Wäre es nicht großartig, wenn mein Fahrzeug durch eine Künstliche Intelligenz (KI) erkennen könnte, wie es mir geht? Zum Beispiel, wenn ich morgens müde und unkonzentriert zur Arbeit fahre oder wenn ich aufgrund eines Staus genervt bin. Wie kann mein Fahrzeug in solchen Momenten auf meine eigenen Bedürfnisse eingehen und meine Stimmung und Emotionen positiv beeinflussen? Die Lichtfarbe im Fahrzeuginnenraum kann für eine neue Beziehung zwischen Fahrenden und Fahrzeugen sorgen.

Einflussfaktoren wie die Emotionen, die Interaktion mit dem Fahrzeug und der Kontext, in dem man sich befindet, sowie das persönliche Empfinden, einige Manipulatoren und die Wirkung des Lichts spielen dabei eine wichtige Rolle (siehe Leselinks). Das Fahrerlebnis der Nutzer*innen rückt in Zukunft immer stärker in den Fokus der Innenraumdesigner- und Entwickler*innen, auch in Hinblick auf das autonome Fahren. Gerade in einer Situation, die Unbehagen auslöst wie beispielsweise durch das teilweise oder komplette Abgeben der Fahraufgabe, können Licht und Farbe als wesentliche Gestaltungsmittel im Fahrzeuginnenraum dazu beitragen, um auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen einzugehen.

Der stressfreie Weg durch den Berufsverkehr

Die folgende Situation ist wahrscheinlich vielen bekannt. Man pendelt montagmorgens früh bei Dämmerung zur Arbeit und ist noch gar nicht richtig wach. Nebenher telefoniert man noch über die Freisprechanlage, was die Aufmerksamkeit mindert. An der Ampel noch ein schneller Blick aufs Handy. Dann fängt es auch noch leicht an, zu regnen und die Fahraufgabe benötigt die volle Konzentration. Wenn zusätzlich durch den Berufsverkehr noch ein Stau hinzukommt, steigt das innere Stresslevel, da man pünktlich zum ersten Meeting im Büro sein möchte. Aus der sprichwörtlichen »Freude am Fahren« wird der Frust im Stau – und mit dem Stress steigt auch der Risikofaktor.
Wie kann hier Licht und Farbe unterstützend eingesetzt werden, damit man während der Fahrt aufmerksam, konzentriert und wach ist und gleichzeitig möglichst entspannt im Büro ankommt? Genau mit diesen Fragestellungen haben wir uns im Projekt »Adaptive Lichtwelten im Interior« im Rahmen des Leistungszentrum Mass Personalization beschäftigt (siehe Booklet in den Leselinks). In diesem Projekt geht es um ein personalisiertes Fahrerlebnis und wie dieses durch Licht und Farbe im Fahrzeuginnenraum geschaffen werden kann und uns in unserem Fahrverhalten unterstützt und fördert.

Wie das in Zukunft gelingen könnte, haben wir in zwei Szenarien skizziert:

Szenario 1: Smart Work auf dem Weg zur Arbeit

Der Fahrende wird morgens beim Einsteigen ins Fahrzeug freundlich durch eine angenehme Lichtstimmung begrüßt. Helles und kaltes Licht wirkt aktivierend und hilft beim Aufwachen. Nimmt man an, dass in Zukunft durch das autonome Fahren die Fahraufgabe teilweise entfällt, kann beispielsweise neutralweißes Licht eine gute Arbeitsatmosphäre schaffen und den Fahrer*innen so ermöglichen, sich vollkommen auf die Arbeitsaufgabe zu konzentrieren. Mails und Anrufe werden über das Interface des Fahrzeugs angezeigt und so geregelt, dass sie auf die eigenen Bedürfnisse während des Fahrens abgestimmt sind. So bleiben wir konzentriert und werden nicht überfordert. Ein intelligenter Stauassistent könnte darüber hinaus durch eine beruhigende blaue Farbe unser Stresslevel regeln und zusätzlich eine geeignete, schnellere Route vorschlagen (Abbildung 1)

Abbildung 1: Licht und Farbe als Pendler-Assistent. (© Fraunhofer IAO)

Abbildung 1: Licht und Farbe als Pendler-Assistent. (© Fraunhofer IAO)

Szenario 2: Ultimatives Fahrerlebnis im Kleinwagen

Wenn man mit einem Kleinwagen auf der Autobahn schnell unterwegs ist, bietet dieser oft keine gute Performance. Auf der linken Spur beim Überholen fühlt man sich vermutlich sehr unwohl. Oft ist man noch mehr gestresst, wenn laute Fahrgeräusche bei hohen Geschwindigkeiten oder eine kurvige Strecke dazu kommen. Viele Fahrer ertragen dieses Fahrerlebnis mehr, als dass sie es genießen können.

Dynamisches Licht und bunte Farben im Innenraum können in diesem Szenario die Performance unterstützen, die dem Kleinwagen fehlt (Abbildung 2). Dabei steht der Spaß beim Fahren im Vordergrund. Ähnlich wie bei einem Mario Kart Spiel würde man in eine neue Welt eintauchen, die durch verschiedene Effekte den Spaß-Faktor erhöht. Durch bewegende Welleneffekte, die von vorne nach hinten durch den Innenraum fließen, könnte der Überholvorgang somit durch bewegtes Licht und mehreren Farben unterstützt werden. Dabei könnte ein euphorisches Gefühl entstehen, das wiederum die Müdigkeit des Fahrenden reduziert und die Konzentration fördert. Das würde auch dazu beitragen, dass Unfälle reduziert werden können. So würde man statt frustriert und verärgert mit Freude und vielleicht sogar mit einem Adrenalinkick nach der Fahrt am Ziel ankommen.

Abbildung 2: Licht und Farbe für das Erlebnis im Kleinwagen. (© Fraunhofer IAO)

Abbildung 2: Licht und Farbe für das Erlebnis im Kleinwagen. (© Fraunhofer IAO)

Licht und Farbe sind intelligente emotionale Gestaltungs- und Wohlfühlfaktoren, die ihre Zukunft im Auto noch vor sich haben. Wenn das Auto immer mehr in Konkurrenz mit anderen Verkehrsmitteln tritt, werden auch die jeweiligen Fahrerlebnisse miteinander konkurrieren. Die Unterstützung und Steuerung von Fahrempfinden oder von Tätigkeiten während der Fahrt könnte zum neuen Anreiz für Autofahrende werden – und damit zum Innovationsfeld für unsere Fahrzeuge der Zukunft.

Im zweiten Teil unserer Serie zu Licht und Farbe werden wir uns mit den Möglichkeiten der Lifestyle-Unterstützung beschäftigen und die »emotionale Zukunft« der Innenraumgestaltung skizzieren. Über die Fahrzeuggestaltung im Wandel sprechen übrigens meine Kolleg*innen am 27. April 2022 beim »Forum FutureCar: Automotive Transformation Design« in Berlin (siehe Leselinks). Dabei geht es im Kern um die Frage, wie nicht nur eine Integration der Kundenwerte, sondern der Transfer von Werten der heutigen Zeit in eine erfolgreiche Designsprache funktioniert. Ich freue mich, wenn Sie dort mitdiskutieren und Ihre Sicht einbringen.

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Kategorien: Future Mobility
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