Zukunftsbilder sind Ideen- und Gedankenskizzen über zukünftige menschliche Lebensräume. Mit ihnen kann Orientierung geschaffen und Zukunft gestaltet werden. Doch allzu oft werden Zukunftsbilder in einem Expertenrahmen entwickelt – und damit ohne die, für die sie eigentlich bestimmt sind.

Zukunftsbilder müssen sich an den Bedarfen der Gesellschaft orientieren und ihre vielfältigen gesellschaftlichen Perspektiven miteinbeziehen. Denn die Gesellschaft ist es, für die eine Zukunft skizziert wird, sie ist es, die letztendlich betroffen ist. Nur wenn die Vielfalt aller involvierten gesellschaftlichen Gruppen bereits in ihre Entwicklung mit einfließt, können die wirklich relevanten Themen identifiziert werden. Die »Alltagsexpertinnen und -experten« aus der realen Welt verfügen über wertvolles, oft implizites Wissen und konkrete Erfahrungen, die für gelungene Zukunftsbilder essenziell sind.

Über Zukunft reden – eine Frage der Methodik

Wir haben uns im Projekt »Horizonte erweitern« zur zukünftigen Entwicklung ländlicher Räume genau dieser Problematik gewidmet. Wie kann man mit der Gesellschaft über Zukunft reden? Und wie kann das implizite Wissen von Alltagsexperten freigelegt und artikulierbar gemacht werden?

Die Herausforderung liegt darin, weit weg und gleichzeitig anwendbar zu denken, problemorientiert, dabei produktiv und geerdet. Dieser Aufgabe haben wir uns in Form eines Ideation-Workshops zu Zukunftsbildern ländlicher Räume angenommen und sind methodisch folgendermaßen vorgegangen:

(Vielfalt der) Expertinnen und Experten – die richtige Mischung

Die Teilnehmendenauswahl und -akquise war ein wichtiger Bestandteil des angestrebten Workshop-Formats und wurde in drei Gruppen und Kontexte gegliedert.

  1. 1. Fachexpertinnen und -experten im hier und jetzt: sie können Ideen visionär diskutieren, erden und verknüpfen, relativieren und Möglichkeiten denken.
  2. 2. Alltagsexpertinnen und -experten .durch persönliche Betroffenheit: sie denken problemorientiert und aus eigenen Erfahrungsräumen heraus, sie können akute Probleme und Bedarfe ihrer Lebenswelt benennen und thematisieren
  3. 3. Expertinnen und Experten aus Gestaltung und Design: sie können zukunftsorientiert Ideen und Gedanken abstrahieren, zuspitzen, aus Alltagsproblemen Fragen an die Zukunft stellen und diese abstrakt weiterdenken.

Spielplatz für Ideen

Für den Workshop entwickelten wir ein Methodenset aus materiellen, raumgestalterischen und kreativen Elementen. So bekam jeder Teilnehmende unterschiedliche Möglichkeiten, seine Alltagsexpertise einzubringen.

Mit der Ponderosa, einem Kreativ-Gutshof in der brandenburgischen Uckermark, fanden wir ein geeignetes Refugium, um unsere Teilnehmenden anzuregen, in anderen Dimensionen und Zeiten zu denken. Der Ort bietet einen gedanklichen Spielplatz, der durch viel Grün und Natur selbst für das Thema des ländlichen Raumes steht, aber auch die angemessene Kreativität und den Mut zu »unvollständigem« gestattet.

In diesem räumlichen Kontext haben wir fünf thematisch angepasste Denkräume eingerichtet, welche die besprochenen Themen auch visuell zum Ausdruck brachten. So wurde sich beispielsweise im Denkraum Caravan, einem alten Wohnwagenanhänger, auf die Themen Transport, Vernetzung, Wege und Wohnen fokussiert.

Kreativmethoden inspirierten und unterstützten die Teilnehmenden beim Zukunftsdenken: mit Hilfe von Fragetemplates, Chancenradaren und Zukunftsthesen mussten die Teilnehmenden schnell Ideen generieren, Ideen von anderen weiterspinnen oder miteinander kombinieren. Zum Schluss bekamen die Teilnehmenden noch einmal Zeit, eine konkrete Idee in Form eines Szenarios weiter auszuarbeiten.

Landzukünfte denken – unsere Learnings

Dank des methodischen Ansatzes konnten Zukunftsbilder entwickelt werden, die gleichzeitig visionär und geerdet sind. Z.B. ein neuartiger Dorfcampus, eine analoge und digitale Lern- und Begegnungsstätte zur Integration von Neuzugezogenen, Alteingesessenen, unterschiedlichen Generationen und Migranten. Dieses Zukunftsbild basierte auf dem Problem der Gruppe »Alltagsexpertise«, dass die lokale Gemeinschaft in den ländlichen Räumen schwindet. Es verknüpft diese Herausforderung mit den Erfahrungen der Fachexpertinnen und -experten zu den Themen Digitalisierung und Migration im ländlichen Raum und gibt so Denkanstöße für technologische Entwicklungen. Bei der Entwicklung dieses Szenarios wurden vielfältige Ideen, die die Teilnehmenden im Workshop entwickelten, kombiniert und mit Hilfe der Gestalterinnen und Gestalter in ein visuelles Szenario überführt.

Zukunftsbilder mit Alltagsexperten zu entwickeln macht Spaß, und kann methodisch unterstützt und – entsprechend vorbereitet – zu neuen Ideen führen. Expertinnen und Experten des Alltags werden ernst genommen und dabei unterstützt, ihr implizites Wissen zu artikulieren. Damit ist die Arbeit der Forschung jedoch nicht getan. Vielmehr müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun die Ideen noch einmal analysieren, verknüpfen und zu wünschenswerten, möglichen und plausiblen Zukunftsszenarien weiterentwickeln.

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Kategorien: Innovation, Stadtentwicklung
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