Das Internet sowie die mobile Kommunikation haben unsere Lebenswelten auf ungeahnte Weise verändert und unseren Alltag durch zahlreiche Innovationen manchmal verkompliziert, grundsätzlich aber vor allem vereinfacht. Die nächsten technologischen Innovationssprünge sind bereits absehbar: Das Internet wird mit der realen Welt oder was auch immer wir dafür halten »verschmelzen«. Über Sensoren und vernetzte Kommunikation ermöglicht es das »Internet of Things«, Systeme intelligent und autonom zu gestalten und den Informationsfluss in Echtzeit zu managen. So kann zukünftig vielleicht der Kühlschrank das Auto einkaufen schicken, wenn mal wieder die Milch alle ist. Dieser Gedanke liegt dem Smart-City-Ansatz zugrunde. Zahlreiche Forschungsprojekte beschäftigen sich mit den Möglichkeiten und Vorteilen von intelligenten Infrastrukturen und smarten Services. Doch sind die Projekte meist auf reiche und hochentwickelte Länder und Städte fokussiert. Vernachlässigt wird in der Smart-City-Debatte der Fakt, dass die Brennpunkte der Urbanisierung nicht in der westlichen Hemisphäre zu finden sind.

Die Hotspots der Urbanisierung liegen in Entwicklungsländern

Momentan liegt der Verstädterungsgrad der High-Income-Countries noch weit vor den Ländern mittleren und niedrigen Einkommens. Jedoch sind gerade arme Länder durch eine starke Zunahme der Bevölkerung und eine beachtliche Wanderungstendenz in den städtischen Raum geprägt. Kamen 1950 noch knapp zehn Prozent der Weltbevölkerung aus Afrika, so wird es 2050 schätzungsweise ein Viertel sein. Auf keinem anderen Kontinent wächst die Stadtbevölkerung so schnell wie in Afrika. Der Großraum Lagos wächst jährlich um 600 000 Menschen an. Zehn Prozent der Bevölkerung leben dort auf einem Gebiet von 0,4 Prozent der Landesfläche.

Schon heute leben über 70 Prozent der afrikanischen Stadtbevölkerung in Slums. Nur etwa ein Fünftel der Haushalte hat Zugang zu Wasser- und Elektrizitätsversorgung und nur etwa sieben Prozent sind an das Abwassersystem angeschlossen. Eine Abnahme dieser Tendenzen ist momentan unwahrscheinlich. Man schätzt, dass künftig sieben von zehn Stadtbewohnern in Entwicklungsländern leben.

Vor diesem Hintergrund erscheint es doch gänzlich un-smart, dass sich besonders innovative Stadtentwicklungsprojekte heutzutage vor allem mit Themen beschäftigen, die weniger wirkliche menschliche Grundbedürfnisse befriedigen, sondern vielmehr darauf ausgerichtet sind, neue zu erzeugen. Was wäre der zivilisierte Mensch denn schon ohne funktionierendes Internet.

Ungesteuerte Handlungsfelder bedrohen die Leistungsfähigkeit der Städte

Der Druck auf die Städte ist enorm. Zum einen leiden die Städte durch die schiere Größe der Stadtsysteme an sich, zum anderen durch das schnelle Wachstum. Durch den massiven Zuzug – über 1500 Personen in Lagos pro Tag – kommen die Stadtverwaltungen nicht hinterher, adäquate Infrastrukturen zu errichten. So besitzen zahlreiche Viertel keinen Anschluss an das Wasser- und Elektrizitätsnetz. Das vorhandene Verkehrsnetz ist den Anforderungen nicht gewachsen und führt zu Staus, welche mit der hiesigen Rush-Hour in keiner Weise zu vergleichen sind. Die nicht vorhandene Müllbeseitigung und mangelnde Hygiene führen zum Ausbruch von Krankheiten und schlechten Lebensbedingungen. Hinzu kommt, dass Slums oft in Risikogebieten errichtet und somit als erste das Opfer einer Überschwemmung, eines Erdbebens oder einer Nahrungsmittelkrise werden.

Die ungeregelte Verstädterung hat ebenfalls starke negative soziale Auswirkungen. Die Kriminalitätsrate steigt und statt des erhofften Reichtums erwartet die Bewohner teilweise eine noch größere Armut als auf dem Land.

Gehen die Entwicklungen weiter wie bisher, so werden sich die negativen Auswirkungen der Urbanisierung in Entwicklungsländern noch verstärken. Durch das ungesteuerte Wachstum werden die Probleme überproportional zunehmen und das städtische Wirtschaftssystem wird an die Grenzen des Zusammenbruchs geführt.

Hunger, Krankheiten und die Kämpfe um die verbleibenden Ressourcen sind auch genau die Gründe, warum Menschen derzeit weltweit nicht nur in Städte wandern, sondern auch über Grenzen. Sie sind nicht auf der Suche nach smarter Technik, sondern nach einem lebenswerten Leben. Diesem Anspruch muss smarte Stadtentwicklung gerecht werden.

Denn Failed Cities sind die Städte in denen alle leben, in denen aber keiner leben will.

Lest im nächsten Beitrag die Fortsetzung »Smart Cities sind kein Privileg reicher Industrienationen«.

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