Bis 2036 werden laut Kalkulationen des Statistischen Bundesamts 30 Prozent der zur Verfügung stehenden Fachkräfte aus dem Berufsleben ausscheiden. Von den jüngeren Generationen kann diese Lücke nicht geschlossen werden. Auch der Wettbewerb mit anderen Branchen um Arbeitskräfte zieht an – Quereinsteigende mit passenden Fähigkeiten werden an vielen Stellen gesucht und Wechselwillige mit besserer Bezahlung, flexibleren Arbeitszeiten oder Weiterentwicklungsangeboten abgeworben. Zudem sorgen Krisen und Inflation für ein schwer planbares Umfeld in der Personalentwicklung.

Um weiterhin gute Köpfe zu rekrutieren, müssen Händlerinnen und Händler alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel aktiv nutzen: Vor allem digitale Werkzeuge bieten hier noch ungenutzte Chancen, um potenzielle Interessierte für freie Stellen in der eigenen Bäckerei, dem Schuh- oder Blumenladen zu erreichen. Sie können mehr Aufmerksamkeit für das Unternehmen als Arbeitgeber schaffen, aber auch die eigenen Prozesse beschleunigen und Aufgaben besser strukturieren.

Die wichtigsten Maßnahmen und Instrumente für ein erfolgreiches digitales Recruiting im Handel haben wir hier für Sie zusammengefasst:

Tipp 1: Sehen Sie die Karriere-Website als digitale Visitenkarte

Die Website ist der zentrale Anlaufpunkt für Arbeitssuchende, die sich über einen potenziellen Job informieren. Folgende Punkte sind u. a. zu beachten:

  • Der Karrierebereich ist leicht auffindbar und erreichbar, etwa durch einen extra Menüpunkt in der Hauptnavigation, oder bei größeren Unternehmen durch eine eigene Website.
  • Alle Informationen zu offenen Stellen wie Benefits und Weiterbildungsmöglichkeiten, zum Bewerbungsprozess und zum Unternehmen sind leicht einsehbar, aktuell und vollständig.
  • Authentische Fotos oder Videos von Mitarbeitenden bei der alltäglichen Arbeit geben realistische und persönliche Einblicke hinter die Kulissen.
  • Inhalte sind so gestaltet, dass Jobsuchende sich willkommen und wertgeschätzt fühlen und man bekommt Lust, sich hier zu bewerben. Machen Sie gerne den Selbst-Test oder fragen sie Bekannte, welchen Eindruck sie gewinnen.
  • Die Seite wurde einem »SEO-Check« unterzogen und ist somit u. a. auf Aspekte der Nutzerfreundlichkeit und technische Funktionen (auch mobile Responsiveness als wichtiges Kriterium für den Zugang mit mobilen Endgeräten) geprüft, die sich auf die Suchmaschinenplatzierung und die Sichtbarkeit auswirken.

Tipp 2: Social-Media-Kanäle gezielt auswählen und nutzen

Über Social-Media-Kanäle wie Instagram, YouTube oder LinkedIn werden Jobsuchende gezielt dort abgeholt, wo sie sowieso bereits viel Zeit verbringen. Besonders junge Zielgruppen folgen dort Unternehmen, die sie spannend finden und treten in den Austausch.

  • Mithilfe sog. »Persona-Modelle« können Sie z. B. recht einfach klären, welche Typen von Mitarbeitenden Sie genau suchen. Auf dieser Basis können dann auch geeignete Kanäle identifiziert werden.
  • Konzentrieren Sie Ihre Aktivitäten: Wählen Sie lieber 1-2 passende Kanäle aus und bespielen Sie diese regelmäßig und mit Konzept, statt alle Kanäle nur sporadisch zu nutzen.
  • Statt einer werblichen Ansprache sollten Sie den Fokus auf Authentizität setzen. Zeigen Sie auf nahbare und kreative Art, wer ins Unternehmen passt, welche spannenden Aufgaben es gibt und welche Vorteile Sie bieten.
  • Binden Sie Mitarbeitende aktiv ein – sie sind glaubwürdige Botschafter für ihr Unternehmen und in ihnen schlummern viele kreative Ideen, die ihre Kommunikation bereichern kann.

Tipp 3: Mitarbeitende digital in die Suche einbinden

Die eigenen Mitarbeitenden kennen das Unternehmen am besten und können oft zielführende Empfehlungen für offene Stelle geben.

  • Schaffen Sie optimale Voraussetzungen, indem sie Wert auf eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit legen, die sich positiv auf die Empfehlungsbereitschaft auswirkt.
  • Überlegen Sie, ob ein Mitarbeiterempfehlungsprogramm für Sie sinnvoll ist und setzen Sie geeignete Anreize für Weiterempfehlungen ein: z. B. Prämien oder Gutscheine.
  • Vergessen Sie nicht die digitalen Netzwerke der Mitarbeitenden: Jeder besitzt im Schnitt ca. 150 Social-Media-Kontakte, die durch digitale Tools für die Jobsuche nutzbar gemacht werden können.
  • Kommunizieren Sie klar und deutlich: Wissen alle Mitarbeitenden, wo und welche Stellen ausgeschrieben werden, wie sie ihre Empfehlungen einreichen können und wie der Auswahlprozess und die Prämienbedingungen aussehen?

Tipp 4: Alles an einem Ort im Bewerbermanagement-System

Eine Recruiting Software, oft auch Bewerbermanagement-System genannt, umfasst alle relevanten Prozesse der Personalbeschaffung: Von der Kandidatensuche, über das Erstellen von Stellenanzeigen bis hin zur Bewerberauswahl.

