Stellen Sie sich vor, Sie könnten sich jeden Morgen neu entscheiden, welches Transportmittel Sie für Ihren Weg zur Arbeit nutzen wollen. Bei schönem Wetter leihen Sie sich ein Fahrrad; wenn Sie spät dran sind, bestellen Sie ein Taxi vor Ihre Haustür, sodass Sie auf dem Weg noch ein paar Aufgaben erledigen können; an manchen Tagen nutzen Sie den ÖPNV oder ein Car-Sharing Angebot. Die Vorstellung, jeweils das passende Angebot herauszusuchen, klingt vielversprechend und anstrengend zugleich. Doch was, wenn das in Zukunft mühelos möglich ist?

Mobility à la carte

Die Megatrends Vernetzung und Digitalisierung prägen unterschiedlichste Lebensbereiche. Auch die Mobilität von morgen wird dadurch beeinflusst. Mobility-as-a-Service (MaaS) beschreibt ein innovatives Geschäftsmodell, das die Art und Weise wie wir uns in Zukunft, insbesondere in urbanen Räumen, fortbewegen, transformiert. MaaS ermöglicht es Nutzenden, unterschiedliche Mobilitätsdienstleistungen in einer Anwendung unkompliziert nach persönlichen Wünschen und Bedürfnissen zu verbinden: Mobility á la carte, individuell und passgenau. Grundlage für die Nutzung ist eine digitale Plattform. Nutzende haben die Möglichkeit nahtlos verschiedene Transportmittel nach Bedarf, gebündelt in einer App, auszuwählen. Der Fokus liegt dabei auf der Nutzung und nicht auf dem Besitz eines Transportmittels. Zudem beinhaltet MaaS sämtliche Prozessschritte der Transaktion, z. B. Information über die Reise, Buchung, Ticketing und Bezahlung. Je nach Geschäftsmodell können zudem Mobilitätspakete oder -bündel im Abonnementformat gebucht werden, sodass z. B. neben einem ÖPNV-Abonnement Freiminuten für neue, geteilte Mobilitätsformen enthalten sind. Beispiele für MaaS sind WHIM (u. a. in Helsinki) und Jelbi (in Berlin).
Die Vorteile für die Nutzenden liegen auf der Hand. Doch wie muss ein MaaS-Angebot konkret ausgestaltetet sein, damit es auch tatsächlich genutzt wird? Unsere Analysen zeigen auf, welche Faktoren von Nutzenden als nützlich wahrgenommen werden und inwiefern diese die Akzeptanz bzw. Nutzungswahrscheinlichkeit von MaaS beeinflussen.

Ergebnisse: vier relevante Nutzendimensionen aus Anwendersicht

In unserer Forschung haben wir vier Dimensionen (emotional, funktional, ökonomisch und sozial) identifiziert, auf denen MaaS einen Nutzen stiften kann. Diese sind also Treiber dafür, dass MaaS genutzt wird. Das bedeutet, dass beispielsweise durch die Integration von Elementen, die den emotionalen Nutzen von MaaS-Angeboten steigern, sich die Wahrscheinlichkeit MaaS zu nutzen ebenfalls erhöht.

Um aus den Forschungsergebnissen für die Praxis zu lernen, orientieren wir uns an der Importance-Perfomance Matrix von Martilla and James (1977), in der die Ergebnisse eingeordnet sind und sich direkt Handlungsempfehlungen ableiten lassen.

Abbildung: Nutzen-Einfluss-Matrix (Quelle: In Anlehnung an Martilla/James [1977], S.78)

Abbildung: Nutzen-Einfluss-Matrix (Quelle: In Anlehnung an Martilla/James [1977], S.78)

Die Vierfeldertafel stellt dar, welche Nutzendimensionen als besonders nützlich wahrgenommen werden (x-Achse) und zeigt gleichzeitig auf welchen Einfluss diese auf die Nutzungsintention haben (y-Achse). Je nach Einordnung der Teilnutzen in das Koordinatensystem ergeben sich unterschiedliche Handlungsempfehlungen. Das Verfahren gibt Hinweise darauf, auf welcher Nutzendimension bei der Gestaltung von MaaS ein besonderer Fokus liegen sollte, um die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzenden zu erfüllen und somit die Akzeptanz zu erhöhen.

  1. 1. Emotionaler Nutzen: MaaS muss Spaß machen (großer Einfluss)
    Der wichtigste Faktor ist, dass die Nutzung von MaaS Freude und Spaß auslöst. Beispielsweise könnten innovative Mobilitätsangebote integriert werden, wie E-Kick-Scooter oder die MaaS-App in ihrer Bedienung und Anwendung selbst vereinfacht werden. Auch spielerische Elemente wie Incentivierungen oder Gamificationansätze können die Motivation für die MaaS-Nutzung steigern.
  2. 2. Funktionaler Nutzen: MaaS sollte schnell und effizient sein (mittlerer Einfluss)
    Der grundlegende Nutzen von MaaS ist der Transport von A nach B, wie bei jedem Mobilitätsangebot. Die Erwartungen sind hoch: Die MaaS-Nutzung per App muss eine schnellere, einfachere und effizientere Fortbewegung ermöglichen. Von großer Wichtigkeit ist entsprechend die Auswahl an relevanten Mobilitätsdienstleitern in einem MaaS-System.
  3. 3. Ökonomischer Nutzen: Günstig sein schadet nicht (mittlerer Einfluss)
    Nutzende erhoffen sich finanzielle Vorteile durch die Nutzung von MaaS. Dies ist insbesondere bei Jüngeren stärker ausgeprägt und damit von besonders großer Relevanz, da diese Gruppe als frühe Nutzerschaft identifiziert werden konnte. Daher sollte das MaaS-Angebot einen angemessenen Preis haben und die Kosteneffizienz auch transparent machen.
  4. 4. Sozialer Nutzen: Die Meinung Anderer ist irrelevant für die Nutzung von MaaS (kein Einfluss)
    Inwiefern andere Personen, z. B. der Freundeskreis, MaaS nutzt, spielt keine Rolle für die Entscheidung, selbst MaaS zu nutzen.

Die Forschung stellt bewusst die (potenziellen) Nutzenden in den Fokus und bezieht deren Sichtweise und psychologische Faktoren ein. Denn letzten Endes sind sie die Zielgruppe, für die MaaS-Geschäftsmodelle wertorientiert entwickelt werden müssen. Durch die kundenzentrierte Ausgestaltung von MaaS-Konzepten lässt sich die Akzeptanz für die Nutzung steigern. Die größte Wirkung erzielt dabei ein höherer emotionaler Nutzen. Nutzenden ist es wichtig, dass sie bei der Nutzung Spaß haben, positive Emotionen und Erlebnisse mit MaaS verbinden.

Für weiterführende Informationen und Fragen steht das Team »Mobility Ecosystems« jederzeit zur Verfügung.

Leselinks:

Die Ergebnisse der Forschung an der AHFE-Konferenz und das zugehörige wissenschaftliche Paper sind unter folgendem Link Open Access verfügbar:

Nicolaj Motzer

Nicolaj ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Mobility Ecosystems am Fraunhofer IAO und IAT der Universität Stuttgart. Mit seiner Forschungsarbeit will er den Mobilitätswandel mitgestalten und digitalisierte Mobilitäts-Ökosysteme für alle nutzbar machen.

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Kategorien: Digitalisierung, Future Mobility, Innovation, Stadtentwicklung
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