Die deutsche Energiewende setzt weltweit ein Zeichen für eine vorausschauende nationale Energiepolitik. Laut dem Climate Change Performance Index 2021 liegt Deutschland bei der Weiterentwicklung seiner Klimaschutzleistungen auf Platz 19 von 61 Ländern. Ausgerechnet der Mobilitätssektor bleibt jedoch im Vergleich mit den Fortschritten in anderen Sektoren und anderen Ländern zurück. Ein Blick über den nationalen Tellerrand zeigt, wie unsere klimafreundliche Mobilität der Zukunft aussehen könnte.

Andere europäische Länder, wie die Niederlande und Finnland, sind Deutschland auf dem Weg in die Zukunft der Mobilität einen Schritt voraus. Diese Länder implementieren derzeit einen vielversprechenden neuen Mobilitätsansatz: Mobility as a Service (MaaS) – oder haben diese Konzepte bereits umgesetzt. Verkehr, Belastung und Ressourcenverbrauch können mit diesem Konzept viel effektiver gesteuert werden und das Klima deutlich entlasten. Was sind die Hindernisse bei der tatsächlichen Umsetzung von MaaS in Deutschland und welche Lektionen können wir von unseren Nachbarn lernen?

Yes they can: MaaS in anderen Ländern

Vorreiter dieses Ansatzes ist Finnland, wo MaaS Global die WHIM-App auf den Markt gebracht hat, die viele Mobilitätsmittel in und um Helsinki abdeckt, darunter öffentliche Verkehrsmittel, City-Bikes, Mietwagen, E-Scooter, Car Sharing und sogar Taxifahrten. Man kann Abos per Smartphone mit Flatrates buchen oder einfach die einzelnen Reisen bezahlen. Das Unternehmen expandiert jetzt auch in andere Länder und Städte wie etwa Wien, Tokyo und Singapur.

Ein weiteres Beispiel ist das OV-Chipkaart-System in den Niederlanden, welches alle öffentlichen Verkehrsmittel im ganzen Land abdeckt: Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen, Nah- und Regionalzüge sowie andere Transportmittel für die letzte Meile, wie etwa Leihfahrräder und Autos. OV Chipkaart funktioniert mit einem Kreditsystem, bei dem der Preis für jede Fahrt berechnet wird. Man kann die Karte mit Guthaben laden, wenn man anonym bleiben möchte oder ein Abonnement darauf laden.

Zusätzlich können auf Basis einer solchen flexiblen Plattform und den intermodalen Optionen weitere Anreize, wie beispielsweise ein frei verfügbares Mobilitätsbudget eingeführt und somit die Nutzung des ÖPNV und weiteren nachhaltigeren Mobilitätsformen gefördert werden.

Ähnliche Ansätze finden sich in Frankreich, Belgien, Großbritannien und einigen anderen europäischen Ländern. Gemeinsam ist allen, dass funktionierende Anwendungen zu einem deutlichen Anstieg der intermodalen Fahrten führten. Ein Kund*innenbedürfnis und ein Markt sind also vermutlich auch hierzulande vorhanden – doch noch fehlen die Angebote und offensichtlich auch (noch) der politische Gestaltungswille dazu.

Politik als Mobilitäts-Enabler

Damit das volle Potenzial von MaaS ausgeschöpft werden kann und die allgemeine Akzeptanz weiter wächst, muss ein ganzheitliches Mobilitätskonzept mit attraktiven Alternativen bereitgestellt werden. Dafür ist es allerdings notwendig, dass sämtliche Mobilitätsanbieter ihre Daten und Schnittstellen teilen, damit diese in eine Plattform integriert werden können, die eine zentralisierte Reiseplanung und Bezahlung ermöglicht. Um dieses Problem anzugehen, verlangt die Gesetzgebung beispielweise in Finnland von den Mobilitätsanbietern, dass sie ihre Daten und Schnittstellen für die Datenintegration teilen. Eine solche Gesetzgebung fehlt in Deutschland und das muss sich ändern.

Eine MaaS-Plattform muss einfach, vollständig und nutzer*innenfreundlich sein. Die Mobilitätsanbieter sollten verpflichtet sein, die Schnittstellen verfügbar zu machen. Im besten Fall kann man sich auf einen Standard bzgl. der Schnittstellen einigen, sodass die Integration von neuen Anbietern einfach gelingt. In Deutschland gibt es eine derartige Einigung nicht, sodass eine starke Regulierung vom Staat sinnvoll wäre.

Denkbar wäre, dass eine Open Source Backend Plattform zur Integration von Mobilitätsanbietern öffentlich gefördert und weiterentwickelt wird, mit der sämtliche Mobilitätsanbieter einer Region eingebunden werden können. Jedes Unternehmen, das MaaS-Lösungen anbieten möchte, ist so in der Lage, die Open Source Plattform mit dem eigenen Frontend zu verknüpfen und somit den Nutzer*innen zu ermöglichen, intermodale Reisen zu buchen. Somit wird sichergestellt, dass Mobilitätsanbieter nicht ausgeschlossen werden und sie unabhängig von den MaaS-Anbietern bleiben. Ein offener Standard trägt außerdem maßgeblich dazu bei, die Markteintrittshürde für Start-ups und Innovationen zu reduzieren und den Wettbewerb zu beleben. Darüber hinaus sollen die Unternehmen Lösungen zur einheitlichen Bezahlung und Identitätsprüfung von Nutzer*innen anbieten.

Im Projekt Eco Fleet Services beispielsweise, das vom Fraunhofer IAO – Anwendungszentrum KEIM als Konsortialführer geleitet wird, wurde der Grundstein einer derartigen Open Source Plattform gelegt. Die sogenannte Middleware, die als Adapter für beliebige Mobilitätsdienste dient, ermöglicht jedem Mobilitätsdienst sogar, sich selbstständig anzubinden. Stadtmobil und Nextbike wurden bereits vom Eco Fleet Services Team integriert. Herzstück der Anwendung für die Nutzer*innen ist ein Mobilitätsmarktplatz, der als Plattform dient, um die angebundenen Mobilitätsdienste zu vergleichen und den Nutzer*innen über Browser oder App das Buchen zu ermöglichen. Die Pilotierungsphase erfolgt in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Heidelberg, welche Konsortialpartner im Projekt Eco Fleet Services ist. Der Mobilitätsmarktplatz wurde in die betriebliche Mobilität integriert, sodass die Mitarbeitenden nun die Möglichkeit haben, Ihre Dienstreisen und Dienstgänge über die Mobilitätsplattform zu suchen und zu buchen.

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Anamaria Cristescu

Anamaria Cristescu ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Elektromobilität, nachhaltiger Mobilität und IoT am Fraunhofer IAO/KEIM Anwendungszentrum. Ihre Leidenschaft für Marketing und Kommunikation führte sie stets dazu, mit Kreativität neue Wege zu beschreiten, um komplexe Themen nutzerzentriert darzustellen.

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