Im Sprint zur Fabrik 4.0 – Blogreihe zum Industrienetzwerk
Die Digitalisierung bietet umfangreiche Möglichkeiten zur Optimierung der Wertschöpfungsprozesse, Steigerung der Effizienz oder flexibel anpassbare Produktions- und Personalkapazitäten. Allerdings verbinden viele Unternehmen, insbesondere kleinere und mittelständische, mit diesem Begriff einen unüberwindbaren Berg. Oftmals fehlt es ihnen an Erfahrungen, methodischem Know-how und passenden Hilfsmitteln, um diese Transformation systematisch anzugehen. Die Fabrik 4.0 ist aber kein Produkt, das man kaufen kann, sondern ein Transformationsprozess. Für den erfolgreichen Weg dorthin kommt es auf kleine, aber wirkungsvolle Schritte an. Und genau diese stellt das Fraunhofer IAO gemeinsam mit dem RKW Baden-Württemberg im Industrienetzwerk »Im Sprint zur Fabrik 4.0« vor.

Mit zunehmender Komplexität von Produkten und Arbeitsplätzen steigen auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Wechselnde Fertigungsschritte, höhere Kundenanforderungen und Produktvarianten führen zu neuen Aufgaben und Arbeitsreihenfolgen. Eine Möglichkeit, Unternehmen und deren Mitarbeitende bei dieser zusätzlichen Belastung zu unterstützen, bieten digitale Assistenzsysteme. Sie entlasten aktiv in Arbeits- und Entscheidungsprozessen und helfen dabei, Aufgaben effektiver zu gestalten, stressfreier und sicher zu erlernen sowie Fehler zu vermeiden. Eine kleine Übersicht über verschiedene Arten und Vorteile von solchen digitalen Assistenzsystemen gibt dieser Blogbeitrag.

Passende Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt

Die Möglichkeiten von digitalen Assistenzsystemen lassen sich in verschiedene Einsatzgebiete untergliedern. Sei es, um nachlassende sensorische Fähigkeiten auszugleichen oder kognitive Prozesse in der Entscheidungsfindung oder Informationsbereitstellung zu fördern – oder die Kombination aus beidem. Entsprechend des Einsatzgebiets kommen verschiedene Technologien zum Einsatz:

  • Die digitale Visualisierung zählt zu den häufigsten Assistenzsystemen, denn somit lassen sich Daten und Informationen schnell, unkompliziert und gezielt bereitstellen. Beispielsweise kann ein Bildschirm dem Mitarbeitenden die verschiedenen Montagearbeitsschritte nacheinander anzeigen.
  • Zu den Picking-Technologien zählen sämtliche Kommisioniersysteme, welche den Mitarbeitenden bei der Zusammenstellung von Teilen oder Artikeln assistieren. Mitarbeitende erhalten dann beispielsweise ein optisches Signal, aus welchem Behälter ein Produktteil zu entnehmen ist. Die richtige Entnahme wird dann durch das System bestätigt.
  • Die industrielle Bildverarbeitung dient der visuellen Überprüfung von Produktionsprozessen, zum Beispiel durch den Einsatz einer Kamera am Arbeitsplatz zur Verfolgung, ob alle Bauteile verbaut wurden.
  • Mittels Positionserkennung lassen sich Positionsdaten von Produkten, Betriebsmitteln und Transportfahrzeugen erfassen und verarbeiten.
  • Beim Condition Monitoring wird der Zustand von Anlagen identifiziert mit dem Ziel, Ausfallzeiten zu minimieren und Wartungsintervalle zu optimieren. Beispielsweise können Sensoren an Maschinen voraussagen, dass diese gewartet werden müssen.
  • Virtual Reality (VR) beschreibt die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung einer interaktiven, virtuellen Realität, die mittels Sprache oder Tastsinn gesteuert werden kann. Beispielsweise können Mitarbeitende im virtuellen Raum Produktionsschritte direkt an der Anlage ausführen und üben, obwohl diese nicht am selben Ort ist.
  • Augmented Reality (AR) beschreibt die computergestützte, erweiterte Wahrnehmung der Realität, z.B. die ergänzende virtuelle Darstellung von Anweisungen und Maschinendaten über eine Datenbrille. Der Mitarbeitende erhält dann Informationen und Daten wie beispielsweise eine Maschinenanleitung auf seiner Brille, anstatt auf einem Bildschirm. Somit sind beide Hände frei und der Mitarbeitende kann beidhändig arbeiten.
  • Die Radiofrequenzidentifikation (RFID) ermöglich es, alle Objekte, welche mit einem RFID-Transponder ausgestattet sind, kontaktlos zu identifizieren. Größere zu verbauende Bauteile werden dann beispielsweise automatisch identifiziert. Somit ist kein zusätzliches Abscannen und Einpflegen in das System mehr notwendig.

