur im Innenraum geschaffen hat, dauert es ein wenig und die Laune sinkt rapide in Richtung der niedrigen Temperaturen. Man fühlt sich unwohl und die Konzentration auf das Fahren fällt schwer. Wenn man in der Stadt unterwegs ist, kommt häufig ein Stop-and-go-Verkehr dazu und man ist zusätzlich angespannt. Wenn die Klimaanlage nach ein paar Minuten ihre Arbeit geleistet hat und es auf einen Schlag viel zu warm im Fahrzeug wird, fängt man vielleicht an zu schwitzen und das persönliche Wohlbefinden kommt vollends aus dem Gleichgewicht. Statt der sprichwörtlichen Freude am Fahren entwickeln wir negative Gefühle für ein Fahrzeug, dass sich bei aller Technik nicht auf unser Empfinden einstellen kann. Die Lichtfarbe im Innenraum könnte hier Abhilfe schaffen.

Warme Farben können das eigene Wohlbefinden unabhängig von der kalten Temperatur steigern. Die unterstützende warme Lichtstimmung kann unsere gefühlte Temperatur steigern, auch wenn die reale Temperatur noch nicht unser Wohlfühlniveau erreicht hat. Kühlere Lichtfarben können umgekehrt Hitzeempfinden abmildern. Gezielte Lichtfarben können als Puffer für große Temperaturunterschiede wirken und schaffen einen atmosphärischen Ausgleich (Abbildung 3).

Abbildung 3: Licht und Farbe als Wohlfühlfaktor. (© Fraunhofer IAO)

Abbildung 3: Licht und Farbe als Wohlfühlfaktor. (© Fraunhofer IAO)

Szenario 4: Personalisierung in Sharing-Fahrzeugen

Stellen Sie sich vor, sie sind mit dem Zug in einer Großstadt angekommen und möchten zügig ins Hotel, da es schon spät geworden ist. Sie entscheiden sich für ein Sharing-Fahrzeug. Anders als ihr privates Fahrzeug, ist ihr Leihfahrzeug nicht auf sie eingestellt, also nicht personalisiert. Oft wird ein Sharing-Fahrzeug nur für eine kurze Strecke eingesetzt und bis man sich in diesem fremden Fahrzeug zurechtfindet, ist die Fahrt auch meist schon vorbei. Der Wohlfühlfaktor und das Sicherheitsgefühl bleiben da oft auf der Strecke. Wenn es draußen bereits dunkel ist, können eigene Gegenstände oder eigener Müll leicht vergessen werden.

Licht und Farbe können auch hier gezielt eingesetzt werden, um den Fahrkomfort in Leihfahrzeugen zu erhöhen und in einem fremden Fahrzeug eine persönliche Atmosphäre zu schaffen:

Zu Beginn einer Fahrt wird man durch eine angenehme Lichtstimmung im Fahrzeug freundlich begrüßt. Auf die Sitzfläche könnte ein personalisierter Schriftzug projiziert werden. Um der anfänglichen Überforderung in einem fremden Fahrzeug entgegenzuwirken, können Lichtspots im Innenraum helfen, indem sie gezielt die zu bedienenden Elemente anleuchten. Unterschiedliche Farben und nutzerfreundliche Bedienhilfen erleichtern den Umgang und schaffen Vertrauen. Über Lichtspots werden vergessene Gegenstände am Ende der Fahrt beleuchtet, so dass nichts Persönliches im Fahrzeug vergessen wird (Abbildung 4). Der nachfolgende Nutzer wird davon ebenso profitieren und sich nicht über den Müll des Vorgängers ekeln müssen. UV-Licht könnte sogar den Innenraum vor jedem Fahrerwechsel desinfizieren.

Abbildung 4: Licht und Farbe für die Personalisierung in Sharing-Fahrzeugen. (© Fraunhofer IAO)

Abbildung 4: Licht und Farbe für die Personalisierung in Sharing-Fahrzeugen. (© Fraunhofer IAO)

Szenario 5: Familien-Urlaubsfahrt

Bei einer Fahrt in den Urlaub mit der ganzen Familie besteht die größte Herausforderung, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Insassen gleichzeitig einzugehen. Die Kinder auf der Rückbank möchten bei der langen Reise beschäftigt werden, gleichzeitig braucht die Mutter am Steuer die volle Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Fahraufgabe und der Opa möchte in Ruhe seine Zeitung lesen. Stress und Streit im Auto sind nicht selten der Beginn eines Familienurlaubs. Licht und Farbe können auch hier positiv beeinflussen. Wenn beispielsweise Langeweile bei den Kindern aufkommt, könnten verschiedene Lichtspiele für unterschiedliche Altersgruppen zum Einsatz kommen. Eine Mobile-Projektion aus bunten bewegenden Lichtelementen entspannt auf der Fahrt erhitzte Kindergemüter. Für das konzentrierte Lesen der Zeitung wird beim Beifahrer ein Leselicht nur in seinem Bereich eingesetzt. Der Bereich der Mutter als Fahrerin wird durch ein indirektes, helles Licht ausgeleuchtet, um ihre Konzentration und Aufmerksamkeit zu steigern (Abbildung 5).

Die Szenarien zeigen beispielhaft, wie Licht und Farbe als wirksames Lifestyle Upgrade in Fahrzeugen eingesetzt werden können. Das Wohlbefinden und das Vertrauen der Nutzer werden gefördert, indem wir den Lebensraum Auto angenehmer und individueller gestalten (siehe PDF »Übersicht Einflussfaktoren durch Licht« in den Leselinks).

Abbildung 5: Licht und Farbe für ein gutes Familiengefühl. (© Fraunhofer IAO)

Abbildung 5: Licht und Farbe für ein gutes Familiengefühl. (© Fraunhofer IAO)

Im nächsten Blogbeitrag werden wir uns mit der prototypischen Umsetzung am Kleinfahrzeug beschäftigen und aufzeigen, wie die Lichtwelten-Szenarien realisiert und für den Nutzer erlebbar werden.

Wir nutzen unsere Labore, um Prototypen aufzubauen und Applikationen darzustellen. Dabei fließen die Kompetenzen aus dem Bereich der Lichttechnik und dem Mobilitätsbereich zusammen. Wir arbeiten in einem interdisziplinären Team institutsübergreifend mit dem Fraunhofer IAO und IBP sowie dem IAT der Universität Stuttgart. Über die Fahrzeuggestaltung im Wandel sprechen übrigens meine Kolleg*innen am 27. April 2022 beim »Forum FutureCar: Automotive Transformation Design« in Berlin (siehe Leselinks). Dabei geht es im Kern um die Frage, wie nicht nur eine Integration der Kundenwerte, sondern der Transfer von Werten der heutigen Zeit in eine erfolgreiche Designsprache funktioniert. Ich freue mich, wenn Sie dort mitdiskutieren und Ihre Sicht einbringen.

Leselinks:



Kategorien: Future Mobility
Tags: