IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015: »Zukunftstadt«

Die Städte der Zukunft stellen uns vor größte Probleme – und liefern uns die größten Chancen. Welche der beiden Optionen Wirklichkeit wird, hängt davon ab, wie wir die Stadt von morgen heute denken und planen und welche Weichen wir konkret für eine wünschenswerte Zukunft stellen.

Der Rahmen unserer Zukunft: Globale Megatrends

Die globalen Megatrends markieren den Spielraum, der uns für die Gestaltung und Entwicklung einer wünschenswerten Zukunft, einer lebenswerten Stadt gegeben ist: Im Jahr 2050 wird die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten leben. Im dicht besiedelten Deutschland sind es heute schon über drei Viertel der Bevölkerung, mit weiter steigender Tendenz. Wir müssen für die Stadt der Zukunft also in neuen Dimensionen denken: Was heute eine »Mega-City« ist, wird in wenigen Jahrzehnten Standard sein. Fragen der Versorgung, der Mobilität (Der Widerspruch zwischen Auto und Stadt: Lösungen für die Zukunft) und der innerstädtischen Wirtschaftskreisläufe (Wie sollten wir produzieren, damit wir wettbewerbsfähig bleiben?) müssen angesichts dieses immensen Städtewachstums im Rahmen des Megatrends zur Urbanisierung neu gestellt und beantwortet werden. Die gesellschaftliche Kernfrage im Wettbewerb um Zukunftschancen ist deshalb, inwieweit wir uns selbst frühzeitig auf diese Entwicklungen einstellen und neue Modelle des städtischen Lebens und Wirtschaftens entwickeln können.

Unsere Herausforderung: Das neue Ökosystem Stadt

Ein Schlüssel für die Stadt von morgen ist dabei die Konzeption und Etablierung neuer kollaborativer Geschäftsmodelle. Stadtsysteme wie Energie, Mobilität, Logistik, Produktion, Kommunikation oder bürgernahe Dienstleistungen werden bereits heute neu definiert. An die Stelle des Wettbewerbs vieler Akteure um immer knappere öffentliche Mittel werden in Zukunft beispielsweise immer stärker öffentlich-private Partnerschaften für die Finanzierung und den Betrieb von Gebäuden oder Infrastrukturen treten. Heute fehlen uns allerdings noch praxistaugliche und innovative Modelle für die Finanzierung dieser Zukunftsmodelle der neuen Stadtwirtschaft.

Auch die Rolle der Bürgerinnen und Bürger als solche wird in der Stadt der Zukunft eine andere sein: An die Stelle der Teilhabe wird immer öfter die aktive Partizipation – auch und gerade bei Entscheidungsprozessen – treten: Es gibt bereits heute zahlreiche Beispiele dafür, dass Bürger sich in Genossenschaften organisieren und in städtische Blockheizkraftwerke, Straßenbeleuchtungen, kulturelle Einrichtungen oder innovative soziale Dienstleistungen (Die Spinne im (Stadt-) Netz: wer zieht die Fäden zukünftiger Smart Urban Services?) investieren oder diese sogar selbst betreiben. Was der »Smart City«-Diskussion aber bisher fehlt, ist das Begreifen von intelligenten Stadtkonzepten als Investitionschancen in Zeiten, in denen das Geld auf der Bank immer weniger Zinsen bringt. Eine der spannendsten Herausforderungen für die angewandte Forschung wird es deshalb sein, visionäre Konzepte mit tragfähigen Finanzierungskonzepten zu flankieren und diese gemeinsam mit Bürgern, Stadtverwaltung und Unternehmen zu realisieren.

Unsere Chance: Deutschland als »Living Lab« für die Zukunftsstadt

Städte im 21. Jahrhundert sind dann erfolgreich, wenn sie Kreativität und Innovation unter Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse fördern und die eigenen Bewohner nicht nur als Empfänger öffentlicher Ressourcen wahrnehmen, sondern als ihr »Kapital« für die Erzeugung öffentlicher Güter. Für diesen Paradigmenwechsel im Verhältnis der Stadt (Urbanisierung anders gedacht: Städte als Dienstleistergemeinschaft) und ihrer Bewohner müssen die Bürgerinnen und Bürger von Beginn an durch Schaffung von Räumen für Kommunikation und Austausch an Stadtentwicklungsprozessen partizipieren können.

Dies ist die zentrale Mission der Fraunhofer Morgenstadt-Initiative, die mit zahlreichen Partnern aus Forschung, Kommunen und Wirtschaft bereits seit 2011 an der Realisierung der Stadt von morgen forscht. Die Zeit wird zeigen, ob es uns gelingt, durch diesen Innovationsvorsprung die Transformation der Städte nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zu gestalten. Hierzu müssen aber Städte, Wirtschaft, Politik, Forschung und Gesellschaft an einem Strang ziehen.

Ausgerechnet Deutschland, das Pessimisten bisweilen vor dem demografischen Kollaps sehen, könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen: Die meisten globalen Megatrends – von der Alterung der Gesellschaft über die nachhaltige Entwicklung bis hin zur Urbanisierung – sind hierzulande weit fortgeschritten. Begreifen wir das als Chance, damit wir unsere Zukunft auch als solche gestalten können: Deutschland als »Living Lab« für die Stadt der Zukunft.

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Wilhelm Bauer

Als geschäftsführender Institutsleiter führt Wilhelm Bauer das Fraunhofer IAO mit ca. 650 Mitarbeitern. Er verantwortet dabei Forschungs- und Umsetzungsprojekte in den Bereichen Innovationsforschung, Technologiemanagement, Leben und Arbeiten in der Zukunft, Smarter Cities und Mobility Innovations.

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