Was bei der früheren IAA im alten Stil die Messehallen waren, kann in Bezug auf die Wissenschaft und Forschung mit der viel zitierten Analogie des Elfenbeinturms verglichen werden: abgeschlossene Orte, die bewusst besucht werden müssen und Innovationen im künstlichen Umfeld darstellen. Damit Innovationen etwas bewegen können, müssen sie jedoch ihren Brutkasten verlassen und sich in der realen Welt beweisen. Wie kann das gelingen? Wir haben unser »Mobility Innovation Lab« für den Zeitraum der IAA Mobility in das Entwicklungsquartier »Werksviertel-Mitte« in München umgezogen. So konnten wir unsere Projekte und Ideen im realen Umfeld testen und neue Ansätze erproben, die nicht nur die Innovationen, sondern auch das Innovieren selbst zu den Menschen bringen – ganz gemäß unserem Motto »Innovationen bewegen«. Meine Erkenntnisse und Erfahrungen daraus möchte ich im Folgenden mit Ihnen teilen.

Der Design- und Innovationsexperte Brown erachtet es als wesentlich, drei grundlegende Aspekte einer Innovation frühzeitig im Entwicklungsprozess zu überprüfen und bei der Produktgestaltung zu bedenken: die Wünschbarkeit aus Sicht der Kunden, die wirtschaftliche Tragfähigkeit aus Sicht der Investoren, und die technische Umsetzbarkeit aus Sicht der Entwickler.

Wünschbarkeit: Neuartige Innovationen müssen von Menschen reflektiert werden

Innovationen bewegen Menschen. Neuerungen haben im Allgemeinen den Sinn, unser Leben zu verbessern, es aber auf jeden Fall zu verändern. Entsprechend emotional werden Innovationsideen oftmals aufgefasst und von Menschen bewertet. Vor allem radikale Innovationen, also solche, die den Menschen weitgehend unbekannt sind, müssen daher frühzeitig im realen Umfeld untersucht werden, da die Reaktionen und Wünsche der Menschen in Bezug auf die Idee noch weitgehend unklar und spekulativ sind. Die IAA konnten wir nutzen, um besonders neuartige Themen wie die Gestaltung von Flugtaxis, die Interkation mit autonomen Fahrzeugen oder die Umsetzung virtueller Mobilitätsangebote vorzustellen und die unverfälschte Meinung potenzieller, zukünftiger Nutzer einzuholen.

Wirtschaftliche Tragfähigkeit: Geschäftsmodelle entstehen zunehmend in Netzwerken

Um Innovationen bewegen und erfolgreich am Markt einführen zu können, ist es notwendig zu reflektieren, ob ein wirtschaftlicher Betrieb gewährleistet werden kann, der zumindest die Kosten deckt oder – besser noch – Gewinne erzielt. Moderne Geschäftsmodelle werden dabei aber zunehmend von mehreren Partnern in symbiotischen Netzwerken getragen. So ermöglicht der Austausch von Daten eine Entkopplung der Wertstiftung auf Nutzerseite von der Erzeugung von Umsatzerlösen zum individuellen Gestalten vielschichtiger Geschäftsmodellkonstellationen. Um entsprechende Innovationen hervorbringen zu können, ist es somit notwendig, zugrundeliegende Ideen im Netzwerk mehrerer Partner zu entwickeln und zu bewerten sowie diese im realen Marktumfeld zu denken. Während unserer IAA-Woche haben wir daher nicht nur unsere Exponate nach München umgezogen, sondern auch Kreativ- und Workshopformate, um kooperativ Ideen zu entwickeln. Dabei brachten wir studentische Teilnehmer mit örtlich ansässigen Start-ups sowie mit im Werksviertel bereits aktiven Unternehmen zusammen, um neue Innovationsansätze zu finden.

Technologische Umsetzbarkeit: Innovative Technologien müssen im realen Umfeld erprobt werden

Innovationen bewegen sich in Ökosystemen. Anders als bei der Laborerprobung müssen sich Innovationen im realen Umfeld beweisen und dort auch eingesetzt werden können, ohne es störend zu verändern. Gerade automatisierte Mobilitäts-Technologien – die sich im wahrsten Sinne des Wortes auch selbst bewegen – müssen insofern dahingehend erprobt werden, ob ihre Sensoren funktionieren, ob sie selbständig im komplexen Umfeld manövrieren können, aber auch wie Menschen auf sie reagieren. Im Rahmen der IAA konnten wir dabei einige solcher Testläufe durchführen und neben einem interagierenden, autonomen Lieferfahrzeug auch den Einsatz von funktionalen Drohnen im urbanen Raum erproben. Auch dabei zeigte sich: Innovationen bewegen! Viele Passanten blieben interessiert stehen, um die miterlebbaren Tests zu betrachten und mit uns darüber zu diskutieren, wobei sie sich entsprechend aufgeschlossen bis begeistert für die Innovationsideen zeigten.

Die Drohnen konnten wir nicht nur dazu einsetzen, das Werksviertel-Mitte aus luftiger Perspektive zu genießen und durch die Häuserschluchten zu fliegen, sondern auch, um Ihnen einen bleibenden Eindruck unseres Auftritts während der IAA zu ermöglichen.

Auftakt zur Blogreihe

Inzwischen ist unser Mobility Innovation Lab wieder zurück in das Zentrum für Virtuelles Engineering ZVE in Stuttgart gezogen. Dennoch ist uns wichtig, auch weiterhin im Austausch mit Menschen zu stehen, ihnen unsere Idee und Ansätze vorzustellen und ihr Feedback in die Innovationsprozesse aufzunehmen. Damit wir dafür nicht bis zum nächsten Ausflug unseres Labors warten müssen, geben wir Ihnen in weiteren Blogbeiträgen einen Ausblick auf unsere Forschungsprojekte rund um Mobilitäts- und Innovationssysteme : interagierende, automatisierte Fahrzeuge, bemannte und unbemannte Drohnen, interaktiv personalisierbare Fahrzeug-Innenräume oder auch eine selbstständig fahrende Paketbox sowie Lösungen zum Innovieren aus dem Homeoffice oder zum Pendelverhalten der Zukunft. Auf diese Weise können das Mobility Innovation Lab und unsere Forschungsprojekte zumindest virtuell von möglichst vielen Menschen erlebt werden.

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Kategorien: Future Mobility
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