  • Vergleichen Sie Ihre benötigten Funktionen in einem Software-Auswahltool. Wichtige Funktionen umfassen u. a. flexible Bausteine für die Karriereseite, Active Sourcing-Tools (direkte und persönliche Ansprache vielversprechender Kandidatinnen und Kandidaten), Vorlagen u. a. für Stellenanzeigen, SEO-Tools (siehe Tipp 1), Multiposting (gleichzeitige Veröffentlichung einer Stellenanzeige auf mehreren Kanälen), Analytics und Dashboards, Bewerberverwaltung und CRM-Funktionen.
  • Achten Sie darauf, dass auch Schnittstellen zu ihren bestehenden IT-Systemen möglich sind.
  • Viele Systeme bieten übrigens Testversionen oder sind in gewissem Rahmen kostenfrei nutzbar.
  • Nutzen Sie die integrierten Funktionen, um Ihre Prozesse möglichst zu beschleunigen, zu automatisieren und transparent darzustellen.
  • Überlegen Sie, welche weiteren Erkenntnisgewinne sie aus den gesammelten Daten gewinnen: Lässt sich Ihre Recruiting-Strategie vielleicht noch optimieren?

Tipp 5: Jobbörsen und Jobsuchmaschinen richtig nutzen

Um bei Jobsuchen gefunden bzw. angezeigt zu werden, gibt es verschiedene Anlaufstellen:

  • Jobbörsen: Neben den Generalisten (z. B. Stepstone oder Monster) erzielen Spezialisten und Nischen-Jobboards (z. B. einzelhandel.jobs) zwar eine kleinere Reichweite, haben aber weniger Streuverluste. Anzeigen können auch in Business Netzwerken wie LinkedIn geteilt werden.
  • Jobsuchmaschinen: Sie veröffentlichen selbst keine Stellenanzeigen, sondern zeigen andere Jobbörsen und Karriereseiten an. Damit greifen sie rund die Hälfte aller Bewerbenden ab. Bei Klick wird ein Interessent auf die eigene Karriereseite weitergeleitet, weshalb diese gut gepflegt sein sollte. Die weltweit größte Suchmaschine für Stellenanzeigen ist Google Ads.
  • Es sollten auch weitere kostenfreie Plattformen wie die Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit genutzt werden, um mehr Reichweite zu schaffen.
  • Multiposting-Tools helfen dabei, Stellenanzeigen gleichzeitig auf mehreren Kanälen zu schalten und so besonders zeitsparend zu arbeiten.

Tipp 6: Zukunftsfähig aufstellen mit KI-basierten Tools

Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) können auf große, unstrukturierte Datenmengen zugreifen und sie verarbeiten, indem sie Daten filtern, abgleichen oder nach bestimmten Kriterien ranken.

  • Welche Routineaufgaben im Recruiting möchten Sie gerne abgeben? KI kann u. a. beim Screening von Bewerbungen, der Analyse von Lebensläufen, der Identifizierung von relevanten Kandidatenprofilen und der Automatisierung von Terminvereinbarungen unterstützen.
  • Bereiten Sie Entscheidungen vor und gewinnen Sie neue Einblicke mit KI: Anhand von Daten aus vergangenen Einstellungsprozessen und Leistungsdaten der Mitarbeiter können Sie z. B. Vorhersagen treffen, welche Bewerber am besten zur Stelle passen.
  • Begreifen Sie KI als unterstützendes Werkzeug, das sie für Ihre Zwecke einsetzen können. Die endgültige Entscheidung über die Einstellung eines Kandidaten sollte immer von Ihnen selbst getroffen werden.
  • Informieren Sie sich eingehend zu Angeboten und Einsatzmöglichkeiten. Mehr Infos dazu finden Sie in den Leselinks.

Tipp 7: Arbeitgebermarke: Die Basis der Recruiting-Strategie

Eine starke Arbeitgebermarke gibt Orientierung und Struktur, um sich als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgebender wirksam von anderen abzusetzen:

  • Erarbeiten Sie aktiv Ihren Markenkern als Arbeitgeber und definieren Sie die einzigartigen Eigenschaften, die sie ausmachen und Bewerbende überzeugen. Hilfreiche Instrumente dafür sind ein »Image-Check« oder eine »Candidate Journey«.
  • Definieren Sie Ihre Kernbotschaften und ein langfristiges Kommunikationskonzept mit Blick auf Ihre Zielgruppen und geeignete Kommunikationskanäle
  • Lassen Sie sich von guten Beispielen anderer inspirieren, aber erzählen Sie dann unbedingt Ihre eigene Geschichte in Ihrer eigenen Sprache.

Mehr zu diesen Tipps sowie weiterführende Links zu Beispielen und Best Practices bietet der Leitfaden »Recruiting-Strategien im Handel – 7 Tipps für die digitale Personalgewinnung« (siehe Leselinks).

Leselinks:

Julia Berner

Julia Berner ist Forscherin, Kommunikatorin und Innovationsbegleiterin an der Schnittstelle von Mensch und Technologie. Auf dem Blog teilt sie Ergebnisse und Beobachtungen aus ihrer Arbeit u. a. zu den Themen digitale Transformation, Künstliche Intelligenz, Cloud Computing sowie smarte Services und Produkte. Sie freut sich über eine Vernetzung auf LinkedIn.

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Kategorien: Künstliche Intelligenz
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