Der Arbeitsmarkt verändert sich in einer Geschwindigkeit, dass die Forschung bisweilen Mühe hat, Schritt zu halten. Auch die Grenzen zwischen Arbeitnehmern, Unternehmern und Selbständigen verwischen zusehends. Die Soziologen Gerd-Günter Voß und Hans J. Pongratz postulieren deshalb eine neue Form des Typus Arbeitskraft, den »Arbeitskraftunternehmer«. Ein Konzept für die Zukunft oder das nächste Buzz-Word im Wissenschaftsmarketing? Ich bin dieser Frage in meiner Masterarbeit im Rahmen des KAI-Index nachgegangen – die empirische Untersuchung fördert teils erstaunliche Ergebnisse zu Tage.

Anatomie des Arbeitskraftunternehmers

Arbeitskraftunternehmer sind Unternehmer ihrer selbst: Sie binden sich nicht mehr fest an einen Arbeitgeber, sondern steuern ihre Arbeit selbstständig (Selbst-Kontrolle); sie erhalten ihre Arbeitskraft und -fähigkeit selbstständig, passen sie an die Bedürfnisse des Marktes an und präsentieren sich auf dem Arbeitsmarkt (Selbst-Ökonomisierung); sie richten ihren gesamten Lebenszusammenhang an den Anforderungen der Erwerbsarbeit aus (Selbst-Rationalisierung).

Dabei wird der Arbeitskraftunternehmer als Idealtypus verstanden. Er bündelt gesellschaftliche Trends zu einem neuen Rollenverständnis in der Arbeitswelt. Den »perfekten« Arbeitskraftunternehmer wird man in der Realität trotzdem wohl nie zu Gesicht bekommen. Aber er dient als Messlatte für neue Trends in der realen Arbeitswelt.

Nach Pongratz und Voß soll diesen Trends in Zukunft eine immer höhere Bedeutung zukommen. Das Konzept des Arbeitskraftunternehmers hat, unter anderem aufgrund angeblich mangelnder empirischer Beweiskraft, einiges an Kritik einstecken müssen. Im Rahmen des KAI-Projekts haben wir umfangreiches Datenmaterial zu den Zukunftsfragen der Arbeitswelt erhoben, die ich als Basis für eine empirische Untersuchung zum Konzept des Arbeitskraftunternehmers verwendet habe.

Das Konzept wird von der Realität eingeholt

Das Ergebnis der Befragung einer Gruppe potenzieller Arbeitskraftunternehmer überrascht: Das Antwortverhalten der Befragten entspricht zu großen Teilen dem Konzept des Arbeitskraftunternehmers. Selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten ist von einem Großteil der Befragten erwünscht, ebenso eine eigenständige Weiterentwicklung der beruflichen Fähigkeiten. Auch den Herausforderungen, die für das Privatleben entstehen, sehen sich die meisten Befragten gewachsen. Einige Ausnahmen haben sich dann aber doch gezeigt. So erhalten der unternehmensinterne Wettbewerb unter Kollegen und die Anforderung, jederzeit arbeitsfähig zu sein eine sehr geringe Zustimmung. Ein ständiges Wechseln der Arbeitgeber, so wie es der Arbeitskraftunternehmer vorsieht, wird sogar strikt abgelehnt. Die befragten Studierenden präferieren fast ausnahmslos eine feste Anstellung bei einem Unternehmen. Geschlechterspezifische Unterschiede sind dabei nicht auszumachen. Auch der Berufswunsch der Studierenden hat keinen signifikanten Einfluss.

Studierende mit guten Berufsaussichten kommen dabei dem Idealbild des Arbeitskraftunternehmers näher, als Studierende mit eher schlechten Berufsaussichten. Schließlich können die begehrten Studierenden auch am ehesten vom völlig freien Arbeitsmarkt, auf dem der Arbeitskraftunternehmer agiert, profitieren. Interessant ist, dass Studierende mit mehr Berufserfahrung dem Idealbild des Arbeitskraftunternehmers eher entsprochen haben, als ihre Kommilitonen, die bisher nur wenig oder gar keine Berufserfahrung sammeln konnten. Die Ergebnisse beruhen also nicht auf Wunschvorstellungen von noch unerfahrenen Studierenden, sondern auf persönlichen Erfahrungen.

Der Arbeitskraftunternehmer und die Generation Y

Unter den Befragten lassen sich fünf Gruppen ausmachen, deren Antwortverhalten sich untereinander teilweise stark unterscheidet: Der Arbeitskraftunternehmer 2013 neuen Typs zeigt die höchste Leistungsbereitschaft, stellt aber gleichzeitig auch die höchsten Ansprüche an potentielle Arbeitgeber, was die persönlichen Freiheiten bei der Arbeit betreffen. Der klassische Arbeitskraftunternehmer ist ähnlich leistungsbereit, stellt aber geringere Ansprüche an potentielle Arbeitgeber. Der Generation Y, ein in der Arbeitswissenschaft relativ neues Phänomen, entsprach ebenfalls ein bedeutender Teil der Befragten. Sie zeigten ein gegenteiliges Antwortmuster im Vergleich mit dem klassischen Arbeitskraftunternehmer: Sie fordern viele Freiheiten, sind aber eher zurückhaltend bei der Leistungsbereitschaft. Die Ergebnisse der Unentschlossenen bewegen sich meistens zwischen den drei vorangegangenen Gruppen. Zuletzt erwähnt sei die Gruppe der verberuflichten Arbeitnehmer, die sowohl vor den neuen Anforderungen, als auch vor zu viel Freiheit im Beruf zurückschreckt und somit den oben beschriebenen Arbeitstrends komplett widerspricht. Diese Gruppe ist zahlenmäßig sehr klein, dieser alte Arbeitstypus also eher deutlich rückläufig.

Interessieren Sie sich darüber hinaus für das Thema? Dann können Sie sich gerne meine komplette Masterarbeit hier herunterladen.

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