Permanently Online, Permanently Connected – das bekannte POPC Phänomen (siehe Leselink) beschreibt unseren mediatisierten Alltag ziemlich treffend. Die Digitalisierung von Dienstleistungen prägt zunehmend den Mobilitätssektor. »Mobil per Klick« lautet das Gebot der Stunde, denn Buchung, Bezahlung oder Koordination verschiedener Mobilitätslösungen funktionieren für viele Nutzende maßgeblich über das Smartphone. So wird Mobilität nicht nur schneller, sondern mit Hilfe intermodaler Anwendungen auch nahtlos und einfach planbar.

Mobility-as-a-Service (MaaS), also die Mobilität als Dienstleistung, wird durch die Vernetzung vieler verschiedener Mobilitätsangebote ermöglicht. Durch die Integration dieses Service soll eine attraktive und vor allem langfristige Alternative zu der Nutzung des eigenen PKWs etabliert werden. Durch das integrierte, diverse und einfach zugängliche Mobilitätsangebot, gebündelt in nur einer mobilen Anwendung, soll Mobilität nicht nur einfacher, sondern vor allem auch bedürfnisorientiert werden. Doch gerade diese smarte Lösung stellt viele Städte vor große Herausforderungen. Die Flut an Anbietern innerhalb des dynamischen Markts muss reguliert und gleichzeitig müssen die Leistungen den Nutzenden bestmöglich in nur einer App zu Verfügung gestellt werden. Das Fraunhofer IAO hat innerhalb des von der EU geförderten Projekts »MaaS_together« genauer analysiert, wo derzeit die größten städtischen Herausforderungen bei der Umsetzung eines funktionierenden MaaS-Systems liegen. Zu diesem Zweck wurden Interviews mit Vertretern der in folgender Grafik skizzierten europäischen Städte durchgeführt.

Abbildung 1: Analysierte Referenzstädte. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abbildung 1: Analysierte Referenzstädte. (Quelle: Eigene Darstellung)

 

Early Stage Problems: Die schwierigen Begebenheiten der Implementierung

Wie bei vielen anderen Entscheidungen stellt sich auch bei der Implementierung eines MaaS-Systems früher oder später die Frage: Lohnt sich das finanziell überhaupt? Und in vielen Fällen lautet die Antwort hierauf »Nein«, zumindest, wenn man MaaS-Systeme betriebswirtschaftlich betrachtet: Städte müssen bei dem Aufbau von MaaS-Systemen auch mal drauflegen. Bereits vor der Implementierung ergeben sich für die umsetzenden Städte Problem- und Fragestellungen, die über die Zukunft der MaaS-Systeme entscheiden können. Dass Aufstellung und Umsetzung eines Mobilitätskonzepts für den städtischen Personenverkehr keine einfache Aufgabe sind, liegt auf der Hand. MaaS-Systeme müssen außerdem so aufgebaut werden, dass das bereits vorhandene Mobilitätskonzept intelligent ergänzt wird, ohne vorhandene Infrastrukturen zu überlasten (z. B. durch E-Scooter auf Fußwegen) und zudem einen Konflikt zwischen Anbietern, sowohl vorhandenen als auch neuen, zu vermeiden.

Verloren im Anbieterdschungel

Verständlicherweise lassen sich Konflikte in einem Wettbewerb nicht gänzlich verhindern. Städte als Anbieter des MaaS-Systems sollten das Konfliktpotenzial so gering wie möglich halten, damit alle Partner integriert werden können, die dem System nützen. Ein strategisches Management der Mobilitätsangebote durch die Stadt sorgt dafür, dass Angebote miteinander vereinbar, verhältnismäßig und aus planerischer Sicht auch umsetzbar sind. Häufig fehlt Städten jedoch die Expertise oder ein standardisierter Prozess, der die Auswahl geeigneter Mobilitätsanbieter vereinfacht. Die von uns befragten Städte äußern besondere Schwierigkeiten hinsichtlich gezielter Ausschreibungen. Große, etablierte Unternehmen bieten Projekterfahrung und Verlässlichkeit, sind aber in ihrer Servicestruktur bisweilen relativ unflexibel und somit nicht immer passend für auf die Stadt zugeschnittene, innovative Lösungen. Neulinge im Markt bringen die nötige Flexibilität und innovativen Ideenreichtum mit, verfügen aber meistens noch nicht über den Erfahrungsschatz der großen Player. Um Städten Auswege aus diesem Dilemma zu bieten, haben wir im Rahmen des Projekts MaaS_together deshalb einen strukturierten Handlungsleitfaden für Kommunen entwickelt, der detailliert aufbereitet, welche technischen und organisatorischen Aspekte bei der Implementierung eines MaaS-Systems beachtet werden müssen.