Assistenzsysteme in der Praxis: die richtige Mischung macht’s

In der industriellen Anwendung finden sich sowohl Assistenzsysteme, die nur eine der Technologien abdecken. Meistens werden jedoch mehrere Technologien in einem System kombiniert, sodass sich die Vorteile der verschiedenen Systeme optimal ergänzen und Synergieeffekte schaffen.
Diese können sowohl eingesetzt werden, um Mitarbeitende ganz neu oder in neue Fertigungsvorgänge einzulernen als auch um Werkerinnen und Werker durch komplexe und schwierige Arbeitsschritte zu führen. Hier haben sich Systeme wie die kameragesteuerte Montageassistenz bewehrt, die Arbeitsschritte nacheinander aufzeigen, sei es auf einem Bildschirm oder als Projektion auf dem Arbeitstisch. Durch die Ergänzung eines weiteren Assistenzsystems muss die Ausführung der einzelnen Schritte dann entweder vom Mitarbeitenden bestätigt werden oder wird sensorisch überprüft (siehe Abbildung 1). Montageprozesse laufen durch diese Kombi effizienter ab.

Abbildung 1: Montageprozess unterstützt durch digitales Assistenzsystem. (Quelle: Ludmilla Parsyak, Fraunhofer IAO)

Abbildung 1: Montageprozess unterstützt durch digitales Assistenzsystem. (Quelle: MyCPS)

Mittels einer Kombination aus mehreren Assistenzsystemen kann auch die Qualität in der Produktion gesteigert werden, indem beispielsweise verschiedene Sensoren zur Fehlerdetektion eingesetzt werden. So kann zum Beispiel mittels Bildüberwachung überprüft werden, ob alle Bauteile an der richtigen Stelle sind oder mit Picking-Verfahren, ob alle benötigten Bauteile in der richtigen Reihenfolge entnommen wurden. Die Mitarbeitenden werden vom Assistenzsystem sofort auf Abweichungen hingewiesen, wodurch Fehler direkt behoben werden.

Wichtiger Baustein für die Fabrik 4.0

Im Kontext der digitalen Transformation bilden digitale Assistenzsysteme einen wichtigen Baustein, um die Mitarbeitenden im Werk in die vernetzte Umgebung der Fabrik 4.0 einzubinden. Denn sie bieten gleich mehrere Vorteile: Montagetätigkeiten lassen sich lückenlos verfolgen, vermeidbare Fehler bei manuellen Tätigkeiten reduzieren, aufwandsarme Qualitätskontrollen während der Montage umsetzen, schnelle Anpassungen an Produktvarianten durchführen und Mitarbeitende schneller einarbeiten. Kurz zusammengefasst: Digitale Assistenzsysteme steigern die Produktivität und Wirtschaftlichkeit Ihrer Produktion.

Weitere Technologien und Bausteine, welche zur digitalen Transformation auf dem Weg zur Fabrik 4.0 beitragen und wie diese implementiert werden können, werden in unserem Industrienetzwerk »Im Sprint zur Fabrik 4.0« diskutiert (siehe Leselinks).

Leselinks:

Nika Perevalova

Nika ist studierte Wirtschaftsingenieurin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich »Cognitive Engineering and Production« am Fraunhofer IAO. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf den Themen Produktionsmanagement und Montageoptimierung.

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Kategorien: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Mensch-Technik-Interaktion
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