Der schwierige Spagat zwischen Delegieren und Kooperieren

Von Seiten der Städte muss ein klarer Mix aus Delegation und Kooperation, Regulierung und Freiheiten gewählt und, was möglicherweise noch entscheidender ist, den Anbietern auch vermittelt werden. Oftmals fehlt auf kommunaler Ebene eine klare Struktur, wie der Kommunikations-, Integrations- oder Managementprozess innerhalb der Organisation eines MaaS-Systems funktionieren soll. Darunter leiden letztlich die Nutzenden, da ein Angebot mit Insellösungen und Brüche im System deren Mobilitätsbedürfnisse nicht erfüllen kann. Eine weitere Hürde stellen die Anforderungen des Datenschutzes und der Datennutzung zwischen Systempartnern dar. Für die Anbieter sind die Daten ihrer Kunden nicht nur ein schützenswertes Gut, sondern auch ein handfester Wettbewerbsvorteil, der für eine MaaS-Plattform nur aufgegeben wird, wenn das System das entsprechend incentiviert.

Unsicherheiten durch nicht planbare externe Faktoren

Viele der genannten Schwierigkeiten können innerhalb der Organisation von MaaS konstruktiv gelöst werden. Doch dieses Jahr hat mit Covid-19 ein externer Einflussfaktor die urbane Mobilität massiv verändert. Ein generell gestiegenes Sicherheitsbedürfnis und die Angst einer Ansteckung bei der Nutzung geteilter Mobilitätsformen, stellen hierbei nur zwei Einflussfaktoren dar, die sich enorm auf die Nutzung von Mobilitätslösungen auswirken. Inwieweit sich die Pandemie tatsächlich auf unsere individuelle Mobilitätsauswahl auswirkt, hat das Fraunhofer IAO im Rahmen einer repräsentativen Langzeiterhebung ermittelt. Mehr zu dem Thema »Mobilitätspräferenzen während Corona« gibt’s bald hier nachzulesen – bleiben Sie gespannt!

Hintergrund des Projekts

Das Projekt MaaS_together wird innerhalb des EIT (European Institute of Innovation and Technology) Urban Mobility KICs durchgeführt, einem Konsortium bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Wissenschaft, Forschung, Industrie sowie städtischen Repräsentanten. Das Ziel des Projekts liegt darin, die verschiedenen Komponenten eines MaaS-Systems zu klassifizieren und eine Checkliste zu erstellen. Diese soll Städten, welche die Aspekte, die beim Aufbau eines solchen integrierten Systems berücksichtigt werden müssen, übersichtlich zusammenfassen. So sollen besonders die Angebotsauswahl sowie die Integration relevanter Bestandteile eines MaaS-Systems für Städte erleichtert werden. Alle Informationen rund um das Projekt finden Sie auf unserer Projektwebsite.

Leselinks:

Mira Kern

Mira Kern war Teil des Forschungsbereichs Mobilitäts- und Innovationssysteme und innerhalb des Teams Mobility Ecosystems tätig. Ihre Passion gilt Daten- und Nutzungsanalysen im Kontext urbaner Mobilität und individuellem Entscheidungsverhalten. Ihr Lebensmotto in Beruf und Alltag lautet: Team work makes the dream work!

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Kategorien: Future Mobility, Stadtentwicklung